Die Spannungen zwischen China und Taiwan nehmen weiter zu. Peking hat nach Angaben des taiwanesischen Verteidigungsministeriums Anfang Oktober mehr als 150 Kampfflugzeuge, unter ihnen auch atomwaffenfähige Militärmaschinen, über den taiwanesischen Luftraum geschickt. Auch verbal schoss Chinas Präsident Xi Jinping scharf gegen den Inselstaat und betonte, dass die "vollständige Vereinigung des Mutterlandes" verwirklicht werden müsse. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik.
Taiwan ist im Aufwind
Ein Grund für die zunehmenden Spannungen sei das wachsende Selbstbewusstsein Taiwans, das China sehr beunruhigen würde, analysierte der Sinologe Sebastian Heilmann im Deutschlandfunk. Taiwan habe viel Rückhalt durch die internationale Gemeinschaft erfahren: "Durch die ganze Halbleiter-Krise ist klar geworden, wie wichtig Taiwan ist für die Weltwirtschaft und auch für alle möglichen Lieferketten in die westlichen Gesellschaften hinein. Auch ist Taiwan als sehr lebendige Demokratie beliebt, hat also einen großen Image-Vorsprung in der westlichen Welt gegenüber China." Peking nehme es auch als Provokation wahr, dass Taiwan amerikanische Soldaten im Land stationiert hat, die dort Anti-Invasionskräfte trainieren.
Für eine militärische Konfrontation liegen laut Einschätzung des Sinologen keine konkreten Planungen seitens China vor. Mehrere Faktoren könnten aber zu einem bewaffneten Konflikt führen: Etwa wenn China aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten instabil würde. Oder wenn Taiwan weitere Schritte in Richtung Unabhängigkeit unternehme, zum Beispiel durch den Ausbau diplomatischer Beziehungen zu anderen Ländern oder eine offizielle amerikanische Militärpräsenz im Land. "Die Lage ist ohne Zweifel aufgeladen."
Wagt China den Militärschlag?
Einen großen Einfluss auf das Verhalten der chinesischen Staatsführung habe das taktische Verhalten der USA, sagte Sebastian Heilmann: "Aus der Sicht Pekings ist das sozusagen die 'Wildcard'. Das ist die offene Frage, ob die USA überhaupt bereit sind, in den Krieg einzutreten wegen Taiwan. Ist Taiwan wichtig genug für die USA, um in den Krieg einzutreten? Da bestehen auf chinesischer Seite große Zweifel. Und das erhöht natürlich das Risiko eines Militärschlags vonseiten Chinas in dieser Region." Nach Einschätzung des Sinologen sieht es jedoch eher danach aus, als würde Taiwan durch die US-Amerikaner geschützt werden.
China rüste militärisch massiv auf und wolle in der Asien-Pazifik-Region freie Bahn haben, erklärte Heilmann. Anspruch der Volksrepublik sei es, dort ungefährdete Führungsmacht zu sein. "Deswegen auch diese harte, kompromisslose Gangart bei allen möglichen Territorialkonflikten, etwa gegenüber Indien, gegenüber Japan. Und dann aber auch diese tatsächlich expansive Politik im Südchinesischen Meer, wo man im Grunde einen riesigen Meeresraum für sich beansprucht, künstliche Inseln aufschüttet und dann Militäreinrichtungen darauf platziert." Durch diese Eigendefinition als selbstverständlicher Hegemon gerate China in die volle Rivalität mit den Vereinigten Staaten.