Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
Ihnen, die Sie regelmäßig das Schlaukopfradio hören, muss ich nicht sagen, wer Deniz Yücel ist. Den dreien unter Ihnen, die immer wieder nicht richtig zuhören, weil sie nebenbei an ihrem Telefon rumfummeln, aber sei gesagt, Deniz Yücel ist der Türkeikorrespondent der Tageszeitung "Die Welt", der ohne Anklage seit einem halben Jahr im türkischen Gefängnis sitzt. Weil er als Journalist gearbeitet hat. Was im Verständnis eines Despoten, der sich die Realität so formt, wie er sie zum Ausgleich für seine ferndiagnostizierte chronische Verstopfung braucht, terroristischer Aktion gleichkommt.
Alle reden immer nur von Deniz
Zusammen mit Yücel, der einen deutschen und einen türkischen Pass hat, sitzen aktuell 163 Journalistinnen und Journalisten in Erdogans Gefängnis. Darunter auch die Deutsche Mesale Tolu mit ihrem zweijährigen Sohn. Obendrein sitzt seit ein paar Wochen auch noch der Aktivist Peter Steudtner ein. Aber von ihnen, von Tolu und Steudtner ebenso wie von den rund 160 türkischen Kolleginnen und Kollegen redet keiner.
Alle reden immer nur von Deniz. Deniz hier, Deniz da. Es gibt Mahnwachen und Autokorsos in seinem Namen, Lesungen, Konzerte, Galas - und Laufgruppen beim Marathon. Um ihm Mut zu machen, um den Unmut über die Inhaftierung kundzutun und um die deutsche Regierung daran zu erinnern, dass einer ihrer Staatsbürger von einem politischen Freibeuter fern jeder Gesetzesgrundlage in Geiselhaft gefangen gehalten wird.
Der Mann wird hochgehalten, die Frau läuft am Rande mit
Auch ich, das soll an dieser Stelle der Transparenz und möglicher Interessenskonflikte wegen gesagt werden, bin bei solchen Aktionen dabei. Und ja, auch mich stört es, dass sich auch an dieser Stelle spiegelt, was unsere Gesellschaft prägt: Der Mann wird hochgehalten, die Frau läuft am Rande mit. Und von den 160 anderen inhaftierten Kolleginnen und Kollegen redet auch kein Mensch. Außer im Plural. Ein Name? Eine Person? Keine Ahnung. Allenfalls das ein oder andere Medium kann man nennen, für das die Kollegen gearbeitet haben.
Ja, das ist blöd. Und vielleicht auch nicht fair. Aber auf der anderen Seite ist es auch für sie ein Glück, dass es Deniz gibt. Deniz, der so ein Krawallo ist, so ein journalistischer Hau-Drauf, der so viele Jahre Redakteur bei der "taz" war, dass er ein Heer an Freunden und Kollegen hat, die jetzt so laut für ihn trommeln und ihn zum Gesicht des Widerstandes gegen Erdogans Journalisten-Plattmache erheben.
Symbol für den Kampf gegen das Unrechtssystem Türkei
Eine Revolution braucht ein Symbol, braucht ein Gesicht. Ebenso wie der Widerstand und der Kampf für Gerechtigkeit. Es ist ein Glück für die linke Freiheitsbewegung, dass Che Guevara nicht nur ganz gut aussah, sondern auch, dass es dieses ultracoole Foto von ihm gab. Hätte er ausgesehen wie Martin Schulz, würde sein Bild heute wohl kaum noch auf T-Shirts gedruckt.
Auch von Deniz Yücel gibt es ein solches Foto, auf dem er wie der sehr coole Hund aussieht, der er ist. Schnurrbart, Kippe, Sonnenbrille. Ein Foto, das sehr schnell zum Symbol für den Kampf gegen das Unrechtssystem Türkei wurde.
Es mag allein Deniz zeigen. Aber es steht für alle Journalistinnen und Journalisten in der Türkei, die ihre Arbeit gemacht haben und von einem Mann, der nur durch Unterdrückung mächtig zu sein vermag, zu Verbrechern erklärt wurden. Es ist das Symbol von uns allen, die wir die Verhältnisse in der Türkei, die Aufhebung der Presse- und Meinungsfreiheit nicht hinnehmen wollen, und die wir dafür kämpfen, dass die Kollegen freikommen.
Es ist das Pech Erdogans, dass er selbst so wenig zum Helden taugt. Dass sein Konterfei nie ein T-Shirt schmücken, sondern immer nur verunstalten wird. Recep Tayyip Erdogan sieht nicht aus wie ein Kämpfer. Er sieht aus, wie Füße stinken.