Die Erwartungen des Deutschen Ski-Verbands an die alpine Ski-WM im italienischen Cortina d’Ampezzo waren niedrig. Doch am Ende konnte sich der DSV über so viele WM-Medaillen wie seit der WM 2013 nicht mehr freuen. Zwar sei der DSV einer der erfolgreichsten Fachverbände im deutschen Sport, die Alpinen seien aber "öfter mal die Sorgenkinder gewesen", sagte Alpinchef Wolfgang Maier im Dlf-Sportgespräch. Mit Thomas Dreeßen, Simon Jocher und Emma Aicher habe der Sport auch Athletinnen und Athleten, die auch in Zukunft für Furore sorgen werden.
Der alpine Skisport sei in Deutschland aber eigentlich eine Randsportart. "Wir haben zwar zwölf Millionen Skifahrer, aber wir haben ganz wenig Zugang zum Leistungssport. Wir sind ein Team, das über Jahrzehnte für Highlights sorgt, aber wir haben die Kontinuität nicht, weil wir zu wenig Sportlerinnen und Sportler haben, die sich in der Weltspitze etablieren können." Das liege auch daran, dass es in Deutschland nicht so viel Zugang zu Schnee gebe wie in anderen Ländern. "Wir müssen extrem viel reisen und viel Aufwand schon mit den Kindern auf uns nehmen, damit wir irgendwann in die Weltspitze kommen. Wenn man das objektiv betrachtet, machen wir das schon über Jahrzehnte sehr gut."
"Der Sport wird bei den Frauen immer maskuliner"
Noch schwieriger sei die Situation bei den Frauen, so Maier. Zwar hat Kira Weidle bei WM die Silbermedaille in der Abfahrt geholt, "aber Kira ist die einzige, die Weltspitzenniveau abliefert." Ein Grund dafür sie die Härte, die der alpine Ski-Rennsport mit sich bringt. Der Sport werde bei den Frauen immer maskuliner, immer härter. "Auch das Material wird immer mehr an den Herrensport angelehnt, was ich für einen Fehler halte. Das bringt extrem viele Verletzungen mit sich. Das ist ein extremer Grund dafür, dass wir bei den Frauen gerade so durchhängen. Wir haben in den letzten fünf, sechs Jahren extrem viele junge Damen aufgrund von Verletzungen verloren."
Ein Grund für den Nachwuchsmangel im Skisport sei auch der Klimawandel. "Der Naturschnee ist nicht mehr präsent in der Form. Es gibt kein Rennen mehr auf Naturschnee. Es gibt auch kaum Pisten, weil der Naturschnee nicht mehr genügend ist, um die Masse an Wintersportlern zu bewegen. Früher begann es im November zu schneien und der Schnee lag dann bis Mitte März. Heute hat sich die Winterzeit extrem verkürzt. Deswegen hatten wir früher auch deutlich mehr Kinder aus dem bayrischen Bereich. Heute kommen total viele Kinder aus dem städtischen Bereich. Das gab es früher so in der Form nicht", sagte Maier. "Der Sport hat sich komplett verlagert. Es ist ein Sport geworden, der einen gewissen elitären Charakter bekommen hat."
Immer höheres Pensum
Heutzutage müssten Kinder zudem ein höheres Pensum absolvieren als früher, um der Entwicklung im Skisport gerecht zu werden. Wenn es früher drei Einheiten in der Woche waren, müssten es heute schon fünf Einheiten in der Woche sein, um auf Spitzenniveau zu kommen. "Das ist aber ein normaler Lauf der Dinge, weil der Mensch natürlich in seinem Streben nach mehr Leistung immer wieder neue Ressourcen aufmacht."
Solche Anforderungen könnten für Kinder und Eltern jedoch auch abschreckend wirken. Der DSV sei da jedoch machtlos, so Maier. "Wenn ich nicht bereit bin, diesen Einsatz zu bringen, dann tun es von anderen Nationen irgendwelche anderen und dann bin ich nicht mehr in diesem absoluten Topbereich dabei, das ist die Konsequenz. Deshalb bleibt nichts anderes übrig als mitzumachen. Für uns hat das natürlich den Nachteil, dass die Basis immer kleiner wird. Wo wir früher 50 Kinder hatten, haben wir halt nur noch 25."
Maier selbst habe dabei auch ein schlechtes Gefühl. "Weil ich sehe, dass Kinder ausbrennen. Wenn es dann wirklich in den Leistungsbereich geht, haben viele keine Lust mehr auf das permanente Reisen, um immer hinter dem Schnee herzulaufen. Deswegen habe ich kein besonders gutes Gefühl, aber ich muss es akzeptieren, weil ich es nicht ändern kann. Wir müssen uns mit den jungen Leuten auseinandersetzen, die wirklich den alpinen Rennsport im Fokus haben, dass sie all diese Entbehrlichkeiten auf sich nehmen."