Jüngstes von vier musikalisch begabten Geschwistern zu sein, war gewiss ein Ansporn, die anderen zu überholen. Tabea Zimmermann hat es getan und war bald überall die Erste, bei Jugend musiziert wie auf den Podien großer internationaler Wettbewerbe. Es existiert ein Video-Mitschnitt vom Abschlusskonzert des Concours de Genève 1982: Eine Fünfzehnjährige betritt die Bühne und hat das Publikum sofort im Griff. Der Auftritt verläuft sensationell, aber auch bei der Entgegennahme des Beifalls bleibt sie vollkommen beherrscht. Überschwang und jegliches Showgebaren sind ihr fremd. Doch wie sie spielt, mit ernster Hingabe in makelloser Tonreinheit, lässt niemanden unberührt.
Mit 21 jüngste Professorin
Mit 21 – sie selbst hat gerade erst ihr Examen in Freiburg abgelegt – wird Tabea Zimmermann Professorin für Bratsche in Saarbrücken, die jüngste im ganzen Land; jünger als die meisten, die sie damals unterrichtet.
Große Plattenfirmen machen ihr Avancen. Die Klassikwelt weiß noch nichts von Krise. Und sie nutzt die Chance, die Bratsche aus ihrem Aschenbrödeldasein zu befreien. Komponisten wie György Ligeti und Wolfgang Rihm werden auf sie aufmerksam und widmen ihr bedeutende Werke. Etliche Uraufführungen nähren den Nimbus der furchtlosen Wunderbratscherin. Obwohl sie durchaus weiß, was Schwierigkeiten sind. Aber sie begegnet ihnen offensiv und vermittelt auch ihren Schülerinnen und Schülern, Probleme nicht zu überspielen, sondern sie Schritt für Schritt beharrlich anzugehen:
"Da ist zum einen die Beschäftigung mit der Musik, die Konzentration im Arbeitsprozess, aber auch diese Befriedigung, die durch das gemeinsame Musizieren auf jeden einzelnen zurückkommt. Ich glaube, das können alle sagen, die mit Musik zu tun hatten, in ihrer Kindheit, Jugend, beruflich oder als Amateure: Das ist etwas, was man niemals missen möchte und durchs ganze Leben weitertragen kann."
Warnung vor Musik als Luxusgut
Sorge treibt sie um, dass der Weg zur Teilhabe nicht mehr allen offensteht, wenn der Staat sich zurückzieht und das Musik-Erlebnis zum Luxusgut mutiert. Tabea Zimmermann ist kein Kind aus reichem Haus und spricht mit großer Dankbarkeit von ihrem ersten Lehrer, der sie zehn Jahre an der Musikschule ihrer Heimatstadt Lahr im Schwarzwald unterrichtet hat. Ihr selbst ist das Unterrichten heute wichtiger denn je. Und das Dranbleiben an der eigenen Sache.
"Harold in Italien", die Sinfonie mit Solobratsche, die sie schon so oft gespielt und inzwischen mehrfach aufgenommen hat, entdeckt Tabea Zimmermann mit François-Xavier Roth und dem Orchester Les Siècles auf Darmsaiten noch einmal neu. Nach ihrem umjubelten Harold-Auftritt in der Pariser Philharmonie setzt sie sich an ein Bratschen-Pult, um bei der Orchester-Zugabe im Tutti mitzuspielen. Berlioz – für eine Bratschistin nicht überraschend – ist einer ihrer Lieblingskomponisten.
Später Beethoven als Herausforderung
Ihr Lieblingswerk? Immer das, was sie gerade spielt. Besonders aber Bach und Beethoven. Schwierigkeiten jeden Grades hat sie überwunden. Mit dem späten Beethoven allerdings, sagt sie, ohne damit zu kokettieren, tue sie sich noch immer schwer. Obwohl er Bratscher war. Daran wird sie arbeiten und das Beethoven-Festjahr zu ihrem eigenen machen. Es hat bereits gut angefangen.