Kaess: Es sind die ersten Wahlen im südafrikanischen Simbabwe nach dem Sturz von Machthaber Robert Mugabe, der das Land für fast 40 Jahre in einem eisernen Griff hielt. Simbabwe galt einst als Kornkammer Afrikas, aber in den letzten Jahrzehnten wurde das Land so heruntergewirtschaftet, dass es sogar auf Lebensmittelhilfen von außen angewiesen ist.
Vor acht Monaten wurde der greise Mugabe nach einem Militärputsch zum Rücktritt gezwungen, ins Amt des Präsidenten wurde Emmerson Mnangagwa gehievt. Er gilt zwar als aussichtsreichster Kandidat bei diesen Wahlen um die Nachfolge Mugabes, aber viele verbinden mit ihm das alte Regime, denn er war lange Zeit Mugabes rechte Hand.
Sein Herausforderer, Oppositionsführer Nelson Chamisa, ist vor allem bei den jungen Wählern gefragt - von denen gibt es in Simbabwe viele. Nach außen scheint es so, als sei der Wahltag gestern ohne größere Zwischenfälle abgelaufen. Darüber möchte ich sprechen mit dem CDU-Politiker und Europaparlamentarier Elmar Brok. Er leitet die Delegation der EU-Wahlbeobachter, und wir erreichen ihn in Simbabwes Hauptstadt Harare. Guten Morgen, Herr Brok!
Brok: Guten Morgen, Frau Kaess!
Kaess: Herr Brok, waren das freie und faire Wahlen?
Brok: Im Vergleich zu den Wahlen von 2001 und 2008 war dies ein ungeheurer Fortschritt. Es gab ungestörte Veranstaltungen von allen Parteien, es gab das Gefühl, dass die Bevölkerung sich frei ausdrückte, dass doch Meinungsfreiheit da ist. Aber es gab auch Mängel. Natürlich war die Regierungsparteien und Staatsmedien fast allein vertreten. Es gab Unklarheiten bei der Wahlvorbereitung, aus denen Verdächtigungen kamen, ob es wirklich fair ist, ob nicht Wahltag dort doch wieder betrogen wird, wie man das gewohnt war in der Vergangenheit, dass es hier einen Mangel an Transparenz gab und weil es natürlich auch die Erfahrung ist, dass bisher dort immer getrickst worden ist.
Deswegen hat es auch einen Mangel an Glaubwürdigkeit in manchen Bereichen gehabt. Aber der Wahltag selbst ist gut gelaufen, es gab keine gewaltsamen Auseinandersetzungen, Schlangen, die teilweise lang waren, vor allem junge Leute, junge Frauen, die dort zur Wahl gegangen sind, konnte man feststellen, dass man friedvoll miteinander umging. Allerdings gab es natürlich auch immer wieder Versuche der alten Regierungsparteien, dann noch einmal Einfluss auszuüben außerhalb der Wahllokale, dass wir feststellen mussten, dass auch ein sogenanntes "assisted voting" stattfand, dass doch in manchen Wahllokalen viele wählten in Begleitung von Leuten, die ihnen sagten, wie sie zu wählen haben.
"Ob das Wahlergebnis am Ende beeinflusst wurde, das können wir noch nicht realistisch beurteilen"
Kaess: Das konnten Sie konkret selber feststellen? Sie konnten wirklich belegen, dass es diese Einschüchterungen, auch die Manipulationsversuche gegeben hat, das konnten Sie selber beobachten?
Brok: Das konnten wir selber beobachten, aber wir wissen nicht, ob das jetzt so eine breit war, dass das alles organisiert war, oder ob das in lokalen Bereichen noch alte Versuche waren aus der Vergangenheit heraus. Deswegen waren auch diese Wahlen am Wahltag selbst ein großer Fortschritt. Aber ob die Betrugsversuche so dominierend waren, dass das Wahlergebnis am Ende beeinflusst hat, das können wir noch nicht realistisch beurteilen.
Das wird untersucht. Es wird untersucht, ob mit anderen Wahlmissionen, diejenigen, die in Simbabwe selbst entstanden sind - die Kirchen haben ja einen ungeheuren Einsatz gezeigt -, oder auch die internationalen von der Afrikanischen Union bis hin zu den Commonwealth-Organisationen und den Amerikanern.
Kaess: Herr Brok, wo waren Sie und die EU-Wahlbeobachter unterwegs, und mit wem konnten Sie sprechen?
Brok: Wir konnten mit jedem sprechen, wir waren in allen Provinzen. Wir sind ja schon seit Anfang Juni hier und hatten am Wahltag 140 Leute hier, die die Wahllokale besucht haben, sodass wir zwischen 700 und 800 Wahllokale selbst besucht haben. Ich war ungefähr in 13 Wahllokalen selbst, um das zu beurteilen. Wir konnten mit den Leitungen der Wahllokale reden, wir konnten mit den Parteienvertretern, die da Zugang hatten, reden, sodass wir selbst keinerlei Behinderungen hatten.
"Simbabwe ist ein Land mit großen Potenzialen. Es ist ein Land mit hoher Ausbildung"
Kaess: Es ist ja jetzt seit langer Zeit erstmals wieder so gewesen, dass internationale Wahlbeobachter im Land waren. Wie sind Sie aufgenommen worden?
Brok: Freundlich. Die Bevölkerung in weiten Bereichen hat uns als Schutz gesehen, als Leute, die ihnen halfen, ihre Meinung auszudrücken, sodass sie sich geschützt fühlten vor den alten Machenschaften des alten Regimes. Das wurde sehr positiv aufgenommen. Wir wurden begrüßt, wenn wir zu Wahllokalen hinkamen, von Leuten, die dort in Schlangen vor den Wahllokalen standen. Man redete freundlich mit uns, viele bedankten sich bei uns, dass wir da sind. Das ist, glaube ich, ein Beitrag zur Entwicklung von Demokratie.
Kaess: Warum ist für die EU, warum sind für die EU die Wahlen in Simbabwe interessant?
Brok: Simbabwe ist ein Land mit großen Potenzialen. Es ist ein Land mit hoher Ausbildung. 85, 86 Prozent der Bevölkerung können lesen und schreiben. Das ist die höchste Quote in ganz Afrika. Das Land hat erreicht … Dieses Land will herauskommen aus dieser Situation, in die sie Mugabe geführt hat, wo es praktisch am Ende eine Diktatur war. Und sie wollen vor allem ihre wirtschaftlichen Probleme auch lösen.
Dieses Land ist so heruntergewirtschaftet, dass es Offenheit nach außen braucht, dass die Sanktionen wegfallen sollen, dass Investitionen hier stattfinden. Und deswegen ist es, glaube ich, wichtig, dass man ihnen hilft, dass sie durch ihre innere Entwicklung dazu kommen können, dass diese Öffnung stattfindet.
Kaess: Sie sagen, da müssen Investitionen stattfinden. Welche Unterstützung wird die EU denn in Zukunft an Simbabwe geben?
Brok: Erst einmal hat die Europäische Union noch Sanktionen gegen Simbabwe wegen der Politik von Mugabe, ihre Menschenrechtsverletzungen, die sollen aufgelöst werden. Die Amerikaner haben auch die Absicht, wenn man diese Wahlen halbwegs vernünftig bewerten kann. Das ist ein wichtiger Punkt, auch wenn es um den internationalen Währungsfonds geht. Dann, wenn hier gesicherte Voraussetzungen gegeben sind, wird es auch private Investitionen geben. Und natürlich wird es im Rahmen der klassischen Entwicklungshilfe eine Rolle spielen.
"Voraussetzungen schaffen, dass diese Öffnung stattfindet"
Kaess: Jetzt haben Sie gesagt, es gibt die Sanktionen gegen Simbabwe, die im Prinzip verhindern, dass da mehr getan werden kann vonseiten der EU. Wann würden die aufgehoben werden, und welche Kriterien müssten da erfüllt werden?
Brok: Es müssen transparente und glaubwürdige Wahlen gewesen sein. Es darf nicht der Eindruck entstanden sein, dass die Regierung nach dem Sturz ihres früheren Chefs Mugabe es nur hat so aussehen lassen, als wären es transparente Wahlen, und das werden wir jetzt sehr intensiv diskutieren. Wir werden unsere vorläufige Stellungnahme am Mittwoch abgeben wie auch die anderen Organisationen, und wir werden eine endgültige Stellungnahme dann Ende August etwa machen, um auf die Art und Weise vielleicht die Voraussetzungen zu schaffen, dass diese Öffnung stattfindet. Deswegen lassen Sie uns hoffen, dass die Dinge, die nicht in Ordnung zu sein scheinen, nicht so stark waren, dass sie diese Definition "transparente Wahlen" verhindert hat.
Kaess: Sagt der CDU-Politiker und Europaparlamentarier Elmar Brok. Er leitet die Delegation der EU-Wahlbeobachter in Simbabwe. Wir haben ihn in Harare erreicht, und die Leitung war deshalb auch etwas wackelig, das bitten wir zu entschuldigen. Herr Brok, vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
Brok: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.