Archiv

Siemens-Musikpreisträgerin
Tabea Zimmermann: "Eine Musikausbildung sollten wir allen gönnen"

Im Alter von drei Jahren hat Tabea Zimmermann mit dem Bratschespiel begonnen. Ihrem ersten Lehrer ist sie bis heute dankbar: Er habe ihr die Grundeinstellung zur Musik vermittelt. Die heute weltbekannte Bratschistin ist dafür, Musik wie Mathe oder Sport als wichtigen Teil einer Ausbildung anzusehen.

Tabea Zimmermann im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
Ein Porträt der Bratschistin Tabea Zimmermann, Berlin 2019: Die Musikerin steht hinter herunterhängenden Ästen und horcht mit einer Hand am Ohr.
Ganz Ohr! Tabea Zimmermann besitzt das absolute Gehör (Foto: Rui Camilo, © EvS Musikstiftung)
Die Entscheidung für die Bratsche hatte pragmatische Gründe: Die anderen Kammermusikinstrumente waren bereits an ihre älteren Geschwister vergeben - da blieb für Tabea Zimmermann das Altinstrument der Streicherfamilie. "Ich habe mich von Anfang an mit dem Instrument identifiziert", sagt die Siemens-Musikpreisträgerin 2020. Dennoch sei sie froh, schon früh ihren Blick über die Bratschenstimme hinaus erweitert zu haben. "Ich glaube, dass man auf einem Instrument mehr erreichen kann, wenn man nicht nur von den Gegebenheiten eines einzelnen Instrumentes ausgeht."
Die Bratschistin Tabea Zimmermann
Siemens-Musikpreisträgerin Tabea Zimmermann Sie ist erst die dritte Frau, die mit dem renommierten Musikpreis ausgezeichnet wird. Doch die Rolle als Vorreiterin ist ihr vertraut: Die Bratschistin hat ihr Instrument aus seinem Aschelbrödeldasein befreit. Ganz neue Strahlkraft habe sie ihm verliehen, so die Jury.
"Bratsche ist kein Lebensinhalt"
Sich selbst bezeichnet Tabea Zimmermann demzufolge nicht als Bratschistin, sondern als "Musikerin mit dem Instrument Bratsche". Das Instrument sei für sie kein Lebensinhalt, sie beherrsche es nur am besten. Ihr Können gibt sie als Professorin an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin weiter. Die Lehre sei für sie sehr wichtig geworden, so Zimmermann:
"Sie bringt mir für meine eigene Beschäftigung mit Musik sehr viel. Die Gespräche mit den Studenten, das Weiterentwickeln der Ideen, auch die Hilfestellung, Werte zu vermitteln - darauf möchte ich auf keinen Fall mehr verzichten."
"Kultur nicht als Luxusartikel sehen"
Der Musikausbildung in Deutschland wünscht Tabea Zimmermann verstärkte Aufmerksamkeit und Unterstützung: "Wir sollten uns bewahren, dass wir die Kultur als Aufgabe für die gesamte Gesellschaft sehen und nicht als Luxusartikel." Mit Sorge beobachtet die Mutter von drei Kindern, dass insbesondere Musikschulen immer wieder auf ihre Wirtschaftlichkeit hin geprüft würden. "Eine Musikausbildung bringt ja unendliche Vorteile mit sich. Und ich wünsche mir, dass wir nicht immer nur kurzfristig rechnen, ob eine Veranstaltung unter dem Strich ein Plus bringt."
Kritik an der Eventkultur
Die Auszeichnung mit dem Siemens-Musikpreis empfindet Tabea Zimmermann als Ehre, Ermutigung und Bestätigung für ihren bisherigen Umgang mit dem Musikgeschäft.
"Es spielt für mich weniger eine Rolle, ob es der größte Saal oder das bestbezahlte Konzert ist, sondern es stellt sich mir die Frage ob das inhaltlich interessant und für mich stimmig ist", sagt die Musikerin.
Kritisch sieht sie die Abhängigkeit des Musikbetriebs von großen Geldgebern. Musik werde oft als schönes Beiwerk verstanden, als Unterhaltung auf höchstem Niveau: Die Eventkultur werde immer mehr und der subventionierte Musikbetrieb immer weniger.
Tabea Zimmermann, Jahrgang 1966, gilt als weltweit führende Bratschistin. Mit 21 Jahren war sie an der Musikhochschule Saarbrücken Deutschlands jüngste Professorin. Seit 2002 lehrt sie an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. Zahlreiche zeitgenössische Komponisten haben für sie Werke geschrieben. Rund 50 CDs dokumentieren ihr musikalisches Schaffen. 2018 wurde sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. 2020 ist sie zum sechsten und letzten Mal künstlerische Leiterin der Beethoven-Woche Bonn.