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Sierra Leone
Fußball in Zeiten von Ebola

Ebola hat das Leben in Sierra Leone völlig umgekrempelt - auch den heißgeliebten Fußball. Seit im vergangenen Juli der Notstand ausgerufen wurde, sind die Stadien leer, den Mannschaften fehlt jede Perspektive. Jetzt hoffen Spieler und Trainer auf ein bisschen mehr Normalität.

von Oliver Ramme | 17.08.2015
    Fußballtraining in Sierra-Leone
    Fußballtraining in Sierra-Leone (Deutschlandradio - Oliver Ramme )
    Kein Mensch ist zu sehen im weiten Rund des Nationalstadions in Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Lediglich ein paar Raben und Geier springen auf dem hochgewachsenen, verwilderten Rasen herum. 30.000 Zuschauer fasst das betagte Stadion. Die Farben sind verwittert. Die Anwesenheit der Geier im leeren Rund hat Symbolcharakter: Denn Fußball ist tot in Sierra Leone. Seit im Juli letzten Jahres die Regierung in Sierra Leone den Notstand ausgerufen hat. Wegen Ebola!
    „Um ehrlich zu sein, wir haben keinen blassen Schimmer wann sie den Notstand wieder aufheben. Wir hängen in der Luft und hoffen einfach, dass Ebola endlich verschwindet. Wenn das der Fall ist, machen wir weiter mit Fußball." Benjamin Gordon ist Fußballmanager und Besitzer des Sierra-Leonischen Erstligisten Mount Aureol, der – gäbe es Ebola nicht – hier im Nationalstadion spielen würde. Gordon ist ein massiger Mann in modernem Trainingsanzug. Manchmal kommt er hierher, setzt sich auf die Tribüne und träumt von besseren Zeiten. „Fußball ist die dritte Religion in Sierra Leone. Nach dem Islam und dem Christentum kommt der Fußball. Fußball bedeutet uns alles. Wir essen, wir schlafen, alles ist mit Fußball. Der Sport ist unser Leben und es ist traurig dass wir zurzeit nicht kicken! Wir sind sauer auf Ebola, es ist echt hart."
    Ebola ist noch nicht vorbei
    Im Grunde hat Gordon seine Mannschaft verloren. Zum Trainieren kann er seine Spieler nicht verpflichten, er zahlt sie ja zur Zeit nicht. Wenigstes ist niemand in seinem Team an Ebola erkrankt. Das ist die einzig gute Nachricht für den Fußballmanager. Gordon hofft einfach, dass Ebola bald vorbei ist.
    Benjamin Gordon ist Fußballmanager und Besitzer des Sierra-leonischen Erstligisten Mount Aureol.
    Benjamin Gordon ist Fußballmanager und Besitzer des Sierra-leonischen Erstligisten Mount Aureol. (Deutschlandradio - Oliver Ramme )
    Aber Ebola ist noch nicht vorbei. Noch immer infizieren sich Menschen mit diesem heimtückischen Virus, das durch Körperflüssigkeiten und Kontakt übertragen wird. Und so lange Ebola im Land ist, werden die Stadien leer bleiben, sagt Steve Gaojia. Gaojia leitet das National Ebola Response Centre, also den nationalen Ebola Krisenstab. „Wenn wir jetzt Fußballspiele zulassen, dann sind die Stadien wieder randvoll. Und dann kommt es wieder zu Berührungen. Wir als Verantwortliche genießen es doch nicht, die Leute an ihrer Freude zu hindern. Aber die Entscheidung ist getroffen: Wir müssen die Kette der Übertragung unterbrechen. Wenn das der Fall ist, wird hier auch wieder alles normal."
    Trainiert wird ohne Publikum
    Es wird doch Fußball gespielt. Ein bisschen trainiert zumindest, ohne Publikum. Kenema ist die drittgrößte Stadt in Sierra Leone. Von hier ist es nicht mehr weit nach Liberia und Guinea - die anderen Länder, die Ebola so hart getroffen hat. Auf einem weitläufigen Schotterfeld kicken zwei Mannschaften. Am Spielfeldrand steht ein kleiner Mann im Trainingsanzug. Alhaji Foray hat einen Bauch und ein rundes Gesicht. Er ist der Trainer des Erstligisten Komboi Eagles, 2014 Pokalsieger. Damals war noch alles in Ordnung, es gab kein Ebola. Ein paar von Forays Männern kicken auf dem Schotter. „Es ist verdammt schwer für mich. Wie kannst du ein Team trainieren ohne Wettbewerb, ohne Ligabetrieb?"
    Und so steht Foray etwas ratlos am Spielfeldrand. Die Trillerpfeife baumelt um seinen Hals. Er wird sie auch heute nicht brauchen. Lamin Janneh spielt auf dem Feld. Er ist 21 Jahre jung. Ein Bilderbuchathlet, seine Körperform erinnert an ein langes V. Er steht in der Blüte seiner Karriere. „Das ist überhaupt nicht gut für uns. Wir wollen es zu was bringen im Fußball. Und in den letzten 12 Monaten war Fußball quasi auf Null. Echt schwierig und überhaupt nicht gut für unsere Karriere."
    Lamin Janneh hält sich fit mit Laufen, im Fitnessclub und hier bei den Sonntagspielen mit den älteren Spielern. Aber das reicht nicht, das weiß auch Lamin. Obwohl er und seine Familie von Ebola verschont geblieben sind, hat ihm die Seuche doch einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Ein Jahr zu verlieren in meinem Alter ist echt nicht einfach. Ich muss mich eben fokussieren und cool bleiben mit der Karriere. Ich werde da schon hinkommen. Das ist mein Ziel."
    Hoffen auf Normalität
    Vielleicht beginnt die Saison doch bald wieder. Immerhin haben schon vor ein paar Wochen die Schulen und Universitäten ihre Pforten geöffnet. Als nächstes die Stadien? Alle hoffen auf Normalität, nicht nur die Fußballer.
    Im Nationalstadion herrschen weiter Krähen und Geier über den Rasen. Gleichzeitig werden in einem Konferenzraum des Stadions Helfer im Kampf gegen Ebola ausgebildet. Um dann bei Hilfsorganisationen zu arbeiten und Geld zu verdienen. In der Hochzeit der Seuche arbeiteten 26.000 im sogenannten Ebola-Business. Benjamin Gordon, der Fußballmanager, verfolgt das mit Sorge. „Einige meiner Spieler arbeiten im Ebola-Business. Das ist traurig und erschreckend zugleich für mich... Ich habe sie getroffen und sie sagten mir: Sie müssen das machen um zu überleben. Und den einzigen Job den sie zurzeit bekommen ist ein Ebola-Job. Der eine ist mein Kapitän, der andere einer meiner Stürmer. Furchtbar zu sehen, dass die da was machen müssen, was sie nicht gewohnt sind."
    Im Spielbetrieb bezahlt Gordon seinen Männern zwischen 100 und 500 Euro monatlich – je nach Spielerqualität. Im Ebola-Business gibt es weniger. Aber, wer keine Wahl hat wird vom Fußballspieler zum Leichengräber oder Pfleger. So hat Ebola ein ganzes Land umgekrempelt, auch den geliebten Fußball.
    Eine Multimedia-Reportage zum Thema Ebola in Sierra Leone finden Sie hier.