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Sklaven der Neuzeit

Die Fassaden strahlen leuchtendend gelb oder in einem sauberen Weiß, sorgfältig gepflegte Vorgärten, mit akkurat geschnittenen kleinen Buchsbäumchen am Eingangstor. Am Straßenrand parkt der Jaguar direkt neben der Mercedescabriot: In Bonn-Bad Godesberg, im ehemaligen Diplomatenviertel, ist die Welt noch in Ordnung. Oder genauer. Sie wird in Ordnung gehalten. Die Villen und noblen Einfamilienhäuser werden von einem privaten Sicherheitsdienst überwacht

    Bonner Sicherheitsdienst: Es geht ja nicht nur insbesondere um die einzelnen Objekte, die wir betreuen, es geht natürlich auch um das Umfeld, das heißt, es wird nicht strikt nur danach verfahren welche Liegenschaft ab- und anzufahren ist sondern auch auf den Wegen von und zu den Liegenschaften. Wenn Besonderheiten auffallen wird dies natürlich umgehend gemeldet und sollte sich eine konkrete Gefahr ergeben wird natürlich hoheitliche Hilfe in Anspruch genommen.

    Volkwin Schlüter ist Geschäftsführer der Bonner Sicherheits- und Dienstleistungs GmbH, kurz BSD. Er und seine etwa 40 Mitarbeiter patrouillieren nachts durch die Straßen, habe ein Auge auf alles ungewöhnliche. Schlüters Mitarbeiter werden nach Tarif bezahlt, ihre Weiterbildung von der Firma unterstützt. Und nicht zuletzt gehört die Bonner Sicherheits- und Dienstleistungs GmbH dem Bundesverband der Wach- und Sicherheitsdienste an, kurz BDWS. Rolf Wackerhagen, der Präsident des BDWS, blickt zuversichtlich in die Zukunft, denn seine Branche hat Zuwachsraten von denen andere nur träumen können:

    Wackerhagen: Ich kann ihnen nur sagen, dass die Wirtschaftsdaten, also insgesamt die 3200 Unternehmen beschäftigen 170.000 Mitarbeiter wovon 121.000 sozialversicherungspflichtig sind und der Umsatz im Jahr 2003 war 3,95 Milliarden Euro. Wie sich das im Einzelnen. ich würde vorsichtig sagen, in den zwei Jahren hat sich das um acht bis 10% der Umsatz erhöht.

    Und der Boom scheint ungebrochen. Übrigens nicht erst seit den Terroranschlägen in New York, sondern schon lange vorher gab es diese Tendenz, denn, so Wackerhagen:

    Wackerhagen: Natürlich kommt aber auch dazu, für diese Veränderung der Umsatzzuwächse die Erkenntnis immer größer werdend, dass Outsourcen von produktions- und betriebsfremden Leistungen in jedem Fall wirtschaftlicher ist. Und so trennen sich Industrie, Versicherung Banken und vor allen Dingen auch die Behörden zunehmend von produktionsfremden Dienstleistungen und gliedern Wachschutz, Empfangsdienste, Fahrdienste, Brandschutz und Hausmeisterdienste so wie natürlich auch die Reinigung an Spezialisten aus.

    Während private Sicherheitsdienste schon lange für Wirtschaftsunternehmen tätig waren, ist gerade in den vergangenen Jahren noch ein weiterer, wichtiger Auftraggeber dazu gekommen:

    Wackerhagen: Das kommt durch die Vielzahl von neuen Aufgaben, die wir vorher nicht gehabt haben, z.B. Gefängnisbewachung, also das sind eben Dinge, die uns in der vorbeugenden Gefahrenabwehr anvertraut wurden und möglicherweise auch mit hoheitlichen Rechten beliehen werden können, wie bei der Bundeswehr.

    Denn schon seit Beginn der fünfziger Jahre bewachen private Sicherheitsunternehmen Liegenschaften der Bundeswehr. Doch neben den im BDWS organisierten Unternehmen, die eigentlich alle ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen sollten, gibt es in Deutschland noch weit über 2000 andere Firmen, die auch Sicherheit als Dienstleistung anbieten. Sie muten aber teilweise ihren Mitarbeitern Arbeitsbedingungen zu, die eher an die Frondienste des Mittelalters erinnern. Barbara ist Anfang 30 und hat drei Jahre lang in solch einer Firma gearbeitet. Sie saß am Empfang oder in der Telefonzentrale

    Babsi: Irgendwann wurde dann auch noch die Nachtschicht für Frauen eingeführt, das war am Anfang verboten. Dann wollte ich aber gerne auch mal nachts arbeiten und da war es dann so dass es ja eigentlich auch acht Stunden sein sollten und wenn dann aber aus dem Frühdienst keiner kam dann hab ich die nächsten acht Stunden – nicht im Empfang, das wäre aufgefallen- sondern dann bin ich nach hinten in die Telefonzentrale, das war ja auch ein Raum wo man mich nicht sehen konnte- und da hab ich die nächsten acht Stunden gesessen. Wenn ne Kollegin ausgefallen war.

    16 Stunden Dienst am Stück- das ist selbstverständlich nicht erlaubt. Und das konnte natürlich nicht in die vorgeschriebenen Wachbücher eingetragen werden, doch, wer kontrolliert die Kontrollbücher schon?

    Babsi: Ja von den Wachbüchern wusste ich nichts, ein normaler Angestellter macht da keine Einträge. Da wurde dann der Objektleiter zu genötigt, der auch wusste, dass da irgendetwas nicht stimmt. Man ist da genauso schnell, wie man drin ist, ist man auch wieder raus. Und dann hält man den Mund.

    Die geregelte 38,5 oder 42 Stunden Woche? Darüber können die Mitarbeiter von solchen Sicherheitsfirmen nur müde lächeln. Übrigens auch die, die ordnungsgemäß entlohnt werden. Die monatlichen Arbeitszeiten beschreibt Rolf Wackerhagen:

    Wackerhagen: Also, die Arbeitszeit ist bis zu 240 Stunden, in Ausnahmefällen bis zu 336 Stunden möglich. Das ist dann bei den Wachen der Fall wo Bereitschaft- und Ruhezeiten zwischendurch sind.

    So sieht es in der Theorie aus. Die Praxis, das musste Barbara erfahren, kann aber ganz anderes sein:

    Babsi: Ja, es war eine Anweisung, dass die Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens nicht mit den Leuten aus dem Objekt, also aus dem Haus sich unterhalten dürfen über Probleme, die es mit der Sicherheitsfirma gibt z.B. Also, solche Aussagen wie "Diesen Monat muss ich aber viel arbeiten" Also, teilweise sind wir ja auch aus dem Haus angesprochen worden. "Sitzen Sie schon wieder hier, wann haben sie eigentlich mal frei. Das ist ja auch den Mitarbeitern da im Haus aufgefallen. Aber dazu durften wir uns nicht äußern."

    Jegliche Versuche der Mitarbeiter ihre Situation zu verbessern, seien gezielt boykottiert worden. Die Firma für die Barbara gearbeitet hat, war immerhin kein kleines Unternehmen. Damals habe es mehr als 1.000 Mitarbeiter gegeben. Also, hätte es eigentlich einen Betriebsrat geben müssen.

    Babsi: Ja. Ich hab mal ne E-Mail erhalten und dann wurde einfach mal gefragt ob man Interesse an einem Betriebsrat hat und dann war ich natürlich direkt mit dabei. Ja dann hab ich das Kollegen erzählt, weil ich wollte ja auch ein bisschen mobil machen und dann hat das nicht sehr lange gedauert dann wurde mir auch schon gesagt ich sollte mich da besser ein bisschen zurückhalten und lieber den Mund halten, weil es wären schon Leute entlassen worden.

    Ritter: Das ist auch eine sehr komplizierte Geschichte. Wir haben natürlich bei den großen Playern auf dem Markt Betriebsräte und es sind stabile Betriebsräte die eine gute Arbeit machen. Ich nenne da Securitas, Securicor, Brings und noch zwei drei andere große. Es gibt aber gerade in dieser Branche eine Fülle kleinerer Firmen, wo wir einfach keine Betriebsräte hinkriegen, weil wir auch nicht an die Beschäftigten herankommen. Das ist das Problem.

    Gerald Richter ist in der Gewerkschaft ver.di für den Fachbereich "Beschäftigte im Wach- und Sicherheitsgewerbe zuständig. Betriebsräte zu installieren, das gelingt verdi in dieser Branche kaum:

    Ritter: Sie müssen wissen in dieser Branche gibt es Strukturen die es uns schlichtweg schwierig machen mit den Leuten Kontakt aufzunehmen. Also, es sind vereinzelte Arbeitsplätze. Sie müssen sich vorstellen, da sitzt irgendwo einer und bewacht ein Objekt, zehn Kilometer weiter sitzt der nächste und da ist es schwierig die Leute zusammenzubringen.
    Und ohne Betriebsrat fällt schon einmal eine Instanz weg, die darauf achtet, dass Tarif- und Beschäftigungsverträge eingehalten werden – wenn es denn die Unternehmer nicht selber machen.
    Für die Mitarbeiter heißt das dann unter Umständen: Arbeiten bis zum Umfallen für einen Hungerlohn.

    Babsi: Bei 165 oder 162 Stunden waren es dann 1800 DM die dann netto übrig blieben abzüglich aller Steuer und Krankenkasse usw.

    Doch Barbaras Gehalt war geradezu fürstlich im Verhältnis zu dem, was manche außertariflich zahlen:

    Ritter: Wir haben auch Gebiete, wo es Stundenlöhne gibt, na ja die reichen dann an die vier Euro ran und wir haben also auch schon Ausschreibungen erlebt, wo wir unter vier Euro gelandet sind. Da gibt es zum Beispiel auch hier in Berlin Thüringer Firmen, eine genannt Heboldt, die haben Arbeitsplätze wo man 3,85 Euro die Stunde Brutto verdient.

    Selbst die ausgehandelten Tariflöhne sind allerdings nicht unbedingt als hoch zu bezeichnen. Rolf Wackerhagen vom Bundes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen.

    Wackerhagen: Wir haben Mindestlöhne im Osten von 4,32 Euro bis 6,21 Euro und im Westen von 5,05 bis 10,85 Euro, dass ist dann die IHK-geprüfte Werkschutzfachkraft.

    Und an diese Tarifverträge sollten sich die Mitglieder des BDWS gebunden fühlen. Wobei der Verband auf seiner Internetseite aber auch aufgelistet hat, was demjenigen blüht, der sich nicht daran hält: Bis zu zehn Jahren Gefängnis drohen einem Arbeitgeber, laut dem Strafgesetzbuch, wenn er einen so genannten "Lohnwucher" begeht: Und ein Lohnwucher liegt vor, falls der ausgezahlte Lohn 30% unter dem tariflichen Niveau liegt. Doch während man die eigenen Mitgliedsunternehmen noch beeinflussen könne, habe man mit den anderen Firmen erhebliche Probleme:

    Wackerhagen: Schwierigkeiten machen uns aber die 2600 kleineren Unternehmen, der nicht im Verband organisierten Betriebe. Die unterbieten Tarife, zahlen niedrigere Löhne und bieten ihre Dienstleistung entsprechend billiger an.

    Und bekommen von potentiellern Auftraggebern den Zuschlag, eben weil sie billiger sind.

    Wackerhagen: Ich kann ihnen ja mal sagen dass z.B. bei den kleineren Unternehmen die unter diese Tarife im Osten gehen – wir haben jetzt in Berlin einen Allgemeinverbindlichkeitserklärung erreicht, zusammen mit Verdi, das bedeutet, dass jeder der den Dienst in Berlin versieht an den Mindesttarif halten muss und das wird gesetzlich festgeschrieben, und wenn er unterboten wird, das geschieht auch in anderen Bereichen, wo wir allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge haben, dann ist es so, dass da bei Ausschreibungen insbesondere bei Behörden wegen leerer Haushaltskassen der billigste Bieter den Zuschlag bekommt. Und andererseits der Arbeitsmarkt im Niedriglohnsektor viele freie Kräfte vorhält drückt das naturgemäß auf die Gestaltung unserer Tarifverträge und wir treten praktisch seit einigen Jahren im Westen auf der Stelle bzw. wir müssen übertarifliche Leistungen abschmelzen da selbst der im Tarifvertrag vereinbarte Mindestlohn von vielen freien Unternehmen unterboten wird.

    Dass die organisierten Unternehmen im BDWS, die sich an die Tarifverträge halten, nicht gut auf die Konkurrenten zu sprechen sind, welche die Tarife schlicht ignorieren ist nachvollziehbar. Aber vielleicht legen die Auftraggeber ja Wert auf gut qualifiziertes Personal, das angemessen bezahlt wird? Björn Michael Birr ist Ausbildungsleiter der Weiterbildungsakademie BSN für Wach- und Sicherheitskräfte:

    Birr: Wenn wir nach Ursachen suchen, warum Tarife bzw. Gehaltsstrukturen so niedrig sind, nicht in allen Bereichen, aber in vielen Bereichen, dann müssen wir auch mal die Vergaberichtlinien der öffentlichen Hand anschauen. Es kann nicht sein, dass beispielsweise ein Wach- und Sicherheitsmitarbeiter im Deutschen Bundestag weniger verdient, als jemand der bei Mc Donalds um die Ecke arbeitet. Da ist natürlich die Frage zu stellen, wer legt dort fest was dieser Mitarbeiter verdient, und das macht in der letzten Konsequenz natürlich der Auftraggeber.

    Während einerseits das Thema "Sicherheit" gerade auch in der politischen Diskussion seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Hochkonjunktur hat, sieht das in der Praxis dann doch etwas anders aus – selbst bei Bundesinstitutionen. Gerald Richter von Verdi zählt auf, wer sich unter Tarif bezahlte Sicherheitskräfte geleistet hat:

    Ritter: Das waren einmal Gebäude des Bundestages, dann waren es Gebäude der Europäischen Kommission und ich habe heute morgen noch einmal mit meiner Kollegin in Berlin gesprochen, sie meinte, dass eine Reihe weiterer öffentlicher Einrichtungen auch des Berliner Senats von Firmen bewacht werden, die unter Tarif bezahlt haben und noch bezahlen.

    Dass es auch andres gehen kann, zeigte sich bei der Weltausstellung Expo:

    Birr: Im Rahmen der Expo im Jahre 2000 in Hannover wurde vom Auftraggeber also der Expo-Gesellschaft, den fünf Sicherheitsdienstleistern, die dort eingesetzt waren, den wurde ganz klar von vorne herein gesagt, wenn ihr den Auftrag haben wollt, dann müsst ihr einen bestimmten Mindesttarif, den damals so genannten Expotarif zahlen. Und unter dem funktioniert das nicht, und das haben die Unternehmen auch getan, auf Grund dessen haben die gutes Personal bekommen und auf Grund dessen wurde gute Sicherheit geleistet.

    Björn Michael Birr redet sich regelrecht in Rage, so sehr empört ihn gerade das Verhalten öffentlicher Auftraggeber.

    Birr: Auf jeden Fall sollte die Politik, bzw. hier vertreten durch die Ministerien, die sollten mit gutem Beispiel voran gehen und sollten ihre Vergaberichtlinien verändern und nicht einfach nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip einfach einen Auftrag vergeben an ein Unternehmen, sondern eben auch möglicherweise vorschreiben, welche sozialen Bedingungen die Mitarbeiter zu erwarten haben. Das machen im übrigen Konzerne bei der Vergabe von Sicherheitsdienstleistungen genauso, ich kenne viele Beispiel, wo große Unternehmen, die Sicherheitsdienstleistungen vergeben ihren Dienstleistern von vorne herein ganz klar sagen, was den eingesetzten Mitarbeitern bezahlt werden soll.

    Und ein ganz klein wenig spöttisch fügt Birr hinzu, dass die Wirtschaftsunternehmen wohl wirklich Sicherheit wollten, und deshalb bereit seien mehr zu bezahlen. Auf jeden Fall könne es nicht daran liegen, dass den behördlichen Auftraggebern die Kriterien für "gutes" Sicherheitspersonal nicht bekannt seinen, meint Verdi-Vertreter Gerald Richter.

    Ritter: Aber wir haben zum Beispiel im Rahmen der Eu mit Gewerkschaften und Arbeitgebern ein so genanntes Bestbieter Handbuch erarbeitet, das wir insbesondere öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stellen und wo wir hier ganz bestimmte Arbeitsbedingungen und tarifliche Bedingungen aufgestellt haben die im öffentlichen Bereich wirken sollten und Vorbildwirkung zeigen sollten. Dieses Handbuch wird leider Gottes von öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen ignoriert.

    Wackerhagen: Ich kann Herrn Richter sehr gut verstehen, aber das liegt auch nicht an uns, wir hätten es auch gerne anders, aber wir plädieren ja auch immer dafür, dass die Regierung uns entsprechend unterstützt indem sie die Aufträge nach dem Bestbieter-Handbuch vergibt, d.h, also, dass auch die Unternehmen gewertet werden hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Ausbildung, wir haben eine Din-Norm, wenn die zu Grunde liegt und die Ausbildungskriterien, die wir sehr eng anlegen durchführen dann müsste eben nicht der billigste sondern der wirtschaftlichste den Auftrag bekommen. Das ist im Augenblick eben ein großes Problem, auch für die Behörden will eben die Haushaltskassen so leer sind und wir gegenüber Europa in vielerlei Hinsicht abspecken müssen.

    Fügt Rolf Wackerhagen vom Bundesverband der Wach und Sicherheitsunternehmen hinzu. Wobei er erst einmal etwas zurückhaltender ist, was die Schelte der öffentlichen Auftraggeber angeht.

    Wackerhagen: Ich kann das nicht beurteilen, aber ich könnte es mir vorstellen. Wir haben das auch bei der Bundeswehr erlebt, die sagen dann einfach, dass ist nicht unser Problem, das ist ihr Problem wenn sie nicht Tarif bezahlen, dann müssen sie sich eben mit den Gewerbeaufsichtsämtern zusammensetzen, aber diese Strukturen greifen meist aus irgendeinem Grunde nicht.

    Aus irgendeinem Grunde? De facto hat der BDWS nur den Goodwill seiner Mitglieder, dass sie sich an die Tarife halten. Letzten Endes bestimme der Auftraggeber die Konditionen, ansonsten werden sie eben von den freien Unternehmen unterboten:

    Wackerhagen: Wir erfahren es ja manchmal und wir können es kontrollieren kann es nur der Auftraggeber. Der ist der Einzige, der da sagen könnte, das kommt nicht in Frage, ich will dass der Mindestlohn bezahlt wird nach Tarif. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass der Auftraggeber sich vor einer Anzeige scheut weil sein Haushalt eine höhere Bezahlung nicht deckt und er sehr gerne eine neue Ausschreibung gerne vermeiden möchte und das weitere ist dass das Wachpersonal den billigeren Lohn bekommt – im vollen Bewusstsein übrigens- dass es froh ist einen Arbeitsplatz zu haben und fürchtet den Arbeitsplatz ZU verlieren wenn es die untertarifliche Bezahlung anzeigt. Also Eigenschutz und Ängste auf beiden Seiten verhindern eine Durchsetzung des Tarifgesetzes.

    Dies mag ein "menschliches" Problem sein, wie Wackerhagen sagt. Doch was, wenn darunter die Qualität der Arbeit leidet? Denn Mitarbeiter von Wach- und Sicherheitsunternehmen sind mittlerweile auch in hochsensiblen Bereichen eingesetzt: Sie schützen beispielsweise Atomkraftwerke oder kontrollieren Flugpassagiere, ob sie Sprengstoff oder Waffen mit an Bord nehmen. Immerhin: Wer ein Atomkraftwerk sichert, oder Fluggäste kontrolliert wird besser bezahlt als branchenüblich

    Ein normaler" Mitarbeiter muss nur eine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer ablegen, auf die er 40 Stunden vorbereitet wird. Die nächste Qualifikation kann er sich erwerben indem er die so genannte Sachkundeprüfung besteht: Einen schriftliche Klausur und eine einstündige mündliche Prüfung. Und seit dem vergangenen Jahr gibt es auch einen Ausbildungsberuf, den der Sicherheits- und Servicefachkraft.
    Aber die Mitarbeiter am Airport sind "Flugsicherheitsassistenten". Sie müssen einen über 100 stündigen Kurs absolvieren und eine Prüfung vor einer Bundesbehörde wie dem Bundesgrenzschutz ablegen. Zu Recht, so scheint es, sind die Anforderungen hier höher, schließlich liegt in ihren Händen die Sicherheit von Hunderten von Fluggästen. Ihre Bezahlung ist übrigens nur geringfügig besser, als die eines Baustellenbewachers. Im Osten verdienen die Luftsicherheitsassistenten teilweise nur um die fünf Euro brutto pro Stunde, im Westen nicht ganz elf Euro. Andererseits: Wenn die Qualifikation bundesweit gleich gut ist, was bewirkt dann unterschiedliche Bezahlung?

    Birr: Es ist natürlich ein erheblicher Unterschied ob ich mit einem Mitarbeiter arbeite, der sozial abgesichert ist, der mit seinem Job zufrieden ist, der bringt sich mit seiner Motivationshaltung ganz anders in den Bereich hinein, er hat Perspektiven, kann sich was ansparen, auf Grund dieser sozialen Sicherheit kann er sich voll und ganz auf die Durchführung seines Jobs konzentrieren. Wenn ich jemanden in so einem hochsensiblen Bereich wie Luftsicherheit einsetze, der sich den ganzen Tag damit auseinandersetzen muss wie er seine Miete bezahlen soll, von dem kann ich nicht auch noch verlangen dass er im Rahmen einer Gepäckkontrolle innerhalb von Sekunden auf dem Bildschirm erkennen muss, befindet sich da Sprengstoff drin oder nicht. Da muss der schon den Kopf fei haben.

    Und so kämpfen diejenigen, die ein hochwertiges Sicherheitsprodukt zu entsprechenden Preisen anbieten gegen diejenigen, die "Billigware" im Angebot haben – wie in jeder anderen Branche auch. Wobei es hier auch um Menschenleben geht. Die Arbeitsbedingungen sind eher bescheiden, die Löhne erst recht. Sicherheit haben, möchte jeder, nur dafür bezahlen? Das können die wenigstens, noch nicht einmal die öffentlichen Auftraggeber. Na ja, meint Björn Michael Birr von der BSN-Akademie, irgendwie habe das ja schon fast Tradition:

    Birr: Wach- und Sicherheit ist das zweitälteste Gewerbe der Welt. Es hat irgendwann mal angefangen, zu einer Zeit wo es noch keine Häuser und Städte gegeben hat. Da saß einer oben auf einer Wiese und hat Schafe gehütet, ja, und der stand dann da und am nächsten Morgen stand er immer noch da, nur so ein paar mehr Wolfsohren waren an seinem Kittel verrieten, dass da noch irgendwas losgewesen ist. Nur, wen hat man denn genommen für diese Tätigkeit? Da hat man ja nicht den genommen, der am geschicklichsten war ein Feld zu bestellen, sondern man hat den genommen, der nichts anderes konnte als sich da hinzustellen. So, da hat man den da hingestellt, der hat das gemacht, und irgendwann hat der gesagt ich bin zu alt, ich kann das nicht mehr machen und dann hat man einen gesucht und man hat ihm seine zwei Kartoffeln gegeben, weil der andere hat auch nur zwei Kartoffeln gegeben, und jetzt hat man allerdings den Fehler gemacht dass man ihm nicht drei gegeben hat, sondern man hat einen gesucht der es für zwei gemacht hat und den Kreislauf haben wir heutzutage immer noch, und den müssen wir jetzt mal durchbrechen, indem wir sagen: Nein, wir möchten jetzt vier Kartoffeln zahlen und wir bekommen einen Guten, und das wäre sicherlich mal ein Ansatz.