"Die ganze Jahrzehnte war a Rua nach dem Krieg, des ist alles nur aufgschaukelt, es soll doch mal a Frieden sei, doch net immer a Wühlerei."
"Beleidigungen, des ist keine Kunst, da kann ich a Künstler wern, des Arschlecken, bi i a Künstler."
"Man kann das ja heute eigentlich gar nicht mehr glauben, was da los war. Angezettelt von einer Journalistin, tauchten in den Zeitungen Zitate aus dem Stück auf, und daraufhin stand Österreich Kopf. Angefangen vom Bundespräsidenten bis runter zu geradezu massenhaft auftretenden, anonymen Leserbriefschreibern, viele Journalisten, viele Politiker, viele Zuschauer, die empört waren, im Burgtheater selbst die Kollegen, die dagegen waren - das war das Hauptthema der Abendnachrichten im Fernsehen."
Einen solchen Proteststurm hatte Chefdramaturg Hermann Beil noch nicht erlebt. Schon Wochen vor der Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" erregt sich das mächtige Boulevardblatt "Neue Kronen Zeitung": "Österreich - sechseinhalb Millionen Debile". Der gerade wegen seiner Kriegsvergangenheit ins Visier geratene Bundespräsident Kurt Waldheim spricht von einer "groben Beleidigung des österreichischen Volkes" und der aufstrebende Rechtspopulist Jörg Haider will Intendant Claus Peymann sofort verjagen. Am 4. November 1988, dem Tag der Premiere, droht ein Eklat, Hermann Beil:
"Vor dem Burgtheater versammeln sich die Demonstranten. Flugblätter werden verteilt und Transparente geschwungen. Vor der Burg wird ein Misthaufen abgeladen. Im Foyer stehen Menschen, deren auffälliges Gehabe vermuten läßt, sie seien zum ersten Mal im Theater. Allgemeines Randalieren scheint angesagt."
Das Stück – geschrieben zur Hundertjahrfeier des Burgtheaterdomizils am Ring – ist eine scharfe Abrechnung mit den reaktionären, antisemitischen Tendenzen der österreichischen Gesellschaft und ein bitterböser Kommentar zum 50. Jahrestag des "Anschlusses" an das Deutsche Reich.
Aus dem Stück: "Die Regierungen hängen ja vollkommen von Industrie und Kirche ab! Die Industrie und der Klerus sind die Drahtzieher des österreichischen Übels. Mich wundert ja, daß nicht das ganze österreichische Volk längst Selbstmord gemacht hat. Sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige!"
Der Schauplatz: eine Wohnung mit Blick auf den Heldenplatz, wo Hitler am 15. März 1938 Österreich unter Jubelrufen "heim ins Reich" holte. Der jüdische Mathematikprofessor Josef Schuster hat sich – genau 50 Jahre später – aus dem Fenster in den Tod gestürzt. Nach dem Begräbnis lassen die Hinterbliebenen sein Leben Revue passieren: von den Nazis verjagt, ist er nach Oxford emigriert und später nach Wien zurückgekehrt. Doch das gegenwärtige Österreich erschien ihm unerträglich. Seine Frau glaubt noch immer, das Geschrei der Massen vom Heldenplatz zu hören, und sein verbitterter Bruder, gespielt von Wolfgang Gasser, klagt zornig an:
"In diesem fürchterlichsten aller Staaten haben Sie ja nur die Wahl zwischen roten und schwarzen Schweinen. Ein unerträglicher Gestank breitet sich aus von der Hofburg und vom Ballhausplatz und vom Parlament über dieses ganze verluderte und verkommene Land. Dieser kleine Staat ist ein großer Misthaufen."
Am Ende hat Regisseur Claus Peymann einen beispiellosen Erfolg verbuchen können. Eine dreiviertel Stunde währt der Applaus und begräbt das Pfeifkonzert der Pöbeltruppen bald unter sich. Thomas Bernhard zeigt sich – bereits todkrank – ein letztes Mal auf der Bühne. Einhundertzwanzig Mal wird diese Inszenierung noch gespielt werden. Für Peymann war ein gesellschaftlicher Nerv getroffen:
"Dass diese wahnwitzige Feindschaft und dieser Hass mit dem Sieg des Theaters endet, dass dieses Österreich nach der "Heldenplatz"-Premiere verändert war, das ist wirklich, das war so bis heute die große Lüge, dass Österreich ein Opfer des Faschismus gewesen ist, die konnte niemand mehr begehen, sondern alle wussten, die Österreicher waren Täter wie die Deutschen, sie sind die Antisemiten gewesen, sie sind die Nazis gewesen, das hat diese Aufführung tatsächlich ausgelöst."
Der größte Theaterskandal in der Geschichte der Zweiten Republik: eine "Weltkomödie", in der Österreich sich auf groteske Weise selbst inszenierte. Im besten Bernhard‘schen Sinn.
"Beleidigungen, des ist keine Kunst, da kann ich a Künstler wern, des Arschlecken, bi i a Künstler."
"Man kann das ja heute eigentlich gar nicht mehr glauben, was da los war. Angezettelt von einer Journalistin, tauchten in den Zeitungen Zitate aus dem Stück auf, und daraufhin stand Österreich Kopf. Angefangen vom Bundespräsidenten bis runter zu geradezu massenhaft auftretenden, anonymen Leserbriefschreibern, viele Journalisten, viele Politiker, viele Zuschauer, die empört waren, im Burgtheater selbst die Kollegen, die dagegen waren - das war das Hauptthema der Abendnachrichten im Fernsehen."
Einen solchen Proteststurm hatte Chefdramaturg Hermann Beil noch nicht erlebt. Schon Wochen vor der Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" erregt sich das mächtige Boulevardblatt "Neue Kronen Zeitung": "Österreich - sechseinhalb Millionen Debile". Der gerade wegen seiner Kriegsvergangenheit ins Visier geratene Bundespräsident Kurt Waldheim spricht von einer "groben Beleidigung des österreichischen Volkes" und der aufstrebende Rechtspopulist Jörg Haider will Intendant Claus Peymann sofort verjagen. Am 4. November 1988, dem Tag der Premiere, droht ein Eklat, Hermann Beil:
"Vor dem Burgtheater versammeln sich die Demonstranten. Flugblätter werden verteilt und Transparente geschwungen. Vor der Burg wird ein Misthaufen abgeladen. Im Foyer stehen Menschen, deren auffälliges Gehabe vermuten läßt, sie seien zum ersten Mal im Theater. Allgemeines Randalieren scheint angesagt."
Das Stück – geschrieben zur Hundertjahrfeier des Burgtheaterdomizils am Ring – ist eine scharfe Abrechnung mit den reaktionären, antisemitischen Tendenzen der österreichischen Gesellschaft und ein bitterböser Kommentar zum 50. Jahrestag des "Anschlusses" an das Deutsche Reich.
Aus dem Stück: "Die Regierungen hängen ja vollkommen von Industrie und Kirche ab! Die Industrie und der Klerus sind die Drahtzieher des österreichischen Übels. Mich wundert ja, daß nicht das ganze österreichische Volk längst Selbstmord gemacht hat. Sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige!"
Der Schauplatz: eine Wohnung mit Blick auf den Heldenplatz, wo Hitler am 15. März 1938 Österreich unter Jubelrufen "heim ins Reich" holte. Der jüdische Mathematikprofessor Josef Schuster hat sich – genau 50 Jahre später – aus dem Fenster in den Tod gestürzt. Nach dem Begräbnis lassen die Hinterbliebenen sein Leben Revue passieren: von den Nazis verjagt, ist er nach Oxford emigriert und später nach Wien zurückgekehrt. Doch das gegenwärtige Österreich erschien ihm unerträglich. Seine Frau glaubt noch immer, das Geschrei der Massen vom Heldenplatz zu hören, und sein verbitterter Bruder, gespielt von Wolfgang Gasser, klagt zornig an:
"In diesem fürchterlichsten aller Staaten haben Sie ja nur die Wahl zwischen roten und schwarzen Schweinen. Ein unerträglicher Gestank breitet sich aus von der Hofburg und vom Ballhausplatz und vom Parlament über dieses ganze verluderte und verkommene Land. Dieser kleine Staat ist ein großer Misthaufen."
Am Ende hat Regisseur Claus Peymann einen beispiellosen Erfolg verbuchen können. Eine dreiviertel Stunde währt der Applaus und begräbt das Pfeifkonzert der Pöbeltruppen bald unter sich. Thomas Bernhard zeigt sich – bereits todkrank – ein letztes Mal auf der Bühne. Einhundertzwanzig Mal wird diese Inszenierung noch gespielt werden. Für Peymann war ein gesellschaftlicher Nerv getroffen:
"Dass diese wahnwitzige Feindschaft und dieser Hass mit dem Sieg des Theaters endet, dass dieses Österreich nach der "Heldenplatz"-Premiere verändert war, das ist wirklich, das war so bis heute die große Lüge, dass Österreich ein Opfer des Faschismus gewesen ist, die konnte niemand mehr begehen, sondern alle wussten, die Österreicher waren Täter wie die Deutschen, sie sind die Antisemiten gewesen, sie sind die Nazis gewesen, das hat diese Aufführung tatsächlich ausgelöst."
Der größte Theaterskandal in der Geschichte der Zweiten Republik: eine "Weltkomödie", in der Österreich sich auf groteske Weise selbst inszenierte. Im besten Bernhard‘schen Sinn.