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Sinnsuche und Glaube an eine höhere Macht

In Deutschland leere Kirchen, Jugendliche haben in ihrer großen Masse wenig Kontakt zur Amtskirche, aber in den letzten Wochen des Papstes Johannes Paul II. waren viele auf dem Petersplatz, obwohl dieser Papst als sehr konservativ galt. Jetzt kommen viele zu dem ebenfalls sehr konservativ eingeschätzten Papst Benedikt XVI. nach Köln zum Weltjugendtag - ein Widerspruch?

Von Bernd Kallina |
    Nicht unbedingt. Schließlich gründen die Strukturelemente unserer Gesellschaft auf den Wurzeln der christlich-abendländischen Kultur, eine jahrtausende alte Kultur mit starken Beharrungskräften im Grundsätzlichen, deren geistige Quellen in der Tat sich als Zeitgeist-resistent erwiesen - das scheint bei vielen Orientierung suchenden Jugendlichen anzukommen.

    " Die Jugend in Deutschland und überhaupt in Westeuropa empfindet sich mehr denn je als metaphysische Asylanten. Sie haben von der Schule und auch weithin aus dem Elternhaus keine Rück-Bindung an Gott erfahren, d.h. ja religiare Religion, und das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Sie spüren dieses Vakuum und sind darum von einer inneren Unruhe gepackt, sie sind wirklich - im echten Sinne - suchende Menschen geworden."

    Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln und Gastgeber des heute beginnenden 20. Katholischen Weltjugendtages in der Rheinmetropole, zur Frage nach dem Verhältnis von jungen Menschen zur Religion. Meisner, der enge Papst-Vertraute, sieht eine große Schar Sinn suchende Menschen, Jugendliche, die nach Köln strömen und die gleichsam für eine ganze Generation stehen, deren religiöse Fragen drängender geworden sind. Vor allem aber: Diese Generation stellt - im Gegensatz zu früheren - nun mehrheitlich Fragen, die nicht allein innerweltlich zu beantworten sind. Meisner:

    " Die größten Sorgen bereitet mir die ältere Generation. Die sind ja weitgehend 68er, die ganz dem Leben Gottes entfremdet sind. In unseren Familien geschieht ja nicht mehr die Weitergabe des Glaubens von den Älteren auf die Jüngeren, sondern umgekehrt. Es sind die Jüngeren, die wieder glauben und jetzt versuchen, den Glauben wieder weiterzugeben nach rückwärts an ihre Eltern und ihre Großeltern. Und das den jungen Menschen dabei nicht die Puste ausgeht, darum brauchen sie Gemeinschaft."

    Wie lauten die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zur Frage "Jugend und Religion in Deutschland heute"? Was sagen kirchliche und außerkirchliche Instanzen dazu? Für Ulrich Schwab, Professor für Praktische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit den Forschungsschwerpunkten "Jugend und Kirche" sowie "Religionspädagogik in der Moderne" ergibt sich im Überblick folgendes Bild:

    " Wir hatten eine Zeit, in der wir bzw. viele Sozialwissenschaftler der Meinung waren, "Religiosität" wäre heute kein Thema für Jugendliche. Ich glaube, dass wir gegenwärtig eine ganz andere Situation haben, nämlich dass es eher ein "Zuviel" an "Religiosität" als ein "Zuwenig" gibt."

    Was der Theologe Schwab hier zusammenfassend präsentiert, nämlich eine messbare Zunahme und - vor allem - die verstärkte Wahrnehmung religiöser Empfindungen und Bedürfnisse, entspricht auch der Grundtendenz anderer professioneller Beobachter der deutschen Jugendszene.

    Genannt seien hier: die beiden letzten Shell-Jugend-Studien, Erhebungen des Instituts für Demoskopie Allensbach sowie die bislang noch unveröffentlichte internationale Studie von Hans-Georg Zieberts, Professor für Religionspädagogik in Würzburg, die gestern auszugsweise in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht wurde. Zentral-Aussage der Ziebertz-Studie laut FAZ:

    Die Mehrheit der deutschen Jugendlichen bezeichnet sich als gläubig, 46 Prozent sogar als "stark" bzw. "sehr stark", bejaht die Existenz einer höheren Macht und misst der Religion in der modernen Welt Bedeutung zu.

    Auffallend, wenn auch bei Berücksichtigung des zeitgeschichtlichen Hintergrundes nicht allzu überraschend, dürfte ein schon von der 14. Shell-Jugendstudie festgestelltes markantes Ost-West-Gefälle bei den Fragen nach der Gott-Gläubigkeit im christlichen Sinne sein. Der staatspolitisch jahrzehntelang praktizierte Atheismus im real existierenden DDR-Sozialismus hat offenkundig seine Spuren hinterlassen. D.h., Jugendliche aus den Neuen Bundesländern sind erheblich Gott-ungläubiger als ihre westlichen Altersgenossen. Die Kirchenbindung ist im Osten noch geringer als im Westen.

    Wie antworten Jugendliche, wenn man sie nach ihrer persönlichen Einstellung zur Religion, zum Glauben oder Unglauben an Gott, zu wichtigen christlichen Werten, zum Ansehen der Kirchen oder zum deutschen Papst Benedikt XVI. fragt? Hier die Ergebnisse einer Deutschlandfunk-Straßenumfrage von letzter Woche in Berlin mit Antworten von Jugendlichen aus den östlichen Bundesländern.

    Umfrage Ost:
    - "Also, ich glaube nicht an Gott."
    -
    - "Ich glaube weder an eine Partei noch an irgendeine Religion."
    -
    - "Ich glaube nicht an einen Gott. Ich glaube, dass es irgendetwas gibt auf der Welt oder irgendetwas Überirdisches."
    -
    - "Ich bin völlig atheistisch erzogen, groß geworden."
    -
    - "Ich bin schon gläubig, aber sehr kritisch, ja."
    - "Ich bin Atheist."
    -
    - "Also, ich bin religionslos."
    -
    - "Man sollte an all das Gute denken, finde icke."
    -
    - "Ja, ich denke, eine gewisse moralische Auffassung habe ich schon mitbekommen in meinem Leben aus meinem Elternhaus, klar."
    -
    - "Es gibt ein paar Verhaltensregeln, an die man sich halten kann, oder vielleicht ein paar moralische Verhaltensregeln, z.B. Treue, Freundschaft, Ehrlichkeit. Ich kann verstehen, dass viele Jugendliche Kirche nicht so toll finden, weil das Bild, was von der Kirche vermittelt wird, sehr altmodisch ist."
    -
    - "Nun gut, dieses hierarchische System kann ich auch nicht akzeptieren."
    -
    Jetzt Umfrage-Aussagen unter westdeutschen Jugendlichen, aufgenommen vergangenen Freitag in Köln:

    Umfrage West:
    - "Ich definiere mich auf jeden Fall als religiös. Mein
    Empfinden - oder für mich heißt religiös schon, wenn ich
    an Gott glaube. Also, nach meinem Empfinden muss ich nicht am Sonntag regelmäßig in die Kirche gehen, sondern der Glaube an sich, an Gott, das heißt für mich eigentlich religiös sein."
    -
    - "Für mich das Wichtigste ist einfach, ja, der Glaube an die Liebe, sozusagen, die Hoffnung, dass unter den Menschen doch so ein Zusammenhalt ist, der das Leben menschlicher und lebensfähiger macht."
    -
    - "...und die Nächstenliebe ist eigentlich das Wichtigste für mich. Teilweise sage ich, ich brauche die Kirche nicht unbedingt dazu, zu glauben. Aber auf der anderen Seite, sage ich auch, ist sie halt die Institution, die man anlaufen kann, wenn man aktiv sein will."
    -
    - "Ich bete regelmäßig. Ich glaube halt an Gott. Also, ich würde nicht sagen, das gibt es nicht."

    Sind die großen Kirchen in Deutschland, die evangelische und die katholische, die Begünstigen dieses Trends hin zu einer religiös-orientierten, allgemeinen Gläubigkeit - auch wenn die Kirchen-Kritik nicht zu knapp ausfällt? Sind die traditionellen Amtskirchen zu zentralen Auffangbecken, sind sie die maßgeblichen Anlaufstellen zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse dieser Sinn suchenden jungen Menschen geworden? Eher nicht, zumindest bis jetzt nicht, meint Michael Ebertz, Soziologe und Theologe, Professor an der Katholischen Fachhochschule in Freiburg:

    " Dass sich im Grunde ein Prozess der Distanzierung der Jugendlichen von der Kirche, von der kirchlichen Bindung verstärkt hat. Man kann diese Bewegung seit den 1980er Jahren beobachten. Damals hat das Institut für Demoskopie Allensbach formuliert, dass die Beziehung zwischen Kirche und Jugend gebrochen ist, regelrecht von einem Traditionsbruch konnte man seitdem sprechen und dieser Bruch hat sich fortgesetzt allen medialen und emotionalen Bindungen, die in den letzten Wochen im Zusammenhang mit dem Tode von Johannes Paul II. vermittelt worden sind zum Trotz."

    Als Gründe für diese Entwicklung nennt die Ziebertz-Studie u.a., dass die Eltern nur geringen Einfluss auf die religiöse Entwicklung ihrer Kinder nehmen. Zwar seien 78 Prozent der Schülerinnen und Schüler getauft. Und 73 Prozent sind zur Kommunion gegangen oder konfirmiert worden, was sich aber nicht in einer regelmäßigen Teilnahme am Gemeindeleben oder gar am sonntäglichen Kirchgang widerspiegele.

    61 Prozent der Jugendlichen, so bilanziert die Studie, würden nie bzw. höchstens zweimal im Jahr in die Kirche gehen. Und: gut ein Viertel der deutschen Jugend betet nicht, ein weiteres Viertel selten.

    Hoch im Kurs jugendlicher Wertschätzung sind allerdings kirchliche Riten. Etwa 60 Prozent befürworten die Taufe ihres eigenen Kindes und den kirchlichen Segen bei ihrer Heirat. Und dass bei der Begräbnisfeier für einen nahe stehenden Menschen ein Pfarrer mit dabei ist, halten 74 Prozent für wichtig.

    Ungebrochen, und auch von Jugendlichen aktiv begleitet, erweisen sich christliche Feste wie Ostern oder Weihnachten. Schon die 13. Shell-Jugendstudie berichtet von 84 Prozent aller Befragten, denen das Weihnachtsfest nicht nur als "wichtig" erscheint. Es bedeutet noch mehr: Fast 90 Prozent nehmen an diesem urchristlichen Fest teil, das als Familienfest und als religiöses Fest in einem äußerst positiv bewertet wird.

    Aber wie ist die auffällige Kirchen-Distanz der Jugendlichen bei gleichzeitiger und sogar - empirisch mehrfach belegter- verstärkter Glaubensoffenheit und religiös motivierter Sinnsuche zu erklären?

    Sie ist Fakt einer - sozusagen - strategischen Langzeit-Entwicklung der deutschen Gesellschaftsordnung, in die die christlichen Kirchen in besonderer Weise verwoben sind. Zur übergeordneten Problematik einer fundamentalen Wechsel- bzw. Wandellage äußerte sich Egar Piel vom Demoskopischen Institut Allensbach. Zitat aus seinem Vortrag "Wenn der Lebensweg sich wendet..." auf dem Pastoralkongress 2003 in Freiburg:

    " Seit Mitte der 60er Jahre lässt sich in Deutschland (West) ein tiefgehender Wertewandel beobachten. Vieles von dem, was damals in Bewegung geraten ist, bewegt sich bis heute; zwar langsamer, aber weiterhin in die gleiche Richtung: zu mehr Individualismus. Der Wertewandel hat dafür gesorgt, dass sich fast alle Orientierungspunkte, die durch Traditionen, Heilsgemeinschaften religiöser oder politisch-ideologischer Art gegeben sind, in bloße Wahlmöglichkeiten verändert haben. (Der Soziologe Ralf Dahrendorf spricht von Optionen.) Am Ende hat sich eine Art Polsprung ereignet. Polsprung besagt, dass sich die Kraftzentren zwischen Individuum und Institutionen, Individuum und Traditionen ausgetauscht haben. Das Individuum ist zum Zentrum und Maßstab geworden, während die Institutionen und Traditionen ihre von außen fordernde und einengende, aber zugleich auch von außen formende Kraft verloren haben."

    Das Abschmelzen der Kirchenbindung an sich ist also nicht nur ein Jugendphänomen, sondern betrifft in unterschiedlichen Bedeutungsgraden alle Altersstufen. Auf die speziellen Gründe für die Distanz Jugend und Kirche geht Michael Ebertz so ein:

    " Die Kirche wird wahrgenommen als eine erwachsenendominierte Institution. In unseren Kirchengemeinden herrschen ganz bestimmte ästhetische Milieus vor, die nicht die Geschmäcker der Jugendlichen treffen, da gibt es regelrecht eine ästhetische Abstoßung zwischen dem, was die Erwachsenen, ganz bestimmte Erwachsene für schön, für hässlich halten und dem, was die Jugendlichen hier mögen."

    Beispiel Haupt-Gottesdienst: Er ist zweifellos zentraler Veranstaltungs-Ausdruck einer Kirchengemeinde. Hier besteht eine schier unüberbrückbare Differenz zwischen vielen Jugendlichen und den Erwachsenen. Zwar nur hinsichtlich seiner begleitenden Elemente, nämlich der Musik. Doch Ulrich Schwab, der der spirituellen Sphäre, gerade bei Jugendlichen, eine zentrale Rolle zuweist, macht auf die enorme Bedeutung der Musik aufmerksam:

    " Für Jugendliche ist ein ganz wesentlicher Faktor, was den Gottesdienst angeht, dass die Musik ihnen entspricht. Und in der traditionellen Kirchenmusik herrscht eben das Liedgut des 16., 17., 18. Jahrhunderts - das 19. Jahrhundert ist ja schon verpönt, weil romantisch und der klassischen Weise - und das ist etwas, womit sich Jugendliche sehr, sehr schwer tun."

    Von 100 Jugendlichen in Deutschland sind nur 7, so die 13. Shell-Studie, Angehörige einer kirchlich-konfessionellen Jugendgruppe, ein Größenverhältnis, das sich übrigens seit 1992 nicht verändert hat. Über diese Jugendlichen, die im Spannungsfeld von Erwachsenen- und Jugendkirche agieren, berichtet die Studie, dass sie in viel größeren Anteilen religiöse Praktiken ausüben, d.h. sie nehmen öfter am Gottesdienst teil und beten auch häufiger als die anderen Jugendlichen. Ihr Lebensverhalten sei auch eher leistungs- und weniger genussorientiert.

    Gerade diese Minderheit sucht und praktiziert heute neue Formen gemeinschaftlich inspirierter Religiosität, zu der auch - mit Unterstützung und auch auf Initiative der Kirchenleitungen - Großereignisse wie z.B. jetzt der Weltjugendtag in Köln gehören. Es werden Kennenlern-Angebote gemacht, eine Art "Schnupperkurs für Jugendliche" unterbreitet, d.h. junge Leute werden über ein Event zum "Andocken" an die Kirche bewegt, ohne sofort und in jeder Hinsicht den kirchlichen Werten und Normen sich unterordnen zu müssen - und das kommt an.

    Michael Ebertz sieht darin und vor allem im damit zumindest teilweise korrespondierenden Konzept der "Jugendkirchen" einen entwicklungsfähigen Ansatz, die traditionelle Amtskirche mit der eigenwillig-individualistischen, aber zugleich auch vermehrt religiös orientierten Jugend, wenn schon nicht gänzlich zu versöhnen, so doch durch zugestandene, formale Neuorientierung an die Großkirchen anzubinden.

    Ihr organisatorisches Grundprinzip: Über die jeweiligen Gemeindebezirke hinaus wird in einem größeren Einzugsbereich eine Kirche zur Jugendkirche bestimmt, und die macht dann nur noch - zeitgemäße - Angebote für Jugendliche. Dadurch entsteht, das ist jedenfalls die Zielplanung, eine Art geistiges Zentrum für den christlichen Nachwuchs. Ein ermunterndes Beispiel:

    Oberhausen, Christ-König-Kirche. Dort ist das von vielen Beobachtern so erfolgreich bezeichnete Konzept für die Jugendkirche Tabgha entstanden. Einer der geistigen Väter des Projekts, Oliver Heck, der Leiter des ortsansässigen Jugendamtes, wird mit der medial geäußerten Feststellung zitiert, dass mit den herkömmlichen Angeboten nur 15 Prozent der Jugendlichen erreicht werden könnten. Wenn an den übrigen 85 Prozent Interesse bestünde, müsse man - logischerweise - das kirchliche Angebot anders gestalten. Zielgruppenorientiertes Kirchenmarketing sei gefragt, könnte man das ideelle Werbekonzept um junge Leute beschreiben. Tabgha, benannt nach dem Ort der biblischen Erzählung von der wundersamen Brotvermehrung, gilt bundesweit als Ideengeberin für ähnliche Projekte. Die Oberhausener benennen ihr gemeinsam mit Pfarrer Bernd Wolharn entwickeltes Erfolgsrezept so:

    Eine ausgewogene Mischung aus Event und Alltag. Was das in der seelsorgerischen "Tabgha-Praxis" konkret bedeutet, darüber berichtete die "Frankfurter Rundschau" am 17. März vergangenen Jahres:

    Mit spektakulären Aktionen wie einer ‚Halfpipe to heaven' für Skater oder Klettern in der zehn Meter hohen Hallenkirche machte Tabgha über die Stadtgrenzen hinaus von sich reden. Dabei setzten jeweils Hunderte Jugendliche erstmals seit langem wieder ihre Füße über die Kirchenschwelle. Bei Tabgha gilt das Prinzip: Keinen Event ohne religiöse Dimension - in irgendeiner Form wird immer ein geistiger Impuls gegeben. So versammelten sich beim Kletter-Event die Seilschaft um ein ‚Gipfelkreuz' und sprachen in luftiger Höhe über das soeben Erlebte: Ihre Angst, die Hilfe durch andere, das Gehalten-Sein durch das Seil.

    Ob es zu einer nachhaltigen Re-Vitalisierung des Christentums in der fortgeschritten-säkularisierten deutschen Wandel-Gesellschaft kommen kann, ist eine offene Frage. Jedenfalls wird daran mit unterschiedlichen Konzepten kreativ gearbeitet.

    Falls es jedoch zu einem Wandel in dieser Richtung kommen sollte, werden die religiösen Wachstumsimpulse zweifellos auch von der Jugend kommen müssen. Dabei gibt es einen interessanten Aspekt, auf den Kardinal Joseph Ratzinger noch vor seiner Wahl zum Papst Benedikt XVI. in einem Beitrag der "Süddeutschen Zeitung" hinwies. "Europa braucht eine - gewiss kritische und demütige - Annahme seiner selbst, wenn es überleben will", schrieb Ratzinger am 13. April dieses Jahres und fuhr dann fort:

    " Die immer wieder leidenschaftlich geforderte Multikulturalität ist manchmal vor allem eine Absage an das Eigene, Flucht vor dem Eigenen. Aber Multikulturalität kann ohne gemeinsame Konstanten, ohne Richtpunkte des Eigenen nicht bestehen. Zu ihr gehört es, dem Heiligen des Anderen ehrfürchtig zu begegnen, aber dies können wir nur, wenn uns das Heilige, Gott, selbst nicht fremd ist."

    Abschließende Frage an den katholischen Theologen Michael Ebertz, ob nicht infolge der verstärkten Begegnungen deutscher Jugendlicher mit den meist tief-religiös gebundenen, z.B. islamischen Altersgenossen hierzulande ein Re-Christianisierungs-Impuls gerade durch das direkte, nachbarschaftliche Erleben dieser intensiven Religiosität, denkbar wäre, sich eine Art "Rückkoppelungserfolg" zugunsten des Christentums einstellen könnte:

    " Ich sehe diese Chance durchaus. Man könnte vielleicht sogar zuspitzend sagen, der Islam in Westeuropa ist so etwas wie eine weitere Chance, die die Kirche erhält, und zwar als Alternative zum Islam. Das Christentum hat die Chance, sich - gewissermaßen im Kontrast - zum Islam in Westeuropa neu zu profilieren, als die alternative, friedfertige Religion."