"Ich wollte meiner Freundin ein Album geben, das extrem rund ist, damit sie besser versteht, wie ich unsere Beziehung und die Welt um diese Beziehung herum wahrnehme. Ich wollte sie zum Lachen und Weinen bringen", sagt Alex Cameron über sein Album "Miami Memory" in einem seltsam gelangweilt-ernsten Tonfall.
Es ist der gleiche Tonfall, der auch das Album bestimmt. Da denkt ein Mann über Sex und allerlei Untergänge nach: den Untergang der Welt - und für viele vielleicht noch schlimmer: den Untergang des Patriarchats.
Doch dieser Mann, der wohl Alex Cameron ist, wirkt auch sehr gelangweilt von den kulturellen Diskursen der Gegenwart. Zwar thematisiert Cameron auf "Miami Memory" feministische Anliegen, doch bevor das Patriarchat fällt, singt er erstmal extrem explizit und machohaft über seine Sexpraktiken.
Ein Mann geilt sich auf am Orgasmus seiner Freundin, der scheinbar nur dann gut ist, wenn sie ordentlich bebt, und singt darüber in einem pathetischen Popsong. So könnte man das lesen. Man könnte aber auch sagen: Ein Mann singt ungezwungen über seine sexuelle Lust.
"Es war ein richtiger Flow, über die süßen Erinnerungen mit meiner Freundin zu schreiben. Es war sehr einfach, über Sex zu schreiben, denn Sex ist eine Flucht, es ist eine schöne und simple Sache, die uns daran erinnert, dass wir lebendig und gesund sind."
Er entscheidet über Sex-Details
Völlig unpassend daran ist Camerons manchmal sehr machohafte Haltung. Er entscheidet, welche Sex-Details an die Öffentlichkeit gelangen. Nicht seine Freundin, die Schauspielerin Jemima Kirke, bekannt aus der Serie "Girls".
Das ist nicht sehr feministisch. Und ein krasser Gegensatz zum Rest des Albums, das sich eigentlich feministisch gibt. Denn Cameron spricht sich aus für eine Legalisierung von Sexarbeit, verurteilt psychischen Missbrauch von Männern an Frauen und singt in "Bad For The Boys", mit Bläsern untermalt, vom Ende der männlichen Vorherrschaft.
In einem Kurzfilm, den seine Freundin Jemima Kirke gemeinsam mit ihm gedreht hat, zeigen die beiden einen exzentrischen Filmregisseur bei der Arbeit und kritisieren die frauenfeindlichen Bedingungen an Filmsets.
"So schlecht es auch manchen Männern am Set oder in kreativen Berufen ergeht: Wenn wir es mit einem Idioten zu tun haben, sagen wir einfach, wir arbeiten mit dem nicht mehr zusammen. Wir sind von gewalttätigem Verhalten aber nicht wirklich betroffen."
Coole Lässigkeit nervt irgendwann
Cameron sagt, ihm sei sein männliches Privileg erst mit der #MeToo-Bewegung so richtig bewusst geworden:
"Ich habe gelernt, anders über die Dinge zu sprechen. Zu sehen und anzuerkennen, dass diese Frauen ihre Leben aufs Spiel setzen, um andere Frauen zu retten, das fand ich sehr beeindruckend und sehr lehrreich."
Immerhin ist Alex Cameron einer der wenigen Cis-Musiker, der Feminismus in seinen Songs thematisiert. Leider schafft er das auf "Miami Memory" noch nicht ohne ironischen Unterton.
Der kitschige Sound der Songs und die manchmal eher oberflächlichen Lyrics karikieren ein bisschen sein eigentlich gutes Anliegen, feministische Ideen zu unterstützen. Das Keyboard dudelt immer sehr nett im Hintergrund, das Schlagzeug spielt gemächlich im mittleren Tempo. Irgendwann nervt Camerons vermeintlich coole Lässigkeit.
"Miami Memory" ist kein richtig gutes und auch kein richtig schlechtes Album. Es ist, abgesehen von den feministischen Ansätzen, absolut durchschnittlich. Indie-Pop mit mittelmäßigem Gesang und netten Melodien. Der musikalische Liebesbrief, den Alex Cameron hier geschrieben haben will, erzeugt beim Hören keine romantischen Gefühle.
Alex Cameron ist im Oktober auf Tour in Deutschland:
14.10. München, 16.10. Berlin, 22.10. Hamburg, 23.10. Köln
14.10. München, 16.10. Berlin, 22.10. Hamburg, 23.10. Köln