Bettina Klein: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fällt heute ein, möglicherweise für viele unverheiratete Väter bedeutsames Urteil. Die Straßburger Richter haben über die Klage eines 45 Jahre alten Deutschen zu entscheiden. Er kämpft seit Jahren vergeblich um das Sorgerecht für seine heute 14-jährige Tochter.
Am Telefon begrüße ich Isabell Götz. Sie ist Richterin am Oberlandesgericht München und zugleich stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages. Guten Morgen, Frau Götz.
Isabell Götz: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Das Bundesverfassungsgericht - das haben wir gerade gehört im Beitrag - hatte zwar Zweifel signalisiert 2003, aber die gesetzliche Regelung ja dann doch noch einmal bestätigt. Was spricht oder sprach denn aus Sicht der Gerichte bisher dafür, das Sorgerecht unverheirateter Väter in dieser Weise einzuschränken?
Götz: Das war die Tatsache, dass die familiären Verhältnisse, in die Kinder nicht-verheirateter Eltern hineingeboren werden, ganz unterschiedlich sind. Da gibt es natürlich die längerfristigen nicht-ehelichen Partnerschaften: Man entscheidet sich gemeinsam für ein Kind, man trägt gemeinsam Verantwortung für das Kind, wie jetzt auch in dem Fall, der gerade geschildert wurde.
Aber es gibt natürlich auch nicht-eheliche Kinder, die aus ganz flüchtigen Beziehungen hervorstammen, die nur ganz kurz waren, dafür aber fruchtbar, wo dann die Väter sich möglicherweise nicht so kümmern, oder häufig nicht so kümmern, weil sie eben diese Beziehung zu dem Kind gar nicht haben.
Klein: Wenn als Argument jene Väter herangezogen werden, die nur eine ganz kurze Beziehung zur Mutter hatten, aus der das Kind entstammt, was spricht denn dann aber dagegen, jenen Vätern grundsätzlich zumindest Mitsprache einzuräumen?
Götz: Praktische Gründe. Natürlich könnte man auch diesen Vätern grundsätzlich das Mitspracherecht einräumen, aber wenn ein Vater dann kein Interesse am Kind hat, dann müsste die Mutter wegen jeder zu treffenden Entscheidung hinter diesem Vater herlaufen, möglicherweise sogar ein gerichtliches Verfahren anleiern.
Das Kind braucht aber stabile Verhältnisse, jemand, der sicher und zuverlässig entscheiden kann, und das war das Hauptargument, dass man gesagt hat, eben gerade bei so flüchtigen Beziehungen ist es, ich will jetzt nicht sagen, in der Regel so, aber häufig so, dass eben kein solches Interesse am Kind besteht.
Klein: Ist es bei so unterschiedlichen Fällen, die wir da haben, überhaupt möglich, eine gerechte Unterscheidung zu treffen?
Götz: Die Frage stellt sich natürlich und die wird sich unter Umständen dem Gesetzgeber stellen, je nachdem wie das Verfahren heute ausgeht. Es gibt zwei Varianten, wie man es lösen könnte. Das eine ist, die nicht-ehelichen Väter bekommen grundsätzlich die Mitsorge, so wie es auch bei Eheleuten ist, und die Mutter müsste dann im Einzelfall, wenn diese Mitsorge nicht praktikabel ist, die Alleinsorge auf sich übertragen lassen. Die andere Variante wäre, es bei der derzeitigen Regelung zu belassen und den Vätern es nur erleichtert zu ermöglichen, an die Mitsorge heranzukommen.
Klein: In welchem Umfang spielen diese Fälle eine Rolle für die Familiengerichte? Sind das eher Ausnahmen, über die wir hier sprechen, oder wie viele Väter sind davon etwa betroffen?
Götz: Ich habe gerade die Zahl ja gehört in dem Vorbericht. Ich selbst habe in der Praxis überhaupt keinen solchen Fall gehabt. Ich glaube nicht, dass es vor Gericht so viele Fälle gibt, einfach weil unsere derzeitige Regelung recht eindeutig ist. Im Moment kann ein nicht-ehelicher Vater an das Sorgerecht letztlich gegen den Willen der Mutter nur herankommen, wenn die Mutter das Kindeswohl gefährdet, und die Schwelle ist natürlich recht hoch.
Klein: Nun wird als Argument eingewendet, das viel größere Problem sei, dass unverheiratete Väter nur allzu oft keinen Unterhalt zahlen, sondern dazu erst mal per Gericht verpflichtet werden müssen, und es sei wichtiger, erst mal dieses Problem zu lösen. Stimmt das aus Ihrer Sicht?
Götz: Viele Väter müssen auf Zahlung von Unterhalt für ihre Kinder vor Gericht verurteilt werden, weil sie es freiwillig nicht machen; das gilt aber für die verheirateten, oder vormals verheirateten genauso wie für die nicht-verheirateten. Das ist schon richtig.
Natürlich gibt es viele Väter, nicht-eheliche Väter, die keinen Unterhalt zahlen wollen, aber es gibt auch verheiratete, die dies nicht wollen, und wenn man dann einen Titel vor Gericht erstritten hat, dann ist immer die nächste Frage noch, kann ich ihn durchsetzen, wie lange dauert es, bis ich ihn durchsetze. Das ist schon ein Problem. Aber die Koppelung mit dem Sorgerecht ist nicht zutreffend.
Klein: Wäre es denn möglich, um dabei noch mal kurz zu bleiben, das Unterhaltsproblem anders zu regeln als bisher?
Götz: Die Unterhaltsvorschriften sind ja vor Kurzem reformiert worden und zwar nicht-ehelichen Kindern und ehelichen Kindern völlig gleichermaßen. Da gibt es im Unterhaltsrecht überhaupt keine Unterschiede. Die stehen jetzt beide auf Rangstufe 1, sodass auch, wenn beim Vater das Geld knapp ist, jedenfalls zuerst die Kinder kommen und die ihren Unterhalt kriegen sollen.
Also, eine andere Regelung ist schwer zu treffen, zumal faktisch umzusetzen. Da können die Gesetze so gut sein, wie sie wollen, das steht immer noch auf einem anderen Blatt. Aber wie gesagt, die Koppelung mit dem Sorgerecht, die darf man nicht herstellen.
Klein: Nun wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute über das Sorgerecht entscheiden. Von welchem Urteil gehen Sie aus?
Götz: Es ist ja immer sehr spekulativ, etwas zu vermuten, was ein Gericht entscheiden wird. Ich mag auch nicht so gerne, wenn man darüber mutmaßt, wie ich entscheiden werde. Aber alle Auguren sagen ja, dass es in eine Richtung geht, nämlich dass der Kläger heute Mittag Anlass zur Freude haben wird, und ich denke schon auch, dass es so ausgeht.
Klein: Welche Konsequenzen, um das noch mal abschließend zu erfragen, ergeben sich daraus dann für den deutschen Gesetzgeber?
Götz: Dass dann die jetzige Sorgerechtsregelung geändert werden müsste, in welcher Weise auch immer. Dass es da verschiedene Modelle gibt, haben wir ja gerade besprochen, aber das wäre dann die Konsequenz.
Klein: Und da ist der deutsche Gesetzgeber dann im Prinzip auch frei, sofern er sich an die heutige Entscheidung hält?
Götz: Ja. Es muss das Ergebnis herauskommen, unterstellt so wird entschieden, dass es dem nicht-ehelichen Vater erleichtert wird, die Mitsorge zu erreichen, wie auch immer das dann ausgestaltet wird.
Klein: Isabell Götz war das, Richterin am Oberlandesgericht in München und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages. Ich bedanke mich für das Gespräch und Ihre Einschätzungen, Frau Götz.
Götz: Gerne.
Am Telefon begrüße ich Isabell Götz. Sie ist Richterin am Oberlandesgericht München und zugleich stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages. Guten Morgen, Frau Götz.
Isabell Götz: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Das Bundesverfassungsgericht - das haben wir gerade gehört im Beitrag - hatte zwar Zweifel signalisiert 2003, aber die gesetzliche Regelung ja dann doch noch einmal bestätigt. Was spricht oder sprach denn aus Sicht der Gerichte bisher dafür, das Sorgerecht unverheirateter Väter in dieser Weise einzuschränken?
Götz: Das war die Tatsache, dass die familiären Verhältnisse, in die Kinder nicht-verheirateter Eltern hineingeboren werden, ganz unterschiedlich sind. Da gibt es natürlich die längerfristigen nicht-ehelichen Partnerschaften: Man entscheidet sich gemeinsam für ein Kind, man trägt gemeinsam Verantwortung für das Kind, wie jetzt auch in dem Fall, der gerade geschildert wurde.
Aber es gibt natürlich auch nicht-eheliche Kinder, die aus ganz flüchtigen Beziehungen hervorstammen, die nur ganz kurz waren, dafür aber fruchtbar, wo dann die Väter sich möglicherweise nicht so kümmern, oder häufig nicht so kümmern, weil sie eben diese Beziehung zu dem Kind gar nicht haben.
Klein: Wenn als Argument jene Väter herangezogen werden, die nur eine ganz kurze Beziehung zur Mutter hatten, aus der das Kind entstammt, was spricht denn dann aber dagegen, jenen Vätern grundsätzlich zumindest Mitsprache einzuräumen?
Götz: Praktische Gründe. Natürlich könnte man auch diesen Vätern grundsätzlich das Mitspracherecht einräumen, aber wenn ein Vater dann kein Interesse am Kind hat, dann müsste die Mutter wegen jeder zu treffenden Entscheidung hinter diesem Vater herlaufen, möglicherweise sogar ein gerichtliches Verfahren anleiern.
Das Kind braucht aber stabile Verhältnisse, jemand, der sicher und zuverlässig entscheiden kann, und das war das Hauptargument, dass man gesagt hat, eben gerade bei so flüchtigen Beziehungen ist es, ich will jetzt nicht sagen, in der Regel so, aber häufig so, dass eben kein solches Interesse am Kind besteht.
Klein: Ist es bei so unterschiedlichen Fällen, die wir da haben, überhaupt möglich, eine gerechte Unterscheidung zu treffen?
Götz: Die Frage stellt sich natürlich und die wird sich unter Umständen dem Gesetzgeber stellen, je nachdem wie das Verfahren heute ausgeht. Es gibt zwei Varianten, wie man es lösen könnte. Das eine ist, die nicht-ehelichen Väter bekommen grundsätzlich die Mitsorge, so wie es auch bei Eheleuten ist, und die Mutter müsste dann im Einzelfall, wenn diese Mitsorge nicht praktikabel ist, die Alleinsorge auf sich übertragen lassen. Die andere Variante wäre, es bei der derzeitigen Regelung zu belassen und den Vätern es nur erleichtert zu ermöglichen, an die Mitsorge heranzukommen.
Klein: In welchem Umfang spielen diese Fälle eine Rolle für die Familiengerichte? Sind das eher Ausnahmen, über die wir hier sprechen, oder wie viele Väter sind davon etwa betroffen?
Götz: Ich habe gerade die Zahl ja gehört in dem Vorbericht. Ich selbst habe in der Praxis überhaupt keinen solchen Fall gehabt. Ich glaube nicht, dass es vor Gericht so viele Fälle gibt, einfach weil unsere derzeitige Regelung recht eindeutig ist. Im Moment kann ein nicht-ehelicher Vater an das Sorgerecht letztlich gegen den Willen der Mutter nur herankommen, wenn die Mutter das Kindeswohl gefährdet, und die Schwelle ist natürlich recht hoch.
Klein: Nun wird als Argument eingewendet, das viel größere Problem sei, dass unverheiratete Väter nur allzu oft keinen Unterhalt zahlen, sondern dazu erst mal per Gericht verpflichtet werden müssen, und es sei wichtiger, erst mal dieses Problem zu lösen. Stimmt das aus Ihrer Sicht?
Götz: Viele Väter müssen auf Zahlung von Unterhalt für ihre Kinder vor Gericht verurteilt werden, weil sie es freiwillig nicht machen; das gilt aber für die verheirateten, oder vormals verheirateten genauso wie für die nicht-verheirateten. Das ist schon richtig.
Natürlich gibt es viele Väter, nicht-eheliche Väter, die keinen Unterhalt zahlen wollen, aber es gibt auch verheiratete, die dies nicht wollen, und wenn man dann einen Titel vor Gericht erstritten hat, dann ist immer die nächste Frage noch, kann ich ihn durchsetzen, wie lange dauert es, bis ich ihn durchsetze. Das ist schon ein Problem. Aber die Koppelung mit dem Sorgerecht ist nicht zutreffend.
Klein: Wäre es denn möglich, um dabei noch mal kurz zu bleiben, das Unterhaltsproblem anders zu regeln als bisher?
Götz: Die Unterhaltsvorschriften sind ja vor Kurzem reformiert worden und zwar nicht-ehelichen Kindern und ehelichen Kindern völlig gleichermaßen. Da gibt es im Unterhaltsrecht überhaupt keine Unterschiede. Die stehen jetzt beide auf Rangstufe 1, sodass auch, wenn beim Vater das Geld knapp ist, jedenfalls zuerst die Kinder kommen und die ihren Unterhalt kriegen sollen.
Also, eine andere Regelung ist schwer zu treffen, zumal faktisch umzusetzen. Da können die Gesetze so gut sein, wie sie wollen, das steht immer noch auf einem anderen Blatt. Aber wie gesagt, die Koppelung mit dem Sorgerecht, die darf man nicht herstellen.
Klein: Nun wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute über das Sorgerecht entscheiden. Von welchem Urteil gehen Sie aus?
Götz: Es ist ja immer sehr spekulativ, etwas zu vermuten, was ein Gericht entscheiden wird. Ich mag auch nicht so gerne, wenn man darüber mutmaßt, wie ich entscheiden werde. Aber alle Auguren sagen ja, dass es in eine Richtung geht, nämlich dass der Kläger heute Mittag Anlass zur Freude haben wird, und ich denke schon auch, dass es so ausgeht.
Klein: Welche Konsequenzen, um das noch mal abschließend zu erfragen, ergeben sich daraus dann für den deutschen Gesetzgeber?
Götz: Dass dann die jetzige Sorgerechtsregelung geändert werden müsste, in welcher Weise auch immer. Dass es da verschiedene Modelle gibt, haben wir ja gerade besprochen, aber das wäre dann die Konsequenz.
Klein: Und da ist der deutsche Gesetzgeber dann im Prinzip auch frei, sofern er sich an die heutige Entscheidung hält?
Götz: Ja. Es muss das Ergebnis herauskommen, unterstellt so wird entschieden, dass es dem nicht-ehelichen Vater erleichtert wird, die Mitsorge zu erreichen, wie auch immer das dann ausgestaltet wird.
Klein: Isabell Götz war das, Richterin am Oberlandesgericht in München und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages. Ich bedanke mich für das Gespräch und Ihre Einschätzungen, Frau Götz.
Götz: Gerne.