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Skandal
Englands Fußball in der Krise

Der englische Fußballverband sucht nach der Entlassung von Nationaltrainer Sam Allardyce händeringend nach einem Nachfolger. Der sieht sich als Opfer. Die britische Zeitung "Daily Telegraph" kündigt indessen weitere Enthüllungen an, ohne aber Namen zu nennen.

Von Gabi Biesinger |
    Sam Allardyce bei seinem ersten Einsatz als englischer Nationaltrainer beim WM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei.
    Sam Allardyce bei seinem ersten Einsatz als englischer Nationaltrainer beim WM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei. (imago sportfotodienst) (imago sportfotodienst)
    Sam Allardyce zeigte sich am Mittag erstmals nach seinem wenig ehrenvollen Abschied der britischen Presse. Er stand in einem weißen Polohemd vor seinem Haus und erklärte, er wolle jetzt erstmal weg, ins Ausland, um sich zu erholen und darüber nachzudenken, was passiert sei.
    Er sei in eine Falle getappt und habe nur einer Person einen Gefallen tun wollen, die er schon seit 30 Jahre gekannt habe, versuchte sich Allardyce zu rechtfertigen: "Es war dumm von mir, und ich habe die Konsequenzen zu akzeptieren. Aber die Hinterlist hat gesiegt."
    Entlassung nach nur 68 Tagen im Amt
    Nur ein Länderspiel hatte Allardyce geleitet und war gestern entlassen worden, nachdem der "Daily Telegraph" ihn mit einer heimlichen Videoaufnahme bloßgestellt hatte. Die Journalisten hatten sich als Investoren ausgegeben und dem Nationalcoach Tipps entlockt, mit denen sich die offiziellen Transferregeln der FIFA umgehen lassen.
    Heute legte der Telegraph noch einmal nach und schrieb, dass acht aktuelle oder ehemalige Trainer in der Premier-League bei Spielertransfers Bestechungsgelder kassiert hätten, allerdings ohne Namen zu nennen. Die Boulevardmedien und ehemalige englische Spitzenspieler nahmen Allardyce heftig in die Mangel.
    Ex-Nationalmannschaftskapitän Alan Shearer sieht Gier als Ursache der Verfehlungen: "Im Fußball geht es um so viel Geld und alle wollen immer mehr."
    Klinsmann als Nachfolger im Gespräch
    Der englische Fußballverband ist unterdessen fieberhaft auf der Suche nach einem Nachfolger für Allardyce – und das knapp zwei Monate nach dessen Verpflichtung, bei der Allardyce damals schon vielen als zweite Wahl gegolten hatte. Nach dem blamablen EM-Aus gegen Island hatte der langjährige Trainer Roy Hodgson im Juli hingeworfen. Jetzt plötzlich einen Top-Trainer aus dem Hut zu zaubern, dürfte nicht leichter geworden sein.
    Als Kandidatennamen kursieren in den Medien und bei den Buchmachern bereits Trainer-Ikone Arsène Wenger, der diese Woche sein 20-jähriges Jubiläum bei Arsenal feiert, Claudio Ranieri, der Leicester City in der vergangenen Saison überraschend zur Meisterschaft führte und der frühere Bundestrainer Jürgen Klinsmann.