"Über uns irrlichtert eine unendliche Menge von Sternen. Unter unserer Fußsohle spaziert indes ein kleiner Käfer, der zum Überfluss in seinem Bauch noch irgendwelche Parasiten trägt. Und erst zwischen jenem Punkt oben und diesem Punkt unten lässt sich über menschliche Angelegenheiten sprechen. Es geht um die Betrachtung des Menschen in dem, was uns umgibt – ob groß oder klein. Hier irgendwo müssen wir die menschlichen Proportionen herausfischen."
So beschrieb Wislawa Szymborska – hier in einem ihrer seltenen Interviews 1974 – eine Grundform ihrer Lyrik: die Ironie. Gemeint ist nicht ein Tonfall bürgerlicher Erhabenheit à la Thomas Mann, sondern der Wille und die Fähigkeit, alles, was uns selbstverständlich erscheint, in Frage zustellen. Szymborskas Gedichte sind – im Sinne von Sokrates – ein lobender Ausdruck des Zweifels, der Skepsis. Szymborska hatte sich im Laufe ihres Lebens angewöhnt, sehr genau hinzuschauen – und sich stets auch darüber zu wundern, was sie erblickte. Eine alltägliche, geradezu banale Einsicht leitet ihre Texte oft ein. Erst allmählich bekommt der Leser eine Ahnung von der philosophischen Spannweite der einfachen Gedanken. Ist Krieg ein unumstößliches Naturgesetz? Und wie werden die Menschen das dabei Erlebte anerkennen, verdrängen oder einordnen? In dem Text "Anfang und Ende" von 1993 heißt es:
Nach jedem Krieg
muss jemand aufräumen
So eine Ordnung danach
macht sich schließlich nicht von selbst.
Wislawa Szymborska wurde zwischen zwei Weltkriegen geboren. Sie kam 1923 als Tochter eines Gutsverwalters in der Nähe von Posen zur Welt. Anfang der dreißiger Jahre ließ sich die Familie in Krakau nieder. In der alten polnischen Königsstadt, der sie bis zum Ende ihres Lebens treu blieb, besuchte Szymborska unter deutscher Besatzung ein polnisches Gymnasium im Untergrund und arbeitete dann bei der Eisenbahn. Nach Kriegsende studierte sie erst Polonistik, dann Soziologie – ohne Abschluss. Beeindruckt von den Werken ihres Landsmanns, des späteren Nobelpreisträgers Czeslaw Milosz, fand sie den Weg zur Literatur. Ihr erster Gedichtband 1949 blieb indes unveröffentlicht. Zwei der folgenden verpflichteten sich dem Geist des Stalinismus und waren der Dichterin später unangenehm.
Kritik oder eben Skepsis, diese Eigenschaften prägten die Sprache Szymborskas seit den späten 50er-Jahren. Damals bekam sie Kontakt zu den in Paris beheimateten Kreisen des antikommunistischen, aber liberalen polnischen Exils um die Zeitschrift "Kultura". Von dem neuen Geist waren Bände wie "Anrufung des Yeti", "Salz" oder "Hundert Freuden" durchdrungen. Sie trafen bald das Lob der Kritik, wurden mit Preisen bedacht und machten die Autorin nicht nur in Polen, sondern auch international bekannt. Szymborskas zunehmend unüberbrückbare Distanz zum kommunistischen System wurde durch ihren Parteiaustritt 1966 unwiderruflich.
Wisalwa Szymborska trat auch als Essayistin, Literaturkritikerin und Buchillustratorin hervor. Den Kern ihres einmaligen Werks bildet aber ein Dutzend schmaler Lyrikbände. Die Dichterin, im Umgang mit der Öffentlichkeit scheu, war ebenso vorsichtig, sogar zögerlich, wenn es um die Veröffentlichung ihrer Texte ging. Nachdem sie 1996 den Literaturnobelpreis erhalten hatte, publizierte sie sogar einige Jahre nichts. Wer neugierig nachfragte, erhielt – erzählt man sich – die Antwort: Ich besitze schließlich einen Papierkorb. Ein Gedicht, das Wislawa Szymborska aus der Hand gab, musste ihren allerhöchsten Ansprüchen genügen. Zumeist klassisch einfach in der Wahl der Worte, plaudernd naiv und zugleich tief durchdacht sowie hoffnungslos existenziell, so wie hier in "Nichts zwei Mal" (Erstveröffentlichung 1957):
Nichts passiert ein zweites Mal
und niemals. Deswegen
kommen wir ohne Praxis auf die Welt und
gehen ohne Übung aus dem Leben.
So beschrieb Wislawa Szymborska – hier in einem ihrer seltenen Interviews 1974 – eine Grundform ihrer Lyrik: die Ironie. Gemeint ist nicht ein Tonfall bürgerlicher Erhabenheit à la Thomas Mann, sondern der Wille und die Fähigkeit, alles, was uns selbstverständlich erscheint, in Frage zustellen. Szymborskas Gedichte sind – im Sinne von Sokrates – ein lobender Ausdruck des Zweifels, der Skepsis. Szymborska hatte sich im Laufe ihres Lebens angewöhnt, sehr genau hinzuschauen – und sich stets auch darüber zu wundern, was sie erblickte. Eine alltägliche, geradezu banale Einsicht leitet ihre Texte oft ein. Erst allmählich bekommt der Leser eine Ahnung von der philosophischen Spannweite der einfachen Gedanken. Ist Krieg ein unumstößliches Naturgesetz? Und wie werden die Menschen das dabei Erlebte anerkennen, verdrängen oder einordnen? In dem Text "Anfang und Ende" von 1993 heißt es:
Nach jedem Krieg
muss jemand aufräumen
So eine Ordnung danach
macht sich schließlich nicht von selbst.
Wislawa Szymborska wurde zwischen zwei Weltkriegen geboren. Sie kam 1923 als Tochter eines Gutsverwalters in der Nähe von Posen zur Welt. Anfang der dreißiger Jahre ließ sich die Familie in Krakau nieder. In der alten polnischen Königsstadt, der sie bis zum Ende ihres Lebens treu blieb, besuchte Szymborska unter deutscher Besatzung ein polnisches Gymnasium im Untergrund und arbeitete dann bei der Eisenbahn. Nach Kriegsende studierte sie erst Polonistik, dann Soziologie – ohne Abschluss. Beeindruckt von den Werken ihres Landsmanns, des späteren Nobelpreisträgers Czeslaw Milosz, fand sie den Weg zur Literatur. Ihr erster Gedichtband 1949 blieb indes unveröffentlicht. Zwei der folgenden verpflichteten sich dem Geist des Stalinismus und waren der Dichterin später unangenehm.
Kritik oder eben Skepsis, diese Eigenschaften prägten die Sprache Szymborskas seit den späten 50er-Jahren. Damals bekam sie Kontakt zu den in Paris beheimateten Kreisen des antikommunistischen, aber liberalen polnischen Exils um die Zeitschrift "Kultura". Von dem neuen Geist waren Bände wie "Anrufung des Yeti", "Salz" oder "Hundert Freuden" durchdrungen. Sie trafen bald das Lob der Kritik, wurden mit Preisen bedacht und machten die Autorin nicht nur in Polen, sondern auch international bekannt. Szymborskas zunehmend unüberbrückbare Distanz zum kommunistischen System wurde durch ihren Parteiaustritt 1966 unwiderruflich.
Wisalwa Szymborska trat auch als Essayistin, Literaturkritikerin und Buchillustratorin hervor. Den Kern ihres einmaligen Werks bildet aber ein Dutzend schmaler Lyrikbände. Die Dichterin, im Umgang mit der Öffentlichkeit scheu, war ebenso vorsichtig, sogar zögerlich, wenn es um die Veröffentlichung ihrer Texte ging. Nachdem sie 1996 den Literaturnobelpreis erhalten hatte, publizierte sie sogar einige Jahre nichts. Wer neugierig nachfragte, erhielt – erzählt man sich – die Antwort: Ich besitze schließlich einen Papierkorb. Ein Gedicht, das Wislawa Szymborska aus der Hand gab, musste ihren allerhöchsten Ansprüchen genügen. Zumeist klassisch einfach in der Wahl der Worte, plaudernd naiv und zugleich tief durchdacht sowie hoffnungslos existenziell, so wie hier in "Nichts zwei Mal" (Erstveröffentlichung 1957):
Nichts passiert ein zweites Mal
und niemals. Deswegen
kommen wir ohne Praxis auf die Welt und
gehen ohne Übung aus dem Leben.