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Simulator für Starkböen

Technik. - In Deutschland stehen rund 23.000 Windkraftanlagen. Sie decken mehr als acht Prozent unseres Strombedarfs. Es könnte noch mehr sein, wenn manches Windrad nicht allzu schnell kaputt ginge. Dass Anlagen ausfallen, liegt unter anderem an starken Windböen. Sie nämlich belasten die Rotoren ganz besonders. Ein Windkanal soll nun helfen, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Von Frank Grotelüschen |
    Universität Oldenburg, Institut für Physik. Nico Reinke steht neben seinem Windkanal. Es ist ein spezielles Exemplar, denn vor das Gebläse hat Reinke ein Zusatzelement montiert, das aktive Gitter: Es besteht aus 126 Klappen, quadratisch wie Badezimmerkacheln. Jede von ihnen kann sich unabhängig von den anderen öffnen und schließen.

    "Wir haben ein großes Gebläse, einen Riesen-Ventilator. Der pumpt die Luft durch unseren Kanal. Die Klappen drehen sich in die Strömung rein. Gleichzeitig geben sie der Luft einen Schlag mit. Dadurch entsteht ein spezifisches Strömungsfeld hinter dem Gitter. Und das macht diesen Windkanal so besonders."

    Mit dem aktiven Gitter lassen sich – wenn auch nur im Miniformat – heftige Windböen erzeugen. Mit deren Hilfe können die Forscher präzise simulieren, wie sich starke Böen auf Windräder auswirken.

    "Die sind gefährlich und können die Anlage besonders schnell altern lassen. Die Materialien sind nicht für die Unendlichkeit gemacht, sondern werden ausgelegt für 20 Jahre. Und diese starken Stöße der Luft lassen die Anlage besonders stark altern. Und um das besser verstehen zu können, machen wir unsere Experimente."

    Reinke setzt ein Windrad-Modell in den Kanal. 50 Zentimeter groß, Maßstab 1:100. Nun tippt er ein paar Befehle in den Steuer-PC.

    "Jetzt müssen wir einen Augenblick warten, bis die Motoren ihr Signal bekommen. Aber es fängt schon an!"

    Jetzt schaltet Reinke den Ventilator dazu, Windgeschwindigkeit 40 Stundenkilometer. Die Klappen öffnen und schließen sich im Takt. Dadurch verwirbeln sie die Luft und erzeugen kräftige Böen. Reinke:

    "Was man jetzt erkennen kann, ist, dass die Windkraftanlage sich in Rotation gesetzt hat, und wie der Turm ins Schwingen gerät durch die Böen, die wir auf die Anlage geben."

    Zuerst dreht sich das kleine Windrad eher langsam. Doch dann rotiert es plötzlich doppelt so schnell, getroffen von einer heftigen Böe. Lange hat die Windenergie-Branche starke Böen unterschätzt, sagt Reinkes Chef Joachim Peinke.

    "Momentan haben wir Kosten an der Windenergie 20 bis 30 Prozent, die durch Ausfälle stattfinden. Ein Großteil der Ausfälle sind unvorhersehbare – man weiß nicht genau, warum. Da ist meine These, dass da ein guter Teil durch nicht erkannte Windverhältnisse sind."

    Derzeit analysieren die Experten die Daten aus dem Windkanal und aus der Natur. Heraus kommt zum Beispiel eine Angabe, wie häufig an einem geplanten Windpark-Standort mit heftigen Böen zu rechnen ist. Die Hersteller können dann ihre Anlagen passend auslegen: Wo viele Böen zu erwarten sind, sollten die Windräder besonders stabil gebaut werden. Und für die Zukunft tüfteln die Forscher an einer Technik, die ausgesprochen böenbeständig sein soll.

    "Wir haben das Projekt, intelligente Rotorblätter herzustellen, die genau auf solche Böenhaftigkeit reagieren können und diese Kräfte nicht mehr in die Maschine reinleiten, sondern wirklich abfedern."

    Das Prinzip dieser intelligenten Rotorblätter: Sobald eine Böe ansetzt, sollen sie sich blitzschnell aus dem Wind drehen und damit dem Windstoß seine Wirkung nehmen. Erste Prototypen wollen die Experten schon bald in ihrem Oldenburger Windkanal testen.

    Hinweis: Am kommenden Sonntag, 18. August, 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Extrem gewagt zum Thema.