„Gold, es ist die Goldmedaille, Adam, wir lieben dich!“ so jubelte der Kommentator im polnischen Fernsehen vor knapp 20 Jahren. 2003 war das bei der Skisprungweltmeisterschaft im italienischen Val di Fiemme.
Einer von vielen Erfolgen von Adam Małysz, DER polnischen Legende. Anfang der 2000er-Jahre versetzt er Polen in eine Skisprung-Ekstase, jedes Kind kennt seinen Namen. Insgesamt vier Mal gewann Małysz den Gesamtweltcup, lieferte sich spannende Duelle mit den deutschen Stars Sven Hannawald und Martin Schmitt.
Auf Małysz folgte Stoch. Das Jahr 2018, die Vierschanzentournee: Kamil Stoch triumphiert.
„Es ist wundervoll“, jubelten die Kommentatoren im polnischen Fernsehen diesmal. Stoch gewann alle vier Tournee-Springen - als zweiter Skispringer der Geschichte nach Sven Hannawald.
Vom Überflieger zum Sorgenkind
Vier Jahre später: das Jahr 2022. Kamil Stoch gibt es immer noch, aber er ist vom Überflieger zum Sorgenkind der Skisprung-Nation Polen geworden. Auf der Sprungschanze in Innsbruck, da wo er noch ein Jahr zuvor einen Sieg feierte, stürzte er dieses Mal spektakulär ab. Der Superstar schaffte es noch nicht mal, sich für den Wettkampf zu qualifizieren.
Stoch sagte: „Ich habe keine Rechtfertigung dafür. Ich weiß noch nicht mal, wie ich das erklären soll, auch nicht mir selbst gegenüber. Ich kann die Ursache nicht finden und darüber sprechen kann ich erst recht nicht.“
Nach dem Fiasko in Innsbruck brach Stoch die Vierschanzentournee ab und verzichtete auf das letzte Springen in Bischofshofen. Ihm blute das Herz, sagte der 34-Jährige.
Małysz: "Es hat ihn erdrückt"
Polens Legende Adam Małysz ist inzwischen Skisprung-Direktor im polnischen Skiverband und sorgt sich um Stoch:
„Ich als Springer hätte in so einer Situation direkt trainieren wollen, Kamil hingegen braucht eher psychische Erholung, das hat ihn alles ein bisschen erdrückt. Er wollte es allen beweisen - sich selbst, den anderen Springern, den Fans und den Journalisten.“
Und es ist nicht nur Stoch. Das gesamte polnische Team schwächelt. In der Nationenwertung liegen die Polen abgeschlagen auf dem sechsten Platz. Enttäuschend für das erfolgsverwöhnte Skisprung-Land. In der vergangenen Saison hatte die polnische Mannschaft in der Nationenwertung noch den zweiten Platz belegt, hinter Norwegen und vor Deutschland.
"Irgendwann musste eine Krise kommen. Aber niemand hatte erwartet, dass sie so tief sein würde und dass sie alle erfasst", sagt Verbandsfunktionär Małysz. Wenig verwunderlich also, dass nun auch eine Diskussion über das Trainer-Team herrscht, allen voran um den tschechischen Cheftrainer des polnischen Teams - Michal Doleżal. Unter anderem Sportdirektor Małysz äußert sich in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch über den Trainerstab.