Die stürmische Leidenschaft eines jung Verliebten kannte Robert Schumann gut: Jahre lang hatte er sich mit Clara Wieck, der Tochter seines einstigen Klavierlehrers, nur heimlich treffen können, weil dieser gegen die Verbindung war. Letztlich erreichte Schumann 1840 gerichtlich die Heirat; in diesem Jahr entstanden auch viele seiner Lieder, wie beispielsweise der "Liederkreis" op. 24 nach Gedichten von Heinrich Heine. Allerdings erzählen die insgesamt neun vertonten Texte nicht nur von Liebesfreud, sondern auch von Liebesleid: Denn die Auserwählte weist den Verliebten ab, worauf der sich auf Wanderschaft begeben will, um seinen Schmerz darüber zu vergessen.
Begeisterung für Heine
Bereits als Jugendlicher war Schumann von der Dichtkunst Heines fasziniert, den er im Zuge einer Bildungsreise nach seinen Schulabschluss persönlich kennenlernte. Vor allem die schwärmerischen, manchmal auch zynisch bitteren Texte zum Thema Liebe im 1827 erschienenen "Buch der Lieder" hatten es Schumann angetan. Im sogenannten Liederjahr 1840 entstand der überwiegende Teil seiner Gesänge nach Heine-Texten; lediglich dessen dreiteilige "Tragödie" vertonte Schumann ein Jahr später und reihte sie in seine "Lieder und Balladen" op. 64 ein. Die hierin geschilderten unglücklichen Liebschaften gestaltet Andrè Schuen facettenreich mal mit kraftvoll ungestümen Drängen, mal mit fahl mattem Ton aus.
Produktive Künstlergemeinschaft
Seit ihrem ersten Liederabend 2008 arbeiten Andrè Schuen und Daniel Heide regelmäßig zusammen - was manchmal nicht ganz einfach ist: Denn der Pianist lebt in Weimar, während der in Südtirol geborene Bariton derzeit in Österreich wirkt. Schuen studierte in Salzburg die Fächer Oper, Lied und Oratorium und nahm an mehreren Meisterkursen bedeutender Liedinterpreten wie beispielsweise Dietrich Fischer-Dieskau teil. Heide spezialisierte sich während seines Studiums an der Weimarer Musikhochschule Franz Liszt auf das kammermusikalische Musizieren und ist heute ein gefragter Klavierbegleiter für Sänger und Instrumentalisten. Mittlerweile haben der Sänger und der Pianist ein ansehnliches Repertoire erarbeitet, das unterschiedliche Musikepochen umfasst.
Zwischen Midlife-Crisis und Lebensende
Zwischen 1943 und 1944 komponierte Frank Martin in der Schweiz die sechs Monologe aus Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel "Jedermann". Der Protagonist ist ein Mensch in den besten Jahren, saturiert und auf dem besten Weg in die Midlife-Crisis, als er dem Tod begegnet und danach einen inneren Wandel vollzieht. "Jedermann" steht für die Mitte des Lebens; der Harfner aus Johann Wolfgang von Goethes Roman "Wilhelm Meister" dagegen hat den Lebensabend schon längst erreicht. Seine Gesänge sind voller Wehmut, Einsamkeit und Depression. Sie begeisterten ähnlich wie die sehnsuchtsvollen Lieder der Mignon viele Komponisten der Klassik und frühen Romantik wie Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Robert Schumann oder Fanny Mendelssohn. Auch Hugo Wolf griff auf Goethes "Wilhelm Meister" zurück und vertonte um 1888 die Gesänge des Harfners.
Interpretationen mit Tiefgang
War Wolf ansonsten bei der Textauswahl eher darauf bedacht, nicht in Konkurrenz zu schon existierenden Liedkompositionen zu treten, so wollte er mit den "Harfner-Liedern" bewusst neue Fassungen schreiben: Seiner Meinung nach wurden die prominenten Kollegen vor ihm der dramatischen Vorlage nicht gerecht. Auch hier präsentiert Andrè Schuen, kongenial unterstützt von Daniel Heide, die ganze interpretatorische Palette seines ausdrucksstarken nuancenreichen Baritons. Man darf durchaus gespannt sein, wen und was die die beiden für ihre nächste CD-Produktion auswählen werden.
"Lieder von Robert Schumann, Hugo Wolf und Frank Martin", Andrè Schuen (Bariton) und Daniel Heide (Klavier), AvI