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Silke Burmester
Mehr Solidarität unter Journalisten!

Journalisten sollten mehr zusammenstehen, meint Silke Burmester in ihrer Kolumne. Wenn ihnen auf Pressekonferenzen Fragen verboten würden, wie jüngst beim Besuch des US-Präsidenten Donald Trump in Großbritannien, dann sollten sie solchen Angriffen Konsequenzen folgen lassen.

Von Silke Burmester | 19.07.2018
    Plakat am Musikzentrum in Helsinki, mit der Aufschrift: "Mr. President, welcome to the land of free press". Eine Aktion der finnischen Zeitung Helsing Sanomat zum Besuch von Donald Trump in Finnland 14. Juli 2018
    Begrüßungs-Plakat der finnischen Zeitung Helsing Sanomat zum Besuch von Donald Trump in Finnland (Aleksi Tuomola/Lehtikuva/dpa |)
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Da Sie Konsumentinnen und Konsumenten eines Schlaukopfradios sind, gehe ich davon aus, dass die meisten von Ihnen mir zustimmen werden, wenn ich sage, dass das Verhalten des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gegenüber der Presse, die er bis auf wenige Ausnahmen mit dem Begriff "Fake News" zu stigmatisieren und zu denunzieren versucht, indiskutabel ist. Und, dass die Pressefreiheit ein nicht zu verhandelndes Gut ist.
    Am vergangenen Wochenende verhielt es sich so: Trump war in Großbritannien zu Besuch und gab an der Seite von Premierministerin Teresa May eine Pressekonferenz. Wie schon zuvor, mähte er Journalisten, die ihm nicht passen, nieder. Er bezichtigte eine Journalistin von NBC der Unehrlichkeit und weigerte sich, die Fragen eines Kollegen von CNN zuzulassen. Stattdessen wollte er die Fragen von John Roberts hören, einem Journalisten des ihn unterstützenden Senders Fox News, den er - im Gegensatz zu CNN - einen "richtigen" Sender nannte.
    So weit, so traurig. Beängstigend. Abstoßend.
    Fox-News-Mann springt für CNN-Kollegen in die Bresche
    Vier Stunden später war Fox-News-Mann John Roberts auf Sendung und sagte, auf der Pressekonferenz sei etwas passiert, über das man sprechen müsse. Dann wiederholte er Trumps Unterstellungen und sprang für seine Kollegen in die Bresche: Die Behauptungen seien nicht wahr. Sie auszusprechen, unfair.
    Uff, möchte man da sagen. Das Tanzorchester herbeiwinken, die Konfettikanone entzünden, für diesen Kollegen, der endlich, endlich den Mund aufbekommt und dem amerikanischen Neo-Nero Paroli bietet.
    Es ist ja sowieso völlig unverständlich, dass alle den Mann durchkommen lassen. Mit jeder noch so hanebüchenen Behauptung, mit jeder noch so unverschämten Beleidigung. Und so, wie die europäischen Politiker und Politikerinnen in Schockstarre darauf warten, dass der Sturm vorüberzieht, bekommt auch Teresa May es in der Pressekonferenz nicht hin, Trump darauf hinzuweisen, dass in dem Land, das er gerade als Gast bereist, die Pressefreiheit Grundsatz ist.
    Porträt von Silke Burmester
    @mediasres-Kolumnistin Silke Burmester (imago / Sven Simon)
    "Willkommen im Land der freien Presse"
    Nun meine Überlegung, liebe Hörerinnen und Hörer: Müssen wir Journalisten, wenn die Repräsentanten des Volkes versagen, einspringen? Ich denke, in diesem Falle, ja. So, wie die Kolleginnen und Kollegen es im Mai in Brandenburg taten, als die AfD die Fragen eines Bild-Reporters nicht zulassen wollte, und die Journalisten kollektiv den Raum verließen. So müssen sie, müssen wir füreinander einspringen und Partei ergreifen. Es war gut, dass John Roberts das Wort für seine Kollegen und damit stellvertretend für die freie Presse ergriffen hat. Aber es war vier Stunden zu spät.
    Wir dürfen das Spiel nicht mitmachen, vor Ort brav unsere Fragen stellen, und hinterher das Schwert schwingen. Wir müssen den Mut haben, die Dinge gegenüber Trump und Co. beim Namen zu nennen. So, wie der finnische Chefredakteur Kaius Niemi, der zum Besuch von Putin und Trump 300 Plakate auf dem Weg vom Flughafen zum Tagungsort aufhängen ließ, auf denen er die beiden "im Land der freien Presse" willkommen heißt.
    Und natürlich müssen wir solidarisch sein. Welch eine wunderbare Vorstellung: Trump weigert sich, den CNN-Kollegen eine Frage stellen zu lassen, Teresa May sieht kommentarlos zu, und wir Berichterstatter sagen: "So nicht!", verlassen den Platz und lassen die Regenten stehen. Die Macht dazu hätten wir.