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Skandinavien, neben Schule auch ein Vorbild für die Hochschule?

Nach dem guten Abschneiden beim Pisa-Test wurden die skandinavischen Länder für Bildungstouristen attraktiv. Eine Gruppe von Hochschulspezialisten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bereiste nun Dänemark, Schweden und Norwegen auf der Suche nach Nachahmenswertem.

    Sind die skandinavischen Hochschulen besser, erfolgreicher als die deutschen?

    Nein, die schwedischen Studentinnen und Studenten können nicht mit ähnlich hervorragenden Leistungen aufwarten wie die schwedischen Schüler beim Pisa-Test. Welche Studenten denn nun besser sind, darüber weiß man eigentlich nichts richtiges, denn einen Pisa-Test für Studierende gibt es noch nicht. Aber in Schweden studieren über 40 Prozent aller jungen Leute, und alle Parteien sind sich einig, dass mindestens die Hälfte jedes Altersjahrgangs an einer Hochschule lernen soll. In Dänemark und Norwegen ist der Anteil der Studenten ähnlich hoch, während in Deutschland bisher keine 30 Prozent eines Jahrgangs studieren. In all diesen Ländern gibt es großzügige Stipendien. Studiengebühren sind dagegen kein Thema, im Gegenteil: der norwegische Staat bezahlt seinen Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie in Australien, Großbritannien oder den USA studieren, sogar noch die dort anfallenden, oft beträchtlichen Gebühren. Mit der Folge, dass fast 20 Prozent der jungen Norweger im Ausland studieren. Das kleine Land gibt acht Prozent seines Bruttosozialprodukts für Bildung aus, in Deutschland ist es, gut gerechnet, die Hälfte.

    Weder in Schweden noch in den anderen skandinavischen Ländern gibt es die verbissene Studienzeit-Diskussion wie bei uns. Die Befristung der Stipendien auf 12 Semester, ein enger geführtes Studium mit ausführlicher Beratung und ein Punktesystem bewirken, dass die meisten innerhalb der 12 Semester ihr Studium abschließen. Und das, obwohl viele Studierenden hier, trotz großzügiger Stipendien, weniger als 25 Stunden in der Woche studieren. Das hat Lennart Stohle, der Direkter des Högskoleverket, der schwedischen Hochschulagentur, festgestellt. Sein Institut hat Meinungen und Verhaltensweisen der Studierenden in einem Studentenspiegel erfasst.

    Das Hauptresultat ist, dass die Studenten erleben, dass man nicht Vollzeit studiert, dass sie sagen, es ist nicht eine Vollzeitausbildung, es ist Teilzeit. Und wenn man nachfragt, mehr Übungen im kritischen Denken, mehr Gespräche zwischen Lehrern und Studenten, in vielen Ausbildungen ist es eine Einwegkommunikation, nicht eine Zweiwegkommunikation, wie es eine ideale akademische Ausbildung sein soll.

    Unzufriedenheit also mit der Ausbildung, obwohl sich hier viel mehr Wissenschaftler um die Studenten kümmern als bei uns . An deutschen Hochschulen gibt es neben den Professoren eigentlich nur Mitarbeiter auf befristeten Stellen. So mancher hangelt sich von einem unsicheren Arbeitsverhältnis zum nächsten, bis er über 40 Jahre alt ist und plötzlich vor dem Nichts steht. In den skandinavischen Ländern gibt es neben den Professoren Lektoren und Assistenten, die für die Lehre verantwortlich sind. Anders als bei uns sind sie dauerhaft beschäftigt. Das erscheint den Gewerkschaftern aus der Bundesrepublik besonders nachahmenswert. Gerd Köhler vom Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft:

    Ich denke, dass hier das Prinzip gilt, dass Kontinuität eine wesentliche Voraussetzung für Qualität ist und wenn wir mit diesen Argumenten zuhause etwas bewegen könnten wäre das ganz gut.

    Den Einwand, dass dadurch Stellen auf Dauer blockiert werden, die doch für die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern gebraucht würden, kann Göran Blomquist, der Generalsekretär der schwedischen Hochschullehrergewerkschaft SULF nicht verstehen:

    Also ich glaube nicht, dass schwedische Studenten zufrieden sein werden mit Llehrern, die nur einige Studenten unterrichten. Die wollen richtige Lehrer mit pädagogischer Ausbildung haben. Autor:

    Fast 70 Prozent der Doktoranden in Schweden bekommen eine Anstellung an ihrem Institut. Sie müssen sich um ihre materielle Existenz keine Sorgen machen. Göran Blomquist:

    Die müssen eine Anstellung haben oder ein Doktorandenstipendium. Die Finanzierung muss fertig sein im Anfang. Wenn man einen neuen Doktoranden annimmt muss die Finanzierung fertig sein für vier Jahre.

    Strukturveränderungen, die bei uns noch bevorstehen, wurden zum Beispiel in Dänemark schon vollzogen – und lösten keine Begeisterung aus. Zum Beispiel, dass die Hochschulleitung von einem Kuratorium mit externen, von der Regierung berufenen Mitgliedern kontrolliert wird:

    Der Rektor wurde seit 523 Jahren gewählt, der Rektor der Uni hat immer die Universität geleitet und der König hat Dänemark geführt, und selbst im tiefsten Absolutismus war das getrennt. Da sehen wir jetzt Gefahr.

    meint John Andersen, früherer Prorektor und nunmehr Leiter der internationalen Abteilung der Kopenhagener Universität.

    In Dänemark wurde schon vor neun Jahren der Bachelor als erster Studienabschluss eingeführt – obligatorisch für alle Studienfächer. Doch in Dänemark geht bisher kaum jemand wirklich mit dem Bachelor-Grad ab. John Andersen:

    Es wurde nur ganz mäßig Umwandlung im Studiengang gemacht und deshalb verlassen nur wenige die Unis mit einem Bachelor, und ich glaube auch in der Gesellschaft wird das nicht anerkannt, als Bachelor wird man nicht eingestellt.

    Die Arbeitgeber wissen immer noch nicht, was sie mit einem Bachelor anfangen sollen. Hier rät Andersen zur Vorsicht. Er möchte lieber die alte akademische Kultur seiner Hochschule in die europäische Hochschullandschaft hinüber retten:

    Ich glaube hier gibt es eine Engagements- und Begeisterungskultur, und das ist die eigentliche Führung, diese Beteiligung von Studenten und Angestellten und das war eigentlich nicht schlecht.

    Mit dieser Reise wollte die GEW sich auf die Berlin-Konferenz im September nächsten Jahres vorbereiten. Dort werden sich die Wissenschaftsminister aus rund dreißig europäischen Länden über die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraumes verständigen, den sogenannten Bologna-Prozess. Die GEW will dabei die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen und die Gestaltung des Doktorandenstatus auf die Tagesordnung setzen.

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