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Simulierter Vogelschlag

Luftfahrt.- Vogelschwärme stellen für Flugzeuge eine große Gefahr dar. Um zu überprüfen, ob die Triebwerke einen sogenannten Vogelschlag überstehen würden, schießen Stuttgarter Forscher nun scharf auf Flugzeugteile.

Von Ralf Krauter |
    Moderne Passagierflugzeuge können auch dann noch sicher landen, wenn nur noch eines ihrer Triebwerke funktioniert. Akute Gefahr bedeutet ein Ausfall deshalb nur beim Start, wenn die volle Kraft aller Motoren gebraucht wird. Weil der gefürchtete Vogelschlag aber just in dieser Flugphase am häufigsten vorkommt, müssen Triebwerke auch dann noch Schub liefern, wenn ihnen eine kiloschwere Gans oder Flugente in die Quere gekommen ist. Bei typischen Startgeschwindigkeiten von 400 oder 500 Kilometern pro Stunde eine knifflige Aufgabe, erklärt Stefan Ritt vom Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR in Stuttgart.

    "Stellen sie sich diese Geschwindigkeit mit einem zwei oder vier Pfund schweren Vogel vor. Das sind so typische Massen, die für den Vogelschlag genommen werden, dann sind das schon enorme Kräfte, die daraus resultieren. Es sind mehrere Tonnen Gewicht, die da kurzzeitig wirken."

    Um nachzuweisen, dass Triebwerke das aushalten, müssen Hersteller vor der Zulassung tote Vögel in laufende Turbinen schießen. Weil das aufwendig und ethisch bedenklich ist, spielen Computersimulationen solcher Aufprallszenarien eine wachsende Rolle. Um sie zu verfeinern, macht Stefan Ritt Experimente mit sogenannten Kunstvögeln: Das sind Projektile vom Format einer dicken Schinkenwurst, deren Masse und Konsistenz einem großen Vogel ähnelt.

    "Das ist eine sehr gebräuchliche aber nicht standardisierte Form: Ein Zylinder mit zwei kugelförmigen Endkappen. Und mit dieser Form erreicht man einen Kunstvogel von knapp zwei Kilo. Und das ist eine sehr gebräuchliche Größe in der Luftfahrt, um einen Vogelschlagtest zu machen."

    Für die Aufprallversuche muss der Gummiadler auf einige hundert Kilometer pro Stunde beschleunigt werden. Beim DLR Stuttgart verwendet man dazu eine riesige Gaskanone im Keller des Instituts.

    Der Lauf der Schussvorrichtung hat den Durchmesser eines Torpedorohres und ist rund zehn Meter lang.

    "Wir haben den Beginn des Laufs, den Einlass hier. Da stecken wir so eine große Dose rein, unseren Projektilträger. Da kann man ein Stein reinstecken, da kann man auch ein Eis- oder Hagelkorn reinstecken, da kann man auch einen Kunstvogel hineinstecken. Das geben wir hier vorne in die Gaskanone hinein, verschließen das Ganze, und dann wird schlagartig das unter Druck stehende Gas in den Lauf hinein gegeben und treibt dann diese Dose mit dem Projektil voran."

    Ein 1,8 Kilogramm schwerer Kunstvogel lässt sich so auf über 650 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Die Mündung des Kanonenrohrs befindet sich im Nachbarraum. Eine spezielle Vorrichtung stoppt den Projektilträger, das Geschoss fliegt alleine weiter und kracht auf die zu untersuchenden Bauteile.

    "So, hier ist das Gegenstück. Das ist also unsere Beschusskammer. Hier sehen sie im Prinzip das Ende des Laufs, an dem dann der Projektilträger gestoppt wird, die Geschwindigkeit des Projektils gemessen wird. Und dann die Vorrichtung, in der unsere Struktur getestet wird. Das Ganze müssen wir natürlich unter Schutzbedingungen machen, weil wir mit den hohen Geschwindigkeiten keine Verletzungen erzeugen wollen."

    Ein robuster Stahlkäfig verhindert, dass Splitter nach außen dringen. Im Zentrum werden die zu bombardierenden Flugzeugzeile montiert, Hochgeschwindigkeitskameras, die 5000 Bilder pro Sekunde schießen, machen sichtbar, wie sie sich nach dem Aufprall verformen. Auf einem der Videos ist ein Modell jener fächerförmigen Gebläseschaufeln zu erkennen, die man sieht, wenn man von vorn in ein Triebwerk schaut.

    "Das ist jetzt hier ein Verbund aus Titan und Carbon, einfach mal als rechtwinkliges Bauteil zusammengefügt. Das ist eingespannt, so ähnlich wie ein Turbinenblatt – und sieht dann einen Aufprall, der zu einer heftigen Schwingung in dem gesamten Bauteil führt. Das kann letztlich zum Schadensinitiierung, also zum Beginn eines wirklichen Risses führen, der dann nachfolgend zum kompletten Abreißen, mit dann nachfolgender Schädigung der Gesamtturbine oder ähnlichem führen kann."

    Nach dem Aufprall zittert das eigentlich starre Bauteil Sekundenbruchteile lang wie ein Grashalm im Wind. Versuche wie dieser sollen helfen, die Vogelschlag-Resistenz von Triebwerksteilen aus neuartigen Leichtbauwerkstoffen präziser zu berechnen. Irgendwann einmal könnten sie vielleicht sogar die Beschuss-Experimente mit echten Vögeln überflüssig machen.