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Sinsheim baut Fernwärme aus Biomasse aus

Mit welchen Instrumenten versucht die Menschheit noch den Klimakollaps zu verhindern? Sinsheim im Kraichgau im nordwestlichen Zipfel von Baden-Württemberg setzt dafür gezielt auf den Ausbau der Fernwärme.

Von Michael Brandt |
    Derzeit wird in der Innenstadt von Sinsheim gebaggert. Eine schwere Baumaschine buddelt mitten auf der Wilhelmstraße und verlegt Rohre für das neue Sinsheimer Fernwärmenetz.

    "Wir haben hier eine Idee verwirklicht. Die Idee, eine Stadt, die bislang über Gasnetz verfügt hat, mit einem Fernwärmenetz zu versehen und dieses auf der Basis eines Biomasseheizkraftwerks , also mit erneuerbaren Energien, herzustellen."

    sagt Alfred Ehrhardt, der Geschäftsführer der AVR, der Entsorgungs- und Energietochter des Rhein-Neckar-Kreises. Wer dachte, dass Fernwärme ein Relikt der 70er-Jahre sei, oder auf die ostdeutschen Bundesländer beschränkt, der sieht in Sinsheim, dass er sich getäuscht hat. Vor vier Jahren ist die Idee des Wärmenetzes entstanden und vor wenigen Tagen wurde das Netz in seiner ersten Ausbaustufe feierlich von Umweltminister Franz Untersteller eingeweiht. Der Kern ist das Biomasse-Heizkraftwerk, das innerhalb von 18 Monaten direkt neben der Mülldeponie entstanden ist, zwei Kilometer außerhalb des Ortes:

    "Was haben das bewusst in Kauf genommen, weil wir gesagt haben, wir möchten keine Diskussion führen über die Nähe eines Kraftwerks, Lärm oder Anlieferverkehr. Wir haben ein Kraftwerk, das schlichtweg keinen stört, weil es in den Betrieb einer Abfallanlage integriert ist."

    Ein Sechs-Megawatt-Brennkessel für Holzhackschnitzel ist für die Grundlast zuständig, ein weiterer Kessel mit ebenfalls sechs Megawatt Wärmeleistung wird mit Holzpellets gespeist und wird für die Lastspitzen eingesetzt. Der größte Teil des Brennstoffs kommt aus dem Kreis selbst. Bei der Kalkulation des Projekts spielte eine große Rolle, dass Einrichtungen des Kreises selbst einen erheblichen Teil der so erzeugten Wärme verbrauchen. Ein Schulzentrum, ein Krankenhaus und ein Pflegeheim sind angeschlossen und schon mit Ihnen rechnet sich die Anlage für Alfred Ehrhardt:

    "Also haben wir festgestellt, dass von einem möglichen Absatz in einem ersten Bauabschnitt bereits 60 Prozent durch Einrichtungen des Kreises abgedeckt werden können."

    Zusätzlich wurde die Fernwärme Gewerbebetrieben und Privathaushalten angeboten und die Nachfrage ist bei der jetzt fertiggestellten Ausbaustufe eins gut. Verkaufsargumente gibt es, so Ehrhard reichlich. Die Wärme ist sicher, sie ist aus erneuerbaren Energien hergestellt, der Wärmetauscher im eigenen Keller ist deutlich kleiner als eine Heizung und so gut wie wartungsfrei.

    "Wir haben sehr positive Reaktionen. Aber die Bürger wollen sehr genau wissen, was da auf die zukommt. Sie wollen auch sehr genaue Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben. Aber wir erkennen, dass man hier die Unabhängigkeit von Öl auf Dauer haben möchte."

    Ziel ist es, dass Sinsheim auf Dauer ohne fossile Energien auskommt und kein CO2 verbraucht. Und da zieht die Stadt am gleichen Strang wie der Kreis. Sie betreibt selbst diverse Photovoltaikanlagen und unterstützt Bürgersolaranlagen. Wenn man die Energiewende will, muss auch vor Ort etwas passieren, sagt Baubürgermeister Achim Kessler:

    "Das ist konsequent, wenn ich A sage, bzw. diesen Schritt aus dem Atomausstieg machen will, dann komm ich an B nicht vorbei, ich muss mich auseinandersetzen mit regenerativen Energien. Ich denke schon, dass wir es darstellen können als weichen Standortfaktor für Sinsheim."

    Bislang sind die knapp fünf Kilometer Fernwärmeleitungen gelegt, die drei kommunalen Einrichtungen und 137 Gebäude an das Netz angeschlossen, im Vollausbau im Jahr 2015 sollen 25 Kilometer verlegt sein und insgesamt 13.000 Menschen mit kommunaler Wärme versorgt werden, immerhin ein Drittel der Sinsheimer.

    Und auch dann gibt es noch jede Menge Ideen, wie sich der Ort klimafreundlich weiterentwickeln kann. Zum Beispiel eine Windkraftanlage, ebenfalls im Bereich von Mülldeponie und Biomassekraftwerk.