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Silvesterübergriffe
BKA: Viele Taten werden wohl nicht aufgeklärt

Die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht bleiben wohl größtenteils ungesühnt. BKA-Präsident Münch sagte, viele der Taten könnten nicht aufgeklärt werden. Bislang seien nur 120 Verdächtige ermittelt worden, heißt es, nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutsche Zeitung", in einer Bilanz des BKA.

Von Kersten Mügge |
    Menschengruppen vor der Kulisse des Kölner Doms, dazwischen Rauchschwaden.
    Menschen in der Silvesternacht auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Köln. (dpa / Markus Böhm)
    In der Silvesternacht auf der Hamburger Reeperbahn. Um 0.44 Uhr drückt ein Profifotograf mehrmals den Auslöser. Er hält fest, was das Bild dieser Nacht für immer prägen wird: tausende Menschen auf der Hamburger Partymeile, darunter Täter und Opfer.
    "Die haben mich festgehalten, Arme nach hinten gezogen, dann sind sie an die Brüste gegangen, an den Po, mit der Hand auch unten komplett rein, ich war hilflos."
    Ähnliches ereignet sich auch in Köln und anderen Städten. In den Tagen danach stellen hunderte Frauen Anzeigen. Insgesamt hat es der Bilanz des Bundeskriminalamts zufolge 900 Sexualdelikte gegeben. Auf Basis der Aussagen der Opfer hat die Polizei versucht, Verdächtige zu ermitteln, aber es stellt sich laut BKA heraus, dass viele Frauen die mutmaßlichen Täter nicht aussagekräftig genug beschreiben konnten. Umso wichtiger sind Fotos wie die aus Hamburg, bestätigt Steffen Hitschke, Leiter der Ermittlungsgruppe Silvester des dortigen Landeskriminalamts.
    "Das war wirklich ein Geschenk. Das ist auch etwas, wo ein Ermittlerherz dann höher schlägt und sagt: Ich hab Material in Händen, wo ich was mit anfangen kann."
    Verdacht ist oft nur vage
    Aber so hochauflösende Fotos wie in Hamburg sind die absolute Ausnahme. Schlechtes Bildmaterial und unklare Aussagen – das sind dem BKA zufolge Ermittlungshemmnisse. Die führen dazu, dass die Polizei bislang bundesweit nur 120 mögliche Täter identifizieren konnte – und oft ist der Verdacht nur vage.
    "Die Ermittlungen sind ja noch nicht endgültig abgeschlossen. Aber wir müssen davon ausgehen, dass viele dieser Taten auch im Nachgang nicht mehr ausermittelt werden können", lautet das ernüchternde Fazit des BKA-Präsidenten Holger Münch. Nach den Daten der Behörde stammen die meisten der Verdächtigen aus Nordafrika und Afghanistan, mehr als die Hälfte ist erst im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen. Insofern, so Münch, habe auch der Flüchtlingszustrom, etwas mit den Silvestertaten zu tun.
    "Aber es ist nicht so, dass hier eine gezielte Verabredung für Straftaten war, sondern dass sich auch viele dieser Personen bewusst an diesen Orten treffen wollten, zu Silvester, aber nicht um von vorneherein Straftaten zu begehen."
    Verurteilungen in vier Fällen
    Aber selbst die hochauflösenden Fotos in Hamburg hatten bislang noch keine Verurteilungen zufolge. So erkennen die Opfer junge Männer zwar wieder, etwa an einer Mütze oder einer Jacke. Sechs Männer kamen auch in Untersuchungshaft. Aber nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sind sie alle inzwischen wieder auf freiem Fuß, auch wenn die Staatsanwaltschaft ihre Anklagen aufrechterhält. In manchen Fällen geben die jungen Männer zu, auf der Reeperbahn gewesen zu sein, bestreiten aber die Taten. In einem Prozess in Hamburg sagte eine Zeugin schließlich aus, der mutmaßliche Täter sei deutlich größer als der angeklagte Afghane. Aus diesem Grund sprach die Hamburger Amtsrichterin Kathrin Sachse den jungen Mann frei.
    "Aus meiner Sicht erleben wir hier gerade bei den Übergriffen aus der Silvesternacht eine ganz starke Seite des Rechtsstaats, denn die Verfahren machen deutlich, dass wir hier in Deutschland ganz unerschütterliche Grundsätze haben, die im Strafverfahren gelten."
    In vier Fällen gab es bislang Verurteilungen. In Düsseldorf und Nürtingen wurden Haftstrafen verhängt, in Köln erhielten zwei Täter eine Bewährungsstrafe.