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Singer-Songwriter Norbert Schneider
"In Österreich ist Georg Danzer unantastbar"

Heute wäre der verstorbene österreichische Liedermacher Georg Danzer 70 Jahre alt geworden. Der zweifache Amadeus-Award-Gewinner Norbert Schneider ehrt ihn mit seinem neuen Album "Neuaufnahme". Darauf finden sich bekannte, aber auch bisher unveröffentlichte Danzer-Songs. "Seine Lieder über den Tod treffen mich wahnsinnig", sagte Schneider im DLF.

Norbert Schneider im Corso-Gespräch mit Kerstin Janse |
    Corso-Gespräch mit Norbert Schneider über seine Hommage an Liedermacher Georg Danzer
    Kerstin Janse: Norbert Schneider, in Deutschland sind Sie immer noch ein Geheimtipp - und das obwohl sie schon 20 Jahre als Musiker tätig sind und unter anderem mit dem englischen Titel "This is it" durchaus mehr als einen Achtungserfolg hatten. Nun singen Sie seit einigen Jahren in ihrer Muttersprache, Wienerisch – warum, und was hat es verändert?
    Norbert Schneider: Ja, mit dem Wechsel zur österreichischen Musik hat sich für mich schon gravierend was geändert, in Österreich zumindest, also in der Wahrnehmung. Es sind viel mehr Fans dazugekommen. Leute, die jetzt nicht nur stark musikaffin oder jazzaffin sind, sondern Leute, die einfach im Text halt einfach hören und deshalb zu den Konzerten kommen, und das ist schon eine tolle Erfahrung.
    Janse: Gab es einen Anlass zu switchen? Also ins Wienerische? Das Englische war ja durchaus auch erfolgreich. "Take it Easy" war ein Gassenhauer in Österreich und auch in einigen europäischen Ländern hat die Nummer sehr gut funktioniert. Gab es da so einen Aha-Moment?
    Schneider: Es hat eigentlich künstlerische Gründe. Also ich glaube, ich spreche ganz gut Englisch, aber so wie man sich in der eigenen Sprache ausdrücken kann, das ist dann doch nochmal ganz was anderes und man kann halt die Sachen, die du so zwischen den Zeilen platzieren kannst, das hat doch noch eine andere Qualität irgendwie, finde ich.
    Janse: Gerade das Wienerische kann ja sehr bös' sein.
    Schneider: Kann sehr bös' sein, man kann halt sehr bösartige Sachen doch charmant irgendwie formulieren, das ist so das Spaßige an dem Wienerischen.
    Janse: Der Schmäh deckt die Bosheiten über?
    Schneider: Ja. Ja schon.
    "Das Morbide nett verkaufen"
    Janse: Und macht Ihnen das Spaß, weil das Ihr Charakterzug auch ist? Bös' sein mit einem Lachen im Gesicht?
    Schneider: Das sagt man uns Wienern ja immer nach, und es stimmt schon ein bissel. Ja dieses etwas Morbide trotzdem aber irgendwie nett zu verkaufen, das ist schon eine spezielle Eigenart der Wiener.
    Janse: Haben Sie eine Erklärung, woran das liegt?
    Schneider: Ich weiß nicht, also es hat lange Tradition. Es ist so: "Wien ist ja wunderschön, wenn nur die Wiener nicht wären." Das ist ein typischer Wiener Ausdruck. Ich weiß nicht woher das kommt, also es ist in Österreich, speziell im Osten, vielleicht nicht nur Wien, aber Niederösterreich, Burgenland, das ist so ein Menschenschlag. Je weiter man in den Westen kommt, ist es ein bisschen sonniger das Gemüt, aber um Wien herum ist einfach ein bissel grau gefärbt.
    Janse: Sie haben schon zweimal den Amadeus-Award gewonnen, das ist ja so der österreichische Grammy. Da fragt man sich: Wie beschleunigt das eine Karriere? Oder ist es einfach nur eine Bestätigung, weiter zu machen?
    Schneider: Es ist in erster Linie auf jeden Fall eine schöne Bestätigung. Man freut sich über jeden Preis, den man gewinnt, obwohl ich noch nie Geld dafür bekommen hab'. Das wär' mal nett. Na, vielleicht ist es a bissel leichter, zu Konzerten zu kommen, weil das jetzt quasi auf meinem Schädel in leuchtender Schrift steht: Amadeus Gewinner - und auch im Ausland kommt es ganz gut an. Also schaden tut es der Karriere auf keinen Fall.
    Janse: Kann das der Karriere schaden, bei diesem Spagat den Sie schon gemacht haben, musikalisch? Ich sag jetzt mal zwei Hausnummern: Sie haben mit Roland Kaiser auf der Bühne gestanden, aber auch mit B.B. King. Wie verträgt sich das?
    Schneider: Also, das ist schon sehr speziell, das geb' ich zu. Aber genau das macht den wahnsinnigen Reiz für mich aus. Die Leute können mich gar nicht mehr einteilen. Also da kommt alles, von: "Der ist ein Jazz-Musiker" bis "der ist ein Schlager-Musiker", "der ist ein Pop-Musiker", "ein Austropop Musiker" und alles dazwischen, "ein Blues-Musiker". Aber genau das macht irgendwie auch den Reiz so aus. Jetzt bei den Konzerten ist das Publikum komplett durchgemischt, also von Kindern bis zum Greis ist da alles dort und genau das macht auch irgendwie Spaß.
    Entertainment auf der Bühne gehört dazu
    Janse: Was auch so ein Spagat ist, ist die Art und Weise, wie Sie sich äußerlich präsentieren, also von der Kleidung her. Heute sehr lässig mit Jeans und T-Shirt aber auf der Bühne gerne im Outfit Anzug 40er-Jahre-Style. Ist das die Philosophie, wo sie sich fortsetzt, so breit wie möglich aufgestellt zu sein oder ist einfach Norbert Schneider so?
    Schneider: Da steckt kein Konzept dahinter, also das hat eigentlich einen musikalischen Background. Weil: Ich komme wirklich von der traditionellen Blues- und Jazz-Musik. Also meine großen Heroes sind so in den 40er Jahren richtig populär gewesen, von Nat King Cole bis Muddy Waters, die ganze Jazz- und Blues-Geschichte. Und meine Idole san einfach immer in solchen Anzügen gesteckt und das hat sich dann irgendwie manifestiert, dieses Bild im Kopf. Es ist ja auch nett, auf der Bühne nicht so wie der nette Typ von nebenan auszusehen, sondern sich a bissel stylisch zu präsentieren. Das macht doch irgendwie Spaß und sowas will man doch auch sehen auf einer Bühne.
    Janse: Also Entertainment gehört dazu?
    Schneider: Ja, auf jeden Fall.
    "Nur nachzuspielen, das ist sinnlos"
    Janse: Und dann haben Sie sich dennoch jemandem genähert wie Georg Danzer? Das ist nämlich das Thema auf dem Album Neuaufnahme. Das Thema kann man gar nicht sagen, sondern es sind nämlich Coverversionen von Songs, die Danzer geschrieben hat, nicht alle davon waren schon veröffentlicht. Wie haben Sie sich dem Liedermacher Danzer genähert? Der hat auch mit Schlager angefangen, war dann Liedermacher, war durchaus auch umstritten in seinen Aussagen und seinem Habitus. Sie waren Mitte 20, als er starb. Wie nähert man sich dem Werk eines Georg Danzers?
    Schneider: Das Ganze kam eigentlich so zustande, dass der beste Freund vom Georg Danzer und jetzt auch Nachlassverwalter auf mich zugekommen ist und mich gefragt hat, ob ich nicht ein Danzer Album quasi aufnehmen will. Der hat einen Künstler gesucht, der Danzers Werk halt einfach neu interpretiert, nicht klassische Coverversionen bringt - das wär' auch für mich nicht interessant gewesen - sondern einfach die Stücke von Danzer quasi im eigenen musikalischen Kosmos präsentiert. Und ich war zu Beginn eigentlich skeptisch dem ganzen Projekt gegenüber, weil in Österreich ist der Danzer irgendwie so unantastbar. Auch, dass er so früh gestorben ist. Und er war wirklich einer der besten Liedermacher, die wir jemals gehabt haben. Gewisse Songs sind so ins Allgemeingut übergegangen, wie "Jö schau", das ist wie ein Volkslied mehr oder weniger. Und wenn du sowas machst, das birgt auch gewisse Gefahren in sich natürlich. Und deshalb wusste ich nicht wie sich das verträgt mit meiner musikalischen Auffassung, denn einfach die Songs nachzuspielen, da kannst du nur untergehen, das ist sinnlos.
    Nachlass aus allen Schaffensphasen
    Janse: Ich glaube an die 400 Werke von Danzer sind ungefähr gelistet. Da dann sich zu konzentrieren auf ein Extrakt, dass man zwölf nur findet, ist schon schwer oder?
    Schneider: Das hat Monate gedauert, mich damit durchzuhören. Wie gesagt, ich komme aus der Blues- und Jazz-Ecke, ich kannte natürlich Danzers große Hits, aber die jetzt nicht so bekannten waren mir nicht so geläufig. Ich glaube es hat drei bis vier Monate gedauert, bis ich mich da durchgehört hab'. Da waren allein 100 unveröffentlichte Songs dabei, die mir der Blacky Schwarz, eben sein Nachlassverwalter, dann mitgegeben hat.
    Janse: Auf Kassette? Oder wie waren die?
    Schneider: Auf USB-Stick. Quatsch, haha.
    Janse: Nein, aber Danzer hatte dann tatsächlich noch 100 Songs, die er selber dann noch eingesungen hat und die noch nicht veröffentlicht wurden?
    Schneider: Aus allen Schaffensphasen. Da waren ganz frühe Sachen aus 1971 dabei bis ein paar Wochen vor seinem Tod, wo du hörst, die Stimme ist schon sehr brüchig, ich hab' Ganslhaut. Wie sagt man in Deutschland, nicht Ganslhaut?
    Janse: Gänsehaut.
    Schneider: Gänsehaut, ja, wenn ich da dran denke. Es war eine große Ehre für mich, dass er mir auch so vertraut hat und mir die Sachen auch mitgegeben hat einfach.
    "Ein sehr spezieller Charakter"
    Janse: In der Beschäftigung mit Danzer, ist Ihnen da auch durchaus sicherlich die Aussage begegnet, dass manche sagen: Er war ein sehr spezieller, oder schwieriger Charakter?
    Schneider: Ja, das ist schon oft gefallen, ja. Das war ein sehr differenzierter Mensch. Also alleine, wenn man sich sein Werk anschaut, das san so unterschiedliche Genres und unterschiedliche Themen auch. Der besingt am Anfang ganz leichtfüßige Songs mit Augenzwinkern bis zu wirklich tiefgründigen, ganz schweren Songs: Über den Tod hat er sehr viel geschrieben, politisch extrem korrekt, in meiner Auffassung. Einfach ein tolles Spektrum, das er abgedeckt hat. Und ich habe jetzt vorgestern mit dem Rainhard Fendrich lang über den Danzer gesprochen, die sich ja gut kannten. Muss ein ungeheuer intelligenter Mensch gewesen sein mit einer wahnsinnigen Bildung und Allgemeinwissen, das den Fendrich immer wieder überrascht und überzeugt hat. Also es war schon ein sehr spezieller Charakter, auf jeden Fall.
    Janse: Haben Sie Parallelen erkannt? Nicht nur in Ihrer musikalischen Schaffensweise? Gibt es Züge an Danzer, wo Sie sagen, ja, das ist auch ein Zug von Norbert Schneider?
    Schneider: Speziell seine ganz persönlichen Werke, auch die Lieder über den Tod, das trifft mich wahnsinnig. Also da trifft er einen Punkt in mir, spricht mich extrem an. Und deshalb hab' ich jetzt auch einige dieser Songs jetzt ausgewählt für mich, weil es ist auch immer schwierig: Was wählst du dann aus? Erstens einmal, was gefällt dir? Und zweitens dann, was traust du dir selbst zu? Wo kannst du deinen Beitrag dazu leisten, was Neues reinzubringen?
    Janse: Die philosophischen Aussagen oder die Liebesaussagen sind natürlich auch zeitlich nicht begrenzt. Politisch, muss man fast sagen, hat sich wahrscheinlich vieles überholt, oder?
    Schneider: Leider auch oft gar nicht so viel.
    Janse: Zum Beispiel?
    Schneider: Naja. Da gibt es einen Song: "Der alte Wessely" zum Beispiel, der ist jetzt nicht am Album. Also prinzipiell, von seinen politischen Werken fallen mir die oder, das ist halt ein Charakterzug von mir oder meine Spezialität, so politischen Sachen auch an meinen Stücken, die ich selbst schreib: Ich hab das lieber, wenn das nicht brachial dir aufs Auge gedrückt wird, sondern du a bissel zwischen den Zeilen lesen musst und irgendwie und auf andere Bahnen quasi gebracht wirst und a bissel ums Eck denken musst und du dann die Message richtig mitbekommst.
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