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Lebensmittelanalytik
Schadstoffe aus Silikon-Backformen?

Backformen aus Silikon können bedenkliche Substanzen absondern. Das wurde jetzt auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag in Hamburg berichtet. Manche der Substanzen führten im Tierversuch zu Nierenschädigungen und Tumoren. Wie gefährlich sie für den Menschen sind, ist noch unklar.

Von Volker Mrasek |
Farbige Silikon-Backformen für Muffins auf einem Holztisch. Silikon Backforrmencolored Silicone Back forms for Muffins on a Wooden table Silicone
Wie gefährlich aus Silikon-Backformen abgesonderte Substanzen sein können, müssen weitere Studien zeigen. (imago / Jürgen Schwarz / Juergen Schwarz)
„Silikon“ ist nur ein Trivialname. Genau genommen heißt der Weichkkunststoff „Polysiloxan“. Er besteht aus unzähligen Einzelbausteinen, „Siloxane“ genannt, weil sie Silizium und Sauerstoff enthalten. Diese Grundeinheiten können sich aus fertigen Silikonprodukten wieder lösen. Vor allem Cyclosiloxane, Moleküle mit ringförmiger Struktur, so der Lebensmittelchemiker Christophe Goldbeck:
„Da ist es so, dass die ECHA, also die Europäische Chemikalienagentur, gesagt hat: Oho! Diese Stoffe werden in Massen erstmal produziert, gelangen auch in Massen in die Umwelt. Und das Dumme dabei ist: Die werden als sehr persistent angesehen, und als besorgniserregend sind sie eingestuft worden. Für die Umwelt, aber auch für den Menschen.“
Im Chemischen Untersuchungsamt Münster hat Goldbeck die Cyclosiloxane daher zu einem Arbeitsschwerpunkt gemacht. Und überprüft, welche Mengen aus gängigen Silikon-Backformen austreten: „Im Backofen kommen die mit heißen Lebensmitteln in Kontakt. Und da wissen wir: Die Stoffe können dann auf die Lebensmittel übergehen. Und dann werden die auch noch verzehrt, also aufgenommen.“

Schwellenwert bei Substanzen mit Lebensmittelkontakt

Es gibt einen Schwellenwert: Sicherheitshalber sollten von keiner Substanz mit Lebensmittelkontakt mehr als 50 Mikrogramm pro Kilogramm aus einem Kunststoff übertreten. Im Backversuch mit Dutzenden verschiedenen Silikonformen waren es aber bis zu 35 Milligramm, selbst nach mehrmaligem Gebrauch: „[Da] sind wir fast bei Faktor 1000 drüber. Und gerade wenn’s dann so weit davon entfernt ist, sehen wir das schon sehr kritisch.“  
Solche Backformen werden beanstandet, Produzenten oder Importeure flattert ein Mängelgutachten ins Haus. Mit dem Hinweis, dass sie die Regeln der guten Herstellungspraxis verletzen: „Wenn die gut hergestellt sind, ist das auch überhaupt kein Problem. Dann spricht man von der sogenannten Temperung. Also, man heizt dieses Silikonmaterial aus. Und dann verflüchtigen sich alle Stoffe und sind dann im Material auch gar nicht mehr in irgendwelchen Konzentrationen vorhanden, die schlimm wären oder bedenklich wären für die menschliche Gesundheit.“
Doch manchen Herstellern ist das offenbar zu aufwendig oder zu teuer: „Das kostet Energie. Das kostet entsprechend auch Geld, weil man das ausheizen muss, um diese unerwünschten Stoffe herauszubefreien.“

Auch hohe Gehalte in Pop-It-Spielzeug

Als starke Quelle für die bedenklichen Cyclosiloxane erwiesen sich in den Labortests zudem sogenannte Pop-It-Spielzeuge aus Silikon, die relativ neu auf dem Markt sind: „Die haben Ausstülpungen. Also, man klickert da sozusagen mit rum, Noppenplastik, so kennt man das, das soll dann beruhigen. Jetzt sind aber einige auf die Idee gekommen, das auch zu nutzen so ähnlich wie eine Backform. Da kann man vielleicht Schokolade reingießen. Das lässt man dann auskühlen, und dann hat man so ganz tolle Schokoladentäfelchen. Können Sie auf youtube finden. Es gibt auch Handelsketten, die das zum Teil auch auf ihren Internetseiten hatten als Tipp. Daher wissen wir das, das ist jetzt auch so ein Trend.“
Nur ist das Spielzeug-Silikon überhaupt nicht dazu bestimmt, in Kontakt mit Lebensmitteln zu kommen, wie Christophe Goldbeck betont. Und so fanden sich auch in der Schokolade aus zweckentfremdeten Pop-Its-Formen hohe Gehalte von Cyclosiloxanen: „Und das sind noch nicht mal drastische Bedingungen wie im Backofen. Und da ist es schon so, dass auch hier die Cyclosiloxane im Milligramm-pro-Kilogramm-Bereich auf die Lebensmittel übergehen. Und dann werden die natürlich gegessen und verzehrt.“
Dabei ist im Moment noch unklar, wie gefährlich die Aufnahme der Substanzen für den Menschen tatsächlich ist. Thomas Tietz arbeitet als Chemiker und Toxikologe beim BfR, dem Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin: „Diese zyklischen Verbindungen werden nach ihrer Größe eingeteilt: als D3, D4, D5, D6 mit entsprechend steigender Anzahl an Siliziumatomen. Und das kann dann bis D20, 30 - wie auch immer – gehen. Eine einigermaßen umfangreiche, umfängliche Datenbasis gibt es eigentlich nur für D4 und D5.“

Nierenstörungen und Tumore im Tierversuch

Diese kleineren Cyclosiloxane führten im Tierversuch zu Nieren-Funktionsstörungen. Weibliche Ratten entwickelten bei höheren Konzentrationen gutartige wie auch bösartige Tumoren in der Gebärmutter-Schleimhaut. Ob solche Effekte auch beim Menschen auftreten, ist unsicher: „Wir gehen aber davon aus, dass es sich um einen sogenannten Schwellenwert-Mechanismus handelt. Also, im Unterschied zu krebserzeugenden Stoffen, die tatsächlich die DNA verändern, gibt es eine sichere Dosis, unterhalb derer kein Effekt zu erwarten ist.“
Silikon-Backformen und Pop-Its: Treten Schadstoffe über?
Wie hoch diese Dosis ist, kann heute aber noch niemand sagen. Christoph Goldbeck rät auf jeden Fall dazu, nur Silikon-Backformen von namhaften Herstellern zu verwenden. Die seien fast immer in Ordnung.

Schnuller und Babyflaschen unproblematisch

Zu guter Letzt hat der Lebensmittelchemiker noch eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Silikon-Schnuller und -Babyflaschen erwiesen sich alle als unproblematisch. Und die schlechte: Sex-Spielzeug aus Silikon enthielt noch wesentlich mehr Cyclosiloxane als die Backformen: „Das Doppelte bis Zehnfache.“
Wieviel davon durch gut durchblutete Schleimhäute in den Körper gelangt und was dadurch ausgelöst wird – auch das ist noch völlig offen.