"Wir wollen uns vor allem auch bemerkbar machen." - Bemerkbar gemacht haben sich die Berliner Siemens-Mitarbeiter heute Vormittag auf jeden Fall. Rund 1.500 waren gekommen, um vor dem alten Stammsitz des Unternehmens zu protestieren, lautstark vor allem. Auch Nicole Chen kam mit ihren Kollegen aus dem Gasturbinenwerk, welches besonders vom geplanten Stellenabbau betroffen wäre. Die 55-Jährige hat schon lange für Siemens gearbeitet - bei einem Zulieferer, seit kurzer Zeit ist sie nun sogar direkt bei Siemens angestellt.
"Seit einem Monat gehören wir zu Siemens. Rund ein Viertel der Leute hier sind betroffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir völlig niedergemacht werden. Vielleicht werden wir wieder selbstständig werden oder so."
Im Gasturbinnenwerk ist Nicole Chen für die Beschichtung der großen Maschinenschaufeln zuständig. Derzeit arbeiten rund 3.800 Beschäftigte in diesem Werk, 800 könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn die Umstrukturierungspläne der Konzernspitze Wirklichkeit würden. In Berlin schüttelt man darüber den Kopf, mehr als 90 Prozent der hier hergestellten Gasturbinen gehen in den Export. Die Unternehmensleitung begründet den möglichen Stellenabbau mit der Marktlage. Gasturbinen würden in Deutschland kaum noch verkauft, und auch international habe es einen deutlichen Preisverfall gegeben. Andererseits hat Siemens gerade erst einen milliardenschweren Auftrag aus Ägypten an Land gezogen, es geht um den Ausbau der dortigen Energieinfrastruktur - es geht somit auch um Gasturbinen. Dieser größte Einzelauftrag in der Geschichte des Unternehmens zeige doch, so Betriebsratsvorsitzender Günter Augustat, dass der Standort eine Zukunft habe. Auch, weil sich die Beschäftigten stets anpassungsfähig gezeigt hätten.
"Wenn die Effizienzprogramme in der Vergangenheit nicht so durchgeführt hätten - etwa eine signifikante Lieferzeiten-Reduzierung oder auch eine signifikante Qualitätsverbesserung am Standort - dann hätten wir diesen Ägypten-Auftrag so nicht stemmen können."
"Das beschädigt ja im Kern das, was Siemens bisher stark gemacht hat"
Auf der Kundgebung wird vor allem betont, dass Berlin noch immer der größte Fertigungsstandort des Unternehmens sei. Insgesamt arbeiten rund 11.500 Siemensianer in der Hauptstadt. Der IG-Metall geht es auch um die Beibehaltung eines integrierten Standortes, sagt Olaf Bolduan, der Betriebsratsvorsitzende des Dynamowerks. Hier werden Elektromotoren für Antriebsmaschinen, etwa für den Schiffsbau oder die Gasverflüssigung produziert. Er spricht von einer innovativen und erfolgreichen Sparte bei Siemens, die nun durch die geplanten Stellenstreichungen in Gefahr sei. "Das beschädigt ja im Kern das, was Siemens bisher stark gemacht hat: Facharbeit und Ingenieurskunst, Entwicklung und Fertigung an einem Standort."
Die IG Metall fordert nun eine Konzernstrategie für Deutschland. Weitere Protestkundgebungen gab es heute beispielsweise auch an den Standorten Nürnberg oder Duisburg. Ob der heutige bundesweite Aktionstag der IG-Metall, der Siemensianer, Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten. Vorstandschef Joe Kaeser hält einen Stellenabbau weiterhin für unvermeidlich. Nicole Chen aus dem Gasturbinenwerk hofft, dass auch ihr heutiger Protest Wirkung zeigt. Doch die 55-Jährige weiß auch, dass es schwierig werden wird.
"Ich muss froh sein, wenn ich irgendwie drin bleibe, noch ein paar Jahre, noch einige Jahre. Aber: Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sind schlecht."