"Demokratie ist das Beste, was wir je auf deutschem Boden hatten. Wir sind alle gleich. Es gibt kein Oben und kein Unten. In einer Demokratie kann jeder mitbestimmen: Du, ich, Alkoholiker, Junkies, Neger, Kinderschänder, Leute die zu blöd sind, die Hauptschule zu schaffen. Ihnen ist es egal, was mit unserem Land passiert. Mir ist es nicht egal. Ich liebe mein Land."
An der jungen Frau fallen als erstes das zarte Gesicht, und ihr schmaler Körper auf. In Widerspruch dazu tritt schnell der stiere Blick und die offensiv zur Schau getragenen Tatoos mit altdeutschen Frakturlettern. Gleich zu Anfang sieht man, wie sie spuckt und schreit, tritt und schlägt. Wer ihr gerade in den Weg kommt, wer zu lange Haare oder zu dunkle Haut hat, oder sie zu lange anguckt, der hat schlechte Karten. Marisa, so heißt sie, ist eine Neo-Nazibraut, irgendwo in einem Küstenkaff in Mecklenburg. Ihre Freunde sind Skinheads, und wenn sie sich nicht gerade die Zeit damit vertreibt, Ausländer und Linke zu drangsalieren, dann sitzt sie im Supermarkt ihrer Mutter an der Kasse.
Gleich nach dem Auftakt, lässt uns der Film erfahren, wo sie herkommt. Man sieht sie als Kind mit ihrem Opa am Strand. Sie schleppt einen Rucksack voller Sand auf dem Rücken, während der Großvater sie anfeuert:
"Zähne zusammenbeißen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
Die Zähne beißt sie eigentlich immer zusammen. Bis heute. Das gelobt sei, was hart macht, die klaren Ordnungsmuster aus Befehl und Gehorsam sind eine der wenigen Weisheiten, die noch tragen, in dieser nicht nur von Gott verlassenen Welt.
"Kriegerin", heißt das Debüt von David Falko Wnendt, das jetzt eine beklemmende Aktualität erhalten hat. Wnendt hat sich in den Neonazi-Komplex, insbesondere in das Thema weibliche Neonazis, gut eingearbeitet, um seinen Stoff so authentisch wie möglich zu gestalten. Am Beispiel seiner Hauptfigur und eines zweiten Mädchens, Svenja, die aus "besseren", aber genauso kaputten Kreisen kommt, skizziert der Regisseur so etwas wie die Sozialpsychologie des Neonazismus. Es ist keine geschlossene Darstellung, eher sind es ein paar Schneisen im Gestrüpp und viele Impressionen.
Man hat den Eindruck, dass einem Jugendlichen in manchen Gebieten Ostdeutschlands gar nichts anderes übrig bleibt, als Neonazi zu werden, wenn er kein Außenseiter sein möchte; man sieht, wie bei den Mädchen Schwäche in Aggression umgemünzt wird, Neid auf vermeintlich "heile" Verhältnisse in Hass auf sie. Auch der sexuelle Subtext des Faschismus, die Verknüpfung von Sex und Gewalt, wird zumindest angedeutet. Man hört demagogische Argumentationen und Nazi-Rocksongs wie diesen:
"Kriegerin" ist am stärksten in dieser Schilderung des Milieus, eines braunen Rands, der Schnittmengen bis hin zur Mitte aufweist, und zugleich ein echter Sumpf ist, eine Subkultur der Unterschichten und Verlierer. Der Film zeigt Menschen, die ein spießiges Kleinbürgerdasein führen, Ordnung, Anstand und Sicherheit verklären, und zugleich allen, die anders denken Chaos, Brutalität und Angst bringen.
Ein Problem liegt woanders, in jenem Bereich, der in Drehbuchschulen "Motivation" genannt wird. Diese hat in deutschen Filmen nämlich unbedingt persönlich zu sein, jedenfalls bei Hauptfiguren, und darum sind Politik und Moral oder gar Ästhetik nie zureichende Motivationen für die Handlung von Figuren. So ist jeder deutsche Film im Kern ein Melodram. Was als soziologisch fundierter Film beginnt, wird ohne Not emotionalisiert und psychologisiert: Marisa hat Ärger mit der Mutter, Svenja mit dem Vater, offenbar wird man ohne so etwas nicht zum Neonazi. Ein anderer Vater ist Marxist, ein dritter Sadist; den Gedanken - dass auch Kinder "normaler" Eltern zu Extremisten werden können, lässt der Film nicht zu. Das wäre wohl zu beunruhigend.
Und auch Marisas Großvater ist vor allem ein "Motivationsträger". Weil der vergötterte Opa ein schlimmer Nazi war, der Marisa schon als Kind zur "Kriegerin" stählte und ihr einimpfte, sie solle nicht alles glauben, was über die Nazi-Zeit erzählt wird, hatte das Mädchen offenbar keine Wahl.
An solch' übermäßiger Psychologisierung kranken viele deutsche Drehbücher. Besonders in diesem Fall drängt sich der Verdacht auf, hier habe ein Regisseur oder die TV-Redaktion der eigenen Courage nicht getraut, eine dauerhaft nicht-sympathisch agierende Protagonistin ins Zentrum zu stellen. Von solchen Kurzschlüssen und Mängeln abgesehen, ist Wnendt trotzdem ein technisch sehr guter und interessanter Film geglückt - eine ungewöhnliche Fallstudie, die bis zum Schluss spannend erzählt ist.
An der jungen Frau fallen als erstes das zarte Gesicht, und ihr schmaler Körper auf. In Widerspruch dazu tritt schnell der stiere Blick und die offensiv zur Schau getragenen Tatoos mit altdeutschen Frakturlettern. Gleich zu Anfang sieht man, wie sie spuckt und schreit, tritt und schlägt. Wer ihr gerade in den Weg kommt, wer zu lange Haare oder zu dunkle Haut hat, oder sie zu lange anguckt, der hat schlechte Karten. Marisa, so heißt sie, ist eine Neo-Nazibraut, irgendwo in einem Küstenkaff in Mecklenburg. Ihre Freunde sind Skinheads, und wenn sie sich nicht gerade die Zeit damit vertreibt, Ausländer und Linke zu drangsalieren, dann sitzt sie im Supermarkt ihrer Mutter an der Kasse.
Gleich nach dem Auftakt, lässt uns der Film erfahren, wo sie herkommt. Man sieht sie als Kind mit ihrem Opa am Strand. Sie schleppt einen Rucksack voller Sand auf dem Rücken, während der Großvater sie anfeuert:
"Zähne zusammenbeißen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
Die Zähne beißt sie eigentlich immer zusammen. Bis heute. Das gelobt sei, was hart macht, die klaren Ordnungsmuster aus Befehl und Gehorsam sind eine der wenigen Weisheiten, die noch tragen, in dieser nicht nur von Gott verlassenen Welt.
"Kriegerin", heißt das Debüt von David Falko Wnendt, das jetzt eine beklemmende Aktualität erhalten hat. Wnendt hat sich in den Neonazi-Komplex, insbesondere in das Thema weibliche Neonazis, gut eingearbeitet, um seinen Stoff so authentisch wie möglich zu gestalten. Am Beispiel seiner Hauptfigur und eines zweiten Mädchens, Svenja, die aus "besseren", aber genauso kaputten Kreisen kommt, skizziert der Regisseur so etwas wie die Sozialpsychologie des Neonazismus. Es ist keine geschlossene Darstellung, eher sind es ein paar Schneisen im Gestrüpp und viele Impressionen.
Man hat den Eindruck, dass einem Jugendlichen in manchen Gebieten Ostdeutschlands gar nichts anderes übrig bleibt, als Neonazi zu werden, wenn er kein Außenseiter sein möchte; man sieht, wie bei den Mädchen Schwäche in Aggression umgemünzt wird, Neid auf vermeintlich "heile" Verhältnisse in Hass auf sie. Auch der sexuelle Subtext des Faschismus, die Verknüpfung von Sex und Gewalt, wird zumindest angedeutet. Man hört demagogische Argumentationen und Nazi-Rocksongs wie diesen:
"Kriegerin" ist am stärksten in dieser Schilderung des Milieus, eines braunen Rands, der Schnittmengen bis hin zur Mitte aufweist, und zugleich ein echter Sumpf ist, eine Subkultur der Unterschichten und Verlierer. Der Film zeigt Menschen, die ein spießiges Kleinbürgerdasein führen, Ordnung, Anstand und Sicherheit verklären, und zugleich allen, die anders denken Chaos, Brutalität und Angst bringen.
Ein Problem liegt woanders, in jenem Bereich, der in Drehbuchschulen "Motivation" genannt wird. Diese hat in deutschen Filmen nämlich unbedingt persönlich zu sein, jedenfalls bei Hauptfiguren, und darum sind Politik und Moral oder gar Ästhetik nie zureichende Motivationen für die Handlung von Figuren. So ist jeder deutsche Film im Kern ein Melodram. Was als soziologisch fundierter Film beginnt, wird ohne Not emotionalisiert und psychologisiert: Marisa hat Ärger mit der Mutter, Svenja mit dem Vater, offenbar wird man ohne so etwas nicht zum Neonazi. Ein anderer Vater ist Marxist, ein dritter Sadist; den Gedanken - dass auch Kinder "normaler" Eltern zu Extremisten werden können, lässt der Film nicht zu. Das wäre wohl zu beunruhigend.
Und auch Marisas Großvater ist vor allem ein "Motivationsträger". Weil der vergötterte Opa ein schlimmer Nazi war, der Marisa schon als Kind zur "Kriegerin" stählte und ihr einimpfte, sie solle nicht alles glauben, was über die Nazi-Zeit erzählt wird, hatte das Mädchen offenbar keine Wahl.
An solch' übermäßiger Psychologisierung kranken viele deutsche Drehbücher. Besonders in diesem Fall drängt sich der Verdacht auf, hier habe ein Regisseur oder die TV-Redaktion der eigenen Courage nicht getraut, eine dauerhaft nicht-sympathisch agierende Protagonistin ins Zentrum zu stellen. Von solchen Kurzschlüssen und Mängeln abgesehen, ist Wnendt trotzdem ein technisch sehr guter und interessanter Film geglückt - eine ungewöhnliche Fallstudie, die bis zum Schluss spannend erzählt ist.