Seit dieser Saison stehen die Skitechnikerinnen und -techniker in den Weltcups vor neuen Herausforderungen: Seit Saisonbeginn sind in allen Skisportarten und im Biathlon Fluorwachse für die Skier in den Weltcup-Rennen verboten.
Denn Fluor ist umweltschädlich und krebserregend. Es kann in der Umwelt nicht abgebaut werden und lagert sich immer weiter an. Die EU hat deswegen einige Chemikalien mit Fluor-Atomen bereits verboten. Einige Staaten fordern sogar, die sogenannten PFAS, die per- und polyfluorierten Chemikalien, komplett zu verbannen.
Fluorwachs macht Skier gleitfähiger
Fluor im Skiwachs macht aber auch die Skier schnell, erklärt Sebastian Hopf, Cheftechniker beim Deutschen Skiverband, im ZDF-Interview: "Fluor hat den Vorteil, dass es extrem wasser- und schmutzabweisend ist. Wenn der Ski auf dem Schnee gleitet, wird ein Wasserfilm gebildet, der muss eine optimale Dicke haben. Das bedeutet, ist der zu dick, wird der Ski langsam, weil er sich am Schnee festsaugt. Ist der Wasserfilm zu dünn, gleitet der Ski auch nicht richtig. Und mit dem Fluor konnte man relativ einfach im Vergleich zu jetzt für verschiedene Bedingungen einen gut gleitenden Ski wachsen."
Bisher eine Disqualifikation im Weltcup wegen des Fluorverbots
Gerade wenn der Schnee feucht und dreckig ist, war Fluor wichtig. Jetzt müssen die Skitechniker andere Wege finden.
Denn wird auf den Skiern jetzt noch Fluor gefunden, drohen Strafen: Die norwegische Skirennläuferin Ragnhild Mowinckel ist beim Weltcup-Riesenslalom in Sölden disqualifiziert worden. Das spezielle Infrarot-Messgerät hatte bei ihrem Ski einen Fluorwert weit über dem Grenzwert angezeigt. Ihre Skimarke und der Norwegische Skiverband haben den Vorfall inzwischen aufgeklärt: Die Skier waren mit einem kontaminierten Wachskork vorbereitet worden.
Bei zwei deutschen Biathleten hat das Testgerät erst in dieser Woche angeschlagen: Beim zweitklassigen IBU-Cup in Südtirol wurden die Skier von David Zobel und Simon Kaiser positiv getestet. Da ihre Ersatzskier aber unauffällig waren, durften sie damit starten. Auch in diesem Fall könnte es zu einer Verunreinigung gekommen sein.
Um die Kontrolle einfacher zu machen, wurden beim Biathlon-Event auf Schalke alle Skier mit dem gleichen Wachs und von zwei deutschen Technikern präpariert.
Ein einheitliches Wachs für alle hätte keine Nachteile
Zuschauerinnen und Zuschauern fällt nicht auf, ob die Athleten und Athletinnen mit oder ohne Fluorwachs laufen. Und im Gegensatz zum individuellen Ski muss das Wachs – außer beim Klassischen Stil im Langlauf – auch nicht speziell auf den Körperbau oder den Laufstil der Athleten angepasst sein. Es könnten alle das gleiche Wachs verwenden.
"Da gibt es keine Nachteile, weil im Prinzip der Ski für den jeweiligen Athleten ja vom Techniker rausgesucht wird, mit dem Athleten zusammen. Und dann wird nur dieser Ski, der vermeintlich für den Athleten am besten passt, gewachst. Deswegen macht es gar keinen Unterschied", weiß Steffen Hoos. Nach seiner aktiven Karriere als Biathlet ist er seit 2002 für die Firmen Toko und Swix, zwei der größten Skiwachshersteller weltweit, als Rennsportmanager beschäftigt.
Gemeinsames Ski-Wachsen beim Langlauf-Weltcup
Die Firma Swix hat auch das erste "common waxing", also das erste gemeinsame Skiwachsen, vor einem Weltcup-Rennen durchgeführt.
Beim Langlaufweltcup in Tallinn im März 2023 präparieren alle Technikteams der verschiedenen Nationen gemeinsam die Skier – und zwar mit demselben, fluorfreien Wachs und nach Anleitung der Firma Swix. Im Rückblick beurteilt Steffen Hoos das Projekt als erfolgreich. Es gab keine Beschwerden von den Athleten und auch sonst keine Schwierigkeiten. Eine Zukunft für das gemeinsame Wachsen im Weltcup sieht er aber nicht:
Steffen Hoos über den Wettstreit der Serviceteams
Das ist ja eigentlich das, was den Thrill so ein bisschen ausmacht, auch den Wettkampfgedanken fördert. So wie die Athleten gegeneinander kämpfen, stehen im Prinzip auch die Servicemannschaften im sportlichen Wettstreit. Das 'common waxing' nimmt da so ein bisschen den Charakter raus. Und ich glaube, dass das im Hochleistungssport speziell, also Weltcup und Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele, dass das keine Zukunft hat.
Komplett verwerfen will der Swix-Rennsportmanager die Idee allerdings auch nicht: "In den unteren Klassen, wie zum Beispiel Juniorenklassen, Kinderrennen und so weiter, kann ich mir das durchaus vorstellen, um einfach die Budgets der Eltern, der Vereine und so weiter zu entlasten."
Bei Materialfragen bleiben kleine Wintersportnationen im Nachteil
Denn obwohl Fluor teuer ist, wird das Verbot die Skipräparation im Weltcup nicht kostengünstiger machen, glaubt Hoos. Im Gegenteil: Erstmal braucht es personelle und finanzielle Ressourcen, um ein neues Skiwachs, einen neuen Belag oder einen neuen Schliff zu entwickeln. Aber diese Kapazitäten hat nicht jede Nation: "Ich hoffe natürlich im Sinne des Sportes, dass die kleinen Nationen das genauso gut hinkriegen wie die großen. Aber ich bin ein bisschen skeptisch."
Durch das Fluorwachs war es allen Nationen, auch den eher kleinen Wintersportnationen, möglich, Skier mit einem gewissen Basis-Niveau herzustellen. Das fällt jetzt weg. Steffen Hoos glaubt deshalb nicht, dass der Sport, was Materialfragen angeht, gerechter werden kann: "Warum soll ich das schön malen, dass es nicht immer, weil der Umweltgedanke jetzt eingehalten wurde, dann auch gerechter zugeht."
Trotzdem wird es auch in der Nordischen Kombination beim Weltcup in Oberstdorf ein gemeinsames Wachsen geben. Eine Premiere in dieser Sportart, die laut DSV-Sportdirektor Horst Hüttel neue Erkenntnisse bringen soll, wie groß die Vorteile im Bereich Skipräparation zwischen den Nationen sind.