"Die Wahlen sind sehr wichtig für dieses Land. Gerade haben wir 50 Jahre Unabhängigkeit gefeiert. Und für unsere Nachkommen, die später einmal 100 Jahre feiern werden, müssen wir schon jetzt die Weichen stellen. Auch deswegen haben die Wahlen eine so große Bedeutung."
Goodluck Jonathan, der Staatschef Nigerias, beim Besuch einer Fotoausstellung in der Hauptstadt Abuja. Das Thema ist er selbst: Die Schau "The People's President" zeigt ihn in seiner Lieblingsrolle - als volksnahen, vertrauenswürdigen Präsidenten, als Versöhner, der im Wahlkampf durch alle 36 Bundesstaaten getourt ist. Jonathan hofft, dass er seinem Vornamen "Goodluck" wieder alle Ehre macht. Bisher war er mühelos die Karriereleiter hinaufgestiegen, war 2010 dem verstorbenen Präsidenten Yar'Adua nachgefolgt. Nun muss sich Jonathan, der Christ aus dem ölreichen Nigerdelta, zum ersten Mal einer Wahl stellen. Sein stärkster Rivale ist Muhammadu Buhari, ein Moslem aus dem Norden. Doch als Favorit gilt Jonathan, und die Erwartungen an ihn sind gewaltig:
"Wir haben nicht genug Wasser, wir haben schlechte Straßen - aber wenn Jonathan Präsident wird, dann wird er für uns sorgen / Er ist ein guter Mann, Gott schütze ihn. Wir werden für ihn beten."
"Goodluck Jonathan wäre der Präsident, den wir noch nie hatten. Er versucht, Nigeria zu einem besseren Land zu machen."
"Goodluck Jonathan ist für mich wie ein Bruder. Ich liebe und verehre ihn. Er leistet viel für uns. Wenn die anderen Politiker sich vor der Verantwortung verstecken, dann ist er da - er ist unser Mann!"
Im Nigerdelta ruhen besonders viele Hoffnungen auf Jonathan. Er stammt aus dem Bundesstaat Bayelsa und kennt die Probleme der Region genau. Nirgendwo sonst in Nigeria ist die Lebenserwartung so gering wie im Delta. In vielen Gegenden gibt es weder Arbeit, noch sauberes Wasser oder eine einigermaßen funktionierende Infrastruktur: Der Preis für mehr als vier Jahrzehnte rücksichtlose Ölförderung durch internationale Konzerne.
Die Rebellen der "Bewegung für die Befreiung des Nigerdeltas" (MEND) kämpfen seit langem gegen die Umweltverschmutzung und vor allem für mehr Teilhabe der Bevölkerung an Nigerias Ölreichtum. Sie haben das Nigerdelta zu einer der gefährlichsten Regionen überhaupt gemacht. Sie entführen Mitarbeiter von Ölfirmen und sind für zahlreiche Bombenanschläge verantwortlich - auch für die tödlichen Explosionen während der Unabhängigkeitsfeier mitten in Abuja Anfang Oktober letzten Jahres. Bisher hat Präsident Jonathan zwar ein neues Ölgesetz erarbeiten lassen, das die multinationalen Ölunternehmen mehr in die Verantwortung nimmt. Doch er habe keine echte Lösung für die Krise im Delta gefunden, so Rex Anighoro von der Jugendorganisation Niger-Delta Youth for Empowerment.
"Goodluck Jonathan ist nicht der Messias, auf den alle warten. Er kommt zwar aus dem Delta, aber er hat nichts für uns getan. Er ist mit vielen Vorschusslorbeeren angetreten, aber Frieden hat er uns hier im Delta bisher nicht gebracht, seine Politik verändert die Misere der kritischen Masse nicht. Leider halten wir Tag für Tag weniger von ihm - also, ich bin nicht gerade sein größter Fan. "
Der Frust ist nachvollziehbar - das Land steckt in einem tiefen Sumpf der Korruption. Trotz hoher Erdöleinnahmen lebt die Mehrheit der Nigerianer von weniger als zwei Dollar am Tag. Doch das Nigerdelta ist bei weitem nicht der einzige Krisenherd.
Mit Gewalt - so geht in Nigeria das Jahr 2010 zu Ende, so beginnt auch das Jahr 2011, und so geht es weiter - bis zum Wahltag.
Die islamistische Sekte Boko Haram bekennt sich zum weihnachtlichen Massaker von Jos, bei dem 86 Christen sterben - und auch zum Bombenattentat, das in der Silvesternacht die Hauptstadt Abuja erschüttert. Boko Haram heißt zu Deutsch: "Die Moderne Erziehung ist eine Sünde". Die Sekte orientiert sich an den afghanischen Taliban. Und fordert, dass überall in Nigeria die Scharia gelten soll, das islamische Recht. Im Internet schwört Boko Haram Rache für die Gewalt gegenüber Muslimen, vor allem im so genanntem Middle Belt - der Region um Bundesstaaten wie Plateau und Kaduna. Hier verläuft die Trennlinie zwischen Nigerias christlich geprägtem Süden und dem muslimischen Norden. Der katholische Erzbischof der Stadt Jos erkennt in den Anschlägen religiöse Motive. Für Harouna Yerima, Professor aus der Sektenhochburg Maiduguri, ist die Radikalisierung des Islam vielmehr ein Offenbarungseid für die Politik.
"Die Armut hat sich tief in die Gesellschaft hineingefressen. Viele Menschen haben keine Arbeit, können weder lesen, noch schreiben, und die Korruption ist einfach atemberaubend. Insgesamt ist die Lage so schlimm, dass es mich nicht wundert, dass solche Gruppen wie Boko Haram entstehen und Zulauf haben."
Das Elend der Menschen spielt den Radikalen in die Hände - und nicht nur ihnen. Auch Lokalpolitiker, Funktionäre, geistige Brandstifter profitieren von der Gewalt. Ihnen geht es nicht um Gott, sondern um Geld, Einfluss und Ressourcen. Nigerias Kampf um die Macht wird nicht nur an der Urne ausgetragen - sondern vor allem auf dem Rücken der Religion. Samuel Goro vom Zentrum für Friedensarbeit (CEPAN) in Jos:
"Wir haben Angst und fragen uns, ob wir eine friedliche Wahl haben werden - Jos ist so dermaßen anfällig für Gewalt. Wir können nicht sicher sein, ob die Politiker endlich aufhören, die Jugendlichen anzustacheln. Ob die religiösen Führer auch Frieden meinen, wenn sie davon predigen - oder ob sie eigentlich insgeheim etwas anderes vorhaben."
Mehr als 10.000 Polizisten zusätzlich hat die Regierung für die Wahlen allein nach Jos geschickt - im ganzen Land sollen mehr als 240.000 Polizisten für Sicherheit sorgen - die Wähler vor Bombenanschlägen schützen: Das klingt viel, doch im riesigen Nigeria sind das nur zwei Sicherheitskräfte pro Wahlstation. Schon vor der Parlamentswahl am letzten Wochenende hatte es bei Explosionen vor Wahlbüros insgesamt mehr als 20 Tote gegeben. Für die Präsidentschaftswahl am Samstag gilt deshalb höchste Alarmstufe. Aloyz Peterle, Chef der 120 Mann starken EU-Wahlbeobachtermission:
"Ich wünsche mir, dass alle Beteiligten ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie müssen dazu beitragen, dass es friedlich bleibt, damit das Vertrauen in den demokratischen Prozess gestärkt werden kann. Wenn sich alle daran halten, wird diese Wahl gut ablaufen."
Selbst wenn diese Wahl gut abläuft: In Nigeria steht der neue Staatslenker vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Massive Armut, Korruption auf allen Ebenen, der erbitterte Kampf ums Öl, die Radikalisierung von islamischen Sekten, die brutale Gewalt zwischen Christen und Moslems: Nach 50 Jahren steht Nigeria als fast unmögliches Experiment da, als Koloss auf tönernen Füßen, als Objekt gefährlicher Fliehkräfte, die das Land auseinanderreißen. Für Klaus Pähler, Landesdirektor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abuja, ist der tragische griechische Held Sisyphus daher ohne Zweifel Nigerianer:
"Es ist eine Sisyphusarbeit, dieses Land voranzubringen - aber ich glaube auch: Der Stein muss nicht immer wieder runterrollen. Das sehen wir jetzt bei diesen Wahlen. Was man von der ersten Runde sagen kann, ist, dass sie schon besser gelaufen sind als das, was wir bisher gesehen haben. Vielleicht ist ein Teil dieses Sisyphusarbeit schon getan, und Goodluck Jonathan hatte sich das ja auf die Fahnen geschrieben, eine ehrliche und faire Wahl zu organisieren. Also, das ist schon mal ein Zeichen, das für ihn spricht."
Doch es bleibt die Frage, was ein Politiker in einem so komplizierten Land ausrichten kann. Und selbst wenn Nigerias Sisyphus den Stein nach oben gerollt hat - er muss ihn oben halten. Das hat vor ihm in Nigeria noch keiner geschafft.
Goodluck Jonathan, der Staatschef Nigerias, beim Besuch einer Fotoausstellung in der Hauptstadt Abuja. Das Thema ist er selbst: Die Schau "The People's President" zeigt ihn in seiner Lieblingsrolle - als volksnahen, vertrauenswürdigen Präsidenten, als Versöhner, der im Wahlkampf durch alle 36 Bundesstaaten getourt ist. Jonathan hofft, dass er seinem Vornamen "Goodluck" wieder alle Ehre macht. Bisher war er mühelos die Karriereleiter hinaufgestiegen, war 2010 dem verstorbenen Präsidenten Yar'Adua nachgefolgt. Nun muss sich Jonathan, der Christ aus dem ölreichen Nigerdelta, zum ersten Mal einer Wahl stellen. Sein stärkster Rivale ist Muhammadu Buhari, ein Moslem aus dem Norden. Doch als Favorit gilt Jonathan, und die Erwartungen an ihn sind gewaltig:
"Wir haben nicht genug Wasser, wir haben schlechte Straßen - aber wenn Jonathan Präsident wird, dann wird er für uns sorgen / Er ist ein guter Mann, Gott schütze ihn. Wir werden für ihn beten."
"Goodluck Jonathan wäre der Präsident, den wir noch nie hatten. Er versucht, Nigeria zu einem besseren Land zu machen."
"Goodluck Jonathan ist für mich wie ein Bruder. Ich liebe und verehre ihn. Er leistet viel für uns. Wenn die anderen Politiker sich vor der Verantwortung verstecken, dann ist er da - er ist unser Mann!"
Im Nigerdelta ruhen besonders viele Hoffnungen auf Jonathan. Er stammt aus dem Bundesstaat Bayelsa und kennt die Probleme der Region genau. Nirgendwo sonst in Nigeria ist die Lebenserwartung so gering wie im Delta. In vielen Gegenden gibt es weder Arbeit, noch sauberes Wasser oder eine einigermaßen funktionierende Infrastruktur: Der Preis für mehr als vier Jahrzehnte rücksichtlose Ölförderung durch internationale Konzerne.
Die Rebellen der "Bewegung für die Befreiung des Nigerdeltas" (MEND) kämpfen seit langem gegen die Umweltverschmutzung und vor allem für mehr Teilhabe der Bevölkerung an Nigerias Ölreichtum. Sie haben das Nigerdelta zu einer der gefährlichsten Regionen überhaupt gemacht. Sie entführen Mitarbeiter von Ölfirmen und sind für zahlreiche Bombenanschläge verantwortlich - auch für die tödlichen Explosionen während der Unabhängigkeitsfeier mitten in Abuja Anfang Oktober letzten Jahres. Bisher hat Präsident Jonathan zwar ein neues Ölgesetz erarbeiten lassen, das die multinationalen Ölunternehmen mehr in die Verantwortung nimmt. Doch er habe keine echte Lösung für die Krise im Delta gefunden, so Rex Anighoro von der Jugendorganisation Niger-Delta Youth for Empowerment.
"Goodluck Jonathan ist nicht der Messias, auf den alle warten. Er kommt zwar aus dem Delta, aber er hat nichts für uns getan. Er ist mit vielen Vorschusslorbeeren angetreten, aber Frieden hat er uns hier im Delta bisher nicht gebracht, seine Politik verändert die Misere der kritischen Masse nicht. Leider halten wir Tag für Tag weniger von ihm - also, ich bin nicht gerade sein größter Fan. "
Der Frust ist nachvollziehbar - das Land steckt in einem tiefen Sumpf der Korruption. Trotz hoher Erdöleinnahmen lebt die Mehrheit der Nigerianer von weniger als zwei Dollar am Tag. Doch das Nigerdelta ist bei weitem nicht der einzige Krisenherd.
Mit Gewalt - so geht in Nigeria das Jahr 2010 zu Ende, so beginnt auch das Jahr 2011, und so geht es weiter - bis zum Wahltag.
Die islamistische Sekte Boko Haram bekennt sich zum weihnachtlichen Massaker von Jos, bei dem 86 Christen sterben - und auch zum Bombenattentat, das in der Silvesternacht die Hauptstadt Abuja erschüttert. Boko Haram heißt zu Deutsch: "Die Moderne Erziehung ist eine Sünde". Die Sekte orientiert sich an den afghanischen Taliban. Und fordert, dass überall in Nigeria die Scharia gelten soll, das islamische Recht. Im Internet schwört Boko Haram Rache für die Gewalt gegenüber Muslimen, vor allem im so genanntem Middle Belt - der Region um Bundesstaaten wie Plateau und Kaduna. Hier verläuft die Trennlinie zwischen Nigerias christlich geprägtem Süden und dem muslimischen Norden. Der katholische Erzbischof der Stadt Jos erkennt in den Anschlägen religiöse Motive. Für Harouna Yerima, Professor aus der Sektenhochburg Maiduguri, ist die Radikalisierung des Islam vielmehr ein Offenbarungseid für die Politik.
"Die Armut hat sich tief in die Gesellschaft hineingefressen. Viele Menschen haben keine Arbeit, können weder lesen, noch schreiben, und die Korruption ist einfach atemberaubend. Insgesamt ist die Lage so schlimm, dass es mich nicht wundert, dass solche Gruppen wie Boko Haram entstehen und Zulauf haben."
Das Elend der Menschen spielt den Radikalen in die Hände - und nicht nur ihnen. Auch Lokalpolitiker, Funktionäre, geistige Brandstifter profitieren von der Gewalt. Ihnen geht es nicht um Gott, sondern um Geld, Einfluss und Ressourcen. Nigerias Kampf um die Macht wird nicht nur an der Urne ausgetragen - sondern vor allem auf dem Rücken der Religion. Samuel Goro vom Zentrum für Friedensarbeit (CEPAN) in Jos:
"Wir haben Angst und fragen uns, ob wir eine friedliche Wahl haben werden - Jos ist so dermaßen anfällig für Gewalt. Wir können nicht sicher sein, ob die Politiker endlich aufhören, die Jugendlichen anzustacheln. Ob die religiösen Führer auch Frieden meinen, wenn sie davon predigen - oder ob sie eigentlich insgeheim etwas anderes vorhaben."
Mehr als 10.000 Polizisten zusätzlich hat die Regierung für die Wahlen allein nach Jos geschickt - im ganzen Land sollen mehr als 240.000 Polizisten für Sicherheit sorgen - die Wähler vor Bombenanschlägen schützen: Das klingt viel, doch im riesigen Nigeria sind das nur zwei Sicherheitskräfte pro Wahlstation. Schon vor der Parlamentswahl am letzten Wochenende hatte es bei Explosionen vor Wahlbüros insgesamt mehr als 20 Tote gegeben. Für die Präsidentschaftswahl am Samstag gilt deshalb höchste Alarmstufe. Aloyz Peterle, Chef der 120 Mann starken EU-Wahlbeobachtermission:
"Ich wünsche mir, dass alle Beteiligten ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie müssen dazu beitragen, dass es friedlich bleibt, damit das Vertrauen in den demokratischen Prozess gestärkt werden kann. Wenn sich alle daran halten, wird diese Wahl gut ablaufen."
Selbst wenn diese Wahl gut abläuft: In Nigeria steht der neue Staatslenker vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Massive Armut, Korruption auf allen Ebenen, der erbitterte Kampf ums Öl, die Radikalisierung von islamischen Sekten, die brutale Gewalt zwischen Christen und Moslems: Nach 50 Jahren steht Nigeria als fast unmögliches Experiment da, als Koloss auf tönernen Füßen, als Objekt gefährlicher Fliehkräfte, die das Land auseinanderreißen. Für Klaus Pähler, Landesdirektor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abuja, ist der tragische griechische Held Sisyphus daher ohne Zweifel Nigerianer:
"Es ist eine Sisyphusarbeit, dieses Land voranzubringen - aber ich glaube auch: Der Stein muss nicht immer wieder runterrollen. Das sehen wir jetzt bei diesen Wahlen. Was man von der ersten Runde sagen kann, ist, dass sie schon besser gelaufen sind als das, was wir bisher gesehen haben. Vielleicht ist ein Teil dieses Sisyphusarbeit schon getan, und Goodluck Jonathan hatte sich das ja auf die Fahnen geschrieben, eine ehrliche und faire Wahl zu organisieren. Also, das ist schon mal ein Zeichen, das für ihn spricht."
Doch es bleibt die Frage, was ein Politiker in einem so komplizierten Land ausrichten kann. Und selbst wenn Nigerias Sisyphus den Stein nach oben gerollt hat - er muss ihn oben halten. Das hat vor ihm in Nigeria noch keiner geschafft.