Archiv


Skifahren wie zu Opas Zeiten

Vail, Breckenridge, Lake Tahoe, Jackson Hole: Skifahrer kennen die interessantesten Pisten im Westen Amerikas gut. Nun erregt ein kleiner Skiort an der Ostküste immer mehr Aufmerksamkeit: Mad River Glen - ein Paradies für Freunde stundenlanger Abfahrten. Die Pisten verlaufen querfeldein.

Von Kateri Jochum | 24.03.2013
    Schon das Motto von Mad River Glen klingt wie eine Mutprobe. "Ski it if you can” - Fahr’ hier Ski – falls Du es schaffst”. Der kleine Berg in Vermont gilt als schwierigstes Terrain der Ostküste. Hier sind die Top Freestyle-Skifahrer Amerikas groß geworden. Auch der Nachwuchs versucht sich hier: Während ich am Fuß des Berges stehe und hochschaue, springt die 11-jährige Thalia Crowley von einem Felsen, schießt an mir vorbei und fährt Richtung Sessellift, wo sich eine Schlange bereits gebildet hat. Eine lange Schlange, denn anstatt der üblichen Zweier- oder Viererlifte hat der Sessellift bei Mad River Glen nur Platz für je eine Person.

    "Niemand glaubt, dass ein Einzelsessellift gut sein kann, aber ich finde es super, alleine hochzufahren. Andere Skigebiete haben Gondeln oder Vierersessel. Aber wir sind halt einzigartig.”"

    Das Wahrzeichen von Mad River wurde im Jahre 2007 für 1,2 Million Dollar restauriert. Die Bergfahrt dauert 12 Minuten. In der Stille sehe ich, wie unter mir vereinzelte Skifahrer sich in engen Kurven durch Bäume schlängeln. Landschaftsarchitekt Chris Crowley, Vater des kleinen Skihasen Thalia, genießt die Einsamkeit auf der Piste hier seit seiner Kindheit.

    ""Wenn man einen breiten Sessellift hat, muss man breite Pisten schneiden, damit alle abfahren können. Hier sind die Pisten so schön geschnitten, als würde man durch verschiedene Gärten fahren.”"

    Schmale Pisten wie anno dazumal: Ihretwegen wurde Mad River Glen 2012 in das amerikanische Register der historischen Orte aufgenommen. Ich fahre eine kurze Strecke und treffe Eric Friedman, Pressesprecher von Mad River Glen, am Fuße einer der bekanntesten Pisten: "Das Paradies”, nach dem Motto: Wer es hier nicht lebend herunterschafft, hat sich einen Platz im Himmel garantiert.

    ""Es ist die steilste Piste an der Ostküste, die mit einem Lift erreichbar ist. Man fährt über Baumstämme, Steine, Klippen und gefrorene Wasserfälle. Man kann hier 100-mal Skifahren und nie die gleiche Strecke zurücklegen."

    Zurück zur Natur – und nicht nur da, wo sie als Sprungschanze benutzt wird. Anders als die meisten Skigebiete in den USA, benutzt Mad River Glen keinen künstlichen Schnee, sagt Eric Friedman:

    "Wir haben nicht genug Wasser hier, um Schnee zu produzieren. Aber jetzt finden wir es gut so, geradezu ein Glück. Wir planen auf lange Sicht – über Generationen. Wir wollen hier noch in 50, 100 Jahre Skifahren. Solange das Klima mitmacht."

    Doch der Klimawandel macht sich schon bemerkbar. Im letzten Jahr gab es wenig Schneefall – der Berg schrieb rote Zahlen. Dieses Jahr war wieder Schneemangel – trotz großer Schneestürme an der Ostküste blieben hier die Pisten über zwei Ferienwochenenden trocken. Eric Friedman sagt, bleibt der Schnee langfristig aus, können sie dichtmachen:

    "If we don’t have natural snow, we are out of business.”"

    Hört sich dramatisch an – die Inhaber jedoch sehen es erst mal gelassen. Denn seit 1995 gehört der Berg einer Skifahrergenossenschaft – noch so ein Unikum des Ortes. Für 2000 Dollar kann jeder Teilhaber werden. Anstatt nur auf Zahlen zu schauen, hat Mad River Glen dem Klimawandel den Kampf angesagt. Forstwirtschafter Shaw Lawson ist für den nachhaltigen Anbau verantwortlich:

    ""Wir schneiden den Wald nicht zurück, sondern bewirtschaften einen gesunden Mischwald. Auf ehemals breite Pisten mit großen Lichtungen pflanzen wir sogar neue Bäume an."

    Um Besuchern ein besseres Verständnis für die Natur zu vermitteln, gibt Lawson auch Bergführungen auf Schneeschuhen. Bären, Elche, Rotluchse, Kojoten - ihre Spuren finde man im 280 Hektar großen Wald gleich neben den Pisten, sagt Lawson:

    "Man nimmt den Berg anders wahr als auf Skiern. Wenn man sich nicht die Zeit nimmt und anhält, würde man nie bemerken, dass wir uns den Berg mit Bären teilen."

    Doch Friedman und Lawson geben beide zu, dass das Naturprogramm allein den Betrieb nicht wird tragen können. Mehr Skifahrer – und Teilhaber - müssen nachkommen. Solche, die lange Wartezeiten im Kauf nehmen für einsame Abfahrten. Solche, die keine Angst vor Bäumen, Steinen und Eispisten haben. Skifahrer, die nicht nur in breit geschwungenen Kurven die schnelle Talfahrt suchen, sondern die Natur als Abenteuer. Sie hoffen auf mehr Nachwuchs, wie die 11-jährige Thalia Crowley.