"Einer für alle, alle für einen." So schwören es sich die drei Musketiere im gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas, der Geschichte der Leibwächter des Königs, die sich gegen einen intriganten Mächtigen wehren, um die Ehre ihres Dienstherren zu retten. Im Frankreich zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Nun also Düsseldorf, fast 400 Jahre später. Fast 9.000 Mitglieder umfasst die Facebook-Gruppe "Einer für alle, alle für einen… Düsseldorf passt auf" bereits. Tendenz steigend. Rasant. Die Gruppe will an Wochenenden und bei Veranstaltungen "durch die Stadt ziehen", um "unsere Stadt für unsere Damen sicherer zu machen". So heißt es in der Selbstbeschreibung.
Eine andere, offenbar ebenfalls jüngst gegründete Gruppe in dem Sozialen Netzwerk nennt sich "Bürgerwehr Deutschland". Sie ruft in einem Post dazu auf, "in jedem Ort Deutschlands, wenn möglich" Bürgerwehren zu gründen, "um die Sicherheit auf unseren Straßen wiederherzustellen". Jeder könne eine Bürgerwehr gründen und müsse diese auch nicht melden, "solange sie sich an die Regeln hält und selbst keine Straftaten begeht".
Bürgerwehren mit "rechtsextremistischer Ausrichtung"
Grundsätzlich steht es jedem frei, sich als sogenannte Bürgerwehr zu formieren. Andererseits sind Gefahrenabwehr und Schutz der öffentlichen Sicherheit der Polizei zugewiesen - und die lehnt diese Form von Unterstützung entschieden ab: "Wir treten ganz klar dagegen ein, dass Menschen das Gesetz selbst in die Hand nehmen", sagt Kim Ben Freigang von der Dortmunder Polizei im Gespräch mit den Deutschlandfunk-Nachrichten. Seine Dienststelle konnte im vergangenen Jahr Erfahrungen im Umgang mit Gruppen machen, die sich als Bürgerwehren formierten. Allerdings gingen in Dortmund stadtbekannte Rechtsradikale auf die Straßen, Mitglieder der Partei "Die Rechte", die sich "Stadtschutz Dortmund" nannten. Auch deshalb rät Polizist Freigang, genau hinzuschauen, wer solche Gruppen gründet. Es bestehe die Gefahr, sich vor den Karren von Menschen mit extremer politischer Gesinnung spannen zu lassen.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion, aus der der Berliner "Tagesspiegel" vor einer Woche zitierte, bestätigt den Verdacht: Demnach gibt es bundesweit sieben Bürgerwehren, bei denen es "Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Ausrichtung" gibt - darunter die erwähnte Dortmunder. Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass ihre Aufstellung zu Bürgerwehren nicht vollständig ist: Der Begriff "Bürgerwehr" sei "kein Katalogwert" im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes zu Fällen politisch motivierter Kriminalität.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner geht von noch viel mehr Bürgerwehren mit rechtem Hintergrund aus. Alleine in Thüringen, ihrem Wahlkreis, fielen ihr auf Anhieb ein halbes Dutzend entsprechender Gruppen ein, die in der Antwort nicht genannt würden, sagte sie dem Tagesspiegel.
"Zivilcourage ist wichtig, aber kein falsches Heldentum"
Der Kriminologe Frank Neubacher von der Universität Köln hält die Bildung von Bürgerwehren auch aus einem anderen Grund für keine gute Idee. "Ich möchte sogar sagen, es ist eine ganz und gar törichte Idee", schreibt er in seiner Antwort auf unsere Anfrage. "Denn es gibt ein staatliches Gewaltmonopol, und zwar aus guten Gründen." Die Polizei sei entsprechend ausgebildet und ausgestattet, erklärt der Leiter des Instituts für Kriminologie. Und erinnert daran, dass sich in den vergangenen Monaten Opfer von Wohnungseinbrüchen vor dem Strafrichter wiedergefunden hätten: "Warum? Weil einige offenbar der Meinung waren, das Notwehrrecht decke auch ein Erschießen des Flüchtenden bzw. eine 'Bestrafung' der (mutmaßlichen) Täter auf eigene Faust an Ort und Stelle ab", so Neubacher.
Zur Strafverfolgung sind alleine Polizei und Justiz berufen: Das betont auch eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf unsere Nachfrage. Einen Trend in NRW zur Bildung von Bürgerwehren hat das Ministerium noch nicht erkannt. Bürgerwehren seien auch deshalb problematisch, weil ihre Mitglieder nicht als solche erkennbar seien, bemerkte die Sprecherin. Wie auch der Dortmunder Polizeisprecher Freigang betonte das Innenministerium aber auch, wie wichtig Hilfe bei der Strafverfolgung ist. Bürger, die Verdächtiges beobachten sollten die Polizei benachrichtigen, so Freigang. "Zivilcourage ist wichtig, aber falsches Heldentum ist nicht angebracht."
"Pegida"-Demonstration in Köln
"In Köln ist man von einer Lage überrascht worden und hat möglicherweise auch falsch reagiert, aber das heißt nicht, dass in Deutschland die Sicherheitskräfte nicht mehr die öffentliche Sicherheit garantieren könnten", bewertet Kriminologe Neubacher die Ereignisse von Silvester und ihre Folgen.In der Nacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1.000 Männern heraus Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Die Bundespolizei hat inzwischen 31 Tatverdächtige registriert; die meisten davon aus Nordafrika, dem Iran und Syrien. Darunter sind 18 Asylbewerber. Zwei heute festgenommene Männer wurden wegen mangelnden Tatverdachts wieder freigelassen. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers wurde inzwischen in den Ruhestand versetzt.
Am morgigen Samstag sind in Köln mehrere Demonstrationen geplant. Die islam- und fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung in Nordrhein-Westfalen hat eine Versammlung unter dem Motto "Pegida schützt" angemeldet, zu der die Veranstalter nach Polizeiangaben rund 1.000 Teilnehmer erwarten. Die "Bürgerwehr Deutschland" ruft bei Facebook zur Teilnahme auf und schreibt dazu: "Anstatt immer nur zu posten, was ihr alles scheiße findet, könntet ihr zur Abwechslung auch mal euren Arsch bewegen und auf die Straße gehen. Kämpft um euer Land."
(bor/tgs)