Zwischen drei großen Gruppenszenen spannt Simon Stone seinen Krieg der Geschlechter auf: In der ersten schließen sich Philippa und ihre Tochter Lina Geschlechtsgenossinnen an, die irgendwo im Grünen eine Frauenlandkommune gegründet haben. In der zweiten lamentieren die Männer, alle auf ihre Weise unerträgliche Machos, über die Tatsache, dass sich ihre Frauen auf und davon gemacht haben. In der dritten haben die Männer die Frauen aufgespürt und werden, einer nach dem anderen, auf blutig-komische Art und Weise erledigt.
Ehen scheitern damals wie heute
Was ist hier passiert? Das Scheitern absolut heutiger Ehegeschichten, wie die der Philippa, die mit dem Reproduktionsmediziner Christoph verheiratet war:
"Ich habe Christoph verlassen, weil manches offensichtlich wurde, was ich nicht länger ignorieren konnte. - Das ist jetzt glasklar auf den Punkt gebracht. - Wie war das eben noch mit Sarkasmus? - Ich hab die Scheidung erst später eingereicht, als ich so weit war, dass ich es Lina sagen konnte. Kaum dass ich so weit war, dass ich die Scheidung unter Dach und Fach hatte, hat er Konkurs angemeldet mit der Firma, die er in meinem und seinem Namen geführt hat und ich musste meine Firma verkaufen."
Caroline Peters spielt diese Philippa. Sie kann sich das Scheitern ihres Lebensplanes an der Seite eines Mannes nur mit Mühe eingestehen, den sie einstmals für ein verführerisches Alphatierchen hielt. Sie trifft auch auf dieser Bühne wieder auf Martin Wuttke. An dessen Seite fand sie in Wien, in Simon Stones "Hotel Strindberg", zu darstellerischen Höchstleistungen, die sie für Theater Heute zur Schauspielerin des Jahres machten. Und Martin Wuttke, der in Wien vor neun Monaten unter anderem mit Strindbergs "Der Vater" an der Frage einer zweifelhaften Vaterschaft zugrunde ging, spielt hier den abgewrackten Reproduktionsmediziner, der seinen Samen unzähligen Frauen mit Kinderwunsch verabreicht hatte.
Miese Männertypen
Die beiden, ein wieder einmal herrlich bizarr krächzender Martin Wuttke und Caroline Peters, sind quasi Zeus und Hera in dieser Götterdämmerung, in der ein sexbesessener Polizeibeamter in Unterhosen, ein ehemaliger, sadistisch-perverser Investmentbanker im Rollstuhl, ein abgehalfterter Sex-Shop-Besitzer und weitere miese Typen die Männerwelt verkörpern.
Mit großer dramaturgischer Begabung und noch größerem Mutwillen verknüpft der regieführende Autor die Lebensgeschichten seiner sechs Frauen und seiner sechs Männer. In diversen kleinen Szenen offenbaren sich immer mehr Verwicklungen, die letztlich jeder und jeden in Beziehung bringen.
Schauspielerische Punktlandungen
Das ist vor allem schauspielerisch so punktgenau getroffen, dass man den immer wieder auch auf Komik abzielenden Situationen gerne zuschaut. Nicht zuletzt auch der Versammlung männlicher Jammergestalten, nach dem Verlust ihrer Frauen:
"Was macht ihr eigentlich hier? - Wir sind hier, weil Dr. Heineman uns gerufen hat. - Der hat eine Botschaft. - Herr Dr. Heinemann hat seine Frau verloren. - Das tut mir aber jetzt leid. -Alle anderen haben auch ihre Frau'n verloren. - Der Zwerg nicht."
Mit unterschiedlichen Lichtfärbungen sind die Szenen abgesetzt, die allesamt auf einer leeren, dunstverhangenen Bühne hinter einer großen Glasfläche spielen. Wunderschöne Bilder entstehen, wenn Figuren im Nebel wie aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden. Aber bei aller Freude über die schöne Ästhetik der Aufführung fragt sich der Zuschauer mit wachsender Ungeduld, was die zeitgenössische Redseligkeit mit Euripides "Troerinnen" und den "Bakchen" zu tun haben könnte. Die sollten doch zusammen mit der Komödie "Lysistrata" des Aristophanes als Motivgeber für die dreieinhalbstündige Trilogie fungieren.
Reduktion auf Ehebett-Boykott
Dieses Mal ist keine der "Überschreibungen" zu sehen, mit denen Simon Stone bekannt wurde. Hier sind allenfalls einzelne Motive erkennbar, allen voran natürlich der Auszug der Frauen aus den Ehebetten und damit der sexuellen Verfügbarkeit, wie sie Aristophanes erzählte. Aber dafür gab es dereinst dringendste politische Gründe: Die Männer sollten mit dem Peloponnesischen Krieg aufhören. Der Horror des Trojanischen Krieges und der Schrecken der kommenden Verschleppung quälen die Seelen der Troerinnen bei Euripides. Der schrieb das Stück als Warnung vor einem militärischen Abenteuer, das für Athen auch tatsächlich zum Desaster werden sollte: die Sizilienexpedition. Theater also als Manifest gegen den Krieg. Solche historischen Tiefenschichten fehlen Simon Stones neuer Arbeit völlig.
Splatter ist zu wenig
Allenfalls das Ende will mit seinem blutigen Serienmord an den sechs Männern anschließen an die dionysische Entgrenzungserfahrungen der "Bakchen". Aber hier mordet die kalte Vernunft und nicht die berauschte Raserei. Stone hat dem Stoff den Mythos ausgetrieben und erzählt den Krieg der Geschlechter nur noch als Sammlung privater Schandtaten. Und den Mord als groteske Splatterparodie. Brillantes Schauspielertheater, in dem zu wenig auf dem Spiel steht.