Wo in dieser Woche rund 8o Staats- und Regierungschef aus Afrika und Europa ankommen und in Limousinen zu ihrem Gipfeltreffen chauffiert werden, da standen vor wenigen Tagen noch Busse und Krankenwagen für Heimkehrer aus Libyen. Auf dem Flughafen der ivorischen Hauptstadt Abidjan berichteten sie Reportern von ihren Erfahrungen – wenn sie denn überhaupt dafür noch Worte fanden. So wie die 34-jährige Sonia:
"Es ist ihr Geschäft, Menschen zu verkaufen", sagt Sonia über ihre libyschen Peiniger.
"Man kann das nicht beschreiben, es ist zu schlimm. Sie kommen und schlagen Dich, es gibt oft nichts zu essen. Man sitzt da fest. Sie vergewaltigen die Frauen. Nur mit Gottes Hilfe bin ich hier angekommen."
Bittere Armut als Fluchtfaktor
Mit Hilfe ihrer Regierung und der Internationalen Organisation für Migration, IOM sind Sonia und mehr als 300 weitere ivorische Migranten aus Libyen ausgeflogen worden. Was sie und ihre Leidensgenossen erzählen, können die Journalisten nicht überprüfen, aber es deckt sich mit Berichten, die Amnesty International und die IOM schon vor Monaten veröffentlichten. Bei ihr zu Hause, auf dem Land, herrsche bittere Armut, sagt Félicité, eine weitere Heimkehrerin, deswegen habe sie sich von der Elfenbeinküste auf den Weg nach Europa gemacht. Jetzt sei sie froh, noch mit dem Leben davongekommen zu sein:
"Man muss sagen, dass Libyen die Hölle auf Erden ist. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man Menschen so behandelt, wie wir dort behandelt wurden. Es war die Hölle, weil wir geschlagen wurden, wir wurden misshandelt, und viele von haben ihr Leben verloren. Man wird vergewaltigt. Auch ich selbst wurde vergewaltigt, ich war ein Opfer, ich wurde geschlagen. Man bekam nichts zu essen, sie haben uns Reis gegeben, der war nicht gekocht."
Ein Reporter fragt die 24-Jährige, ob sie die Täter erkannt habe, ob sie wisse, von wem sie vergewaltigt worden sei:
"Jeden Tag kamen andere vorbei, um Dich zu vergewaltigen. Wenn Du weinst, hilft das nicht. Sie richten eine Waffe auf Dich und machen mit Dir, was sie wollen."
Zwischen 1500 und 3000 Euro habe sie die Reise an die südliche Grenze des Mittelmeers gekostet, geben die Überlebenden an. Unter ihnen Yaya, ein gebrochen wirkender 40-Jähriger, der Brandwunden aufweist:
Ein Essenspaket und 30 Euro Startkapital für die Heimkehrer
"Ja", sagt er auf Nachfrage, auch er sei als Sklave verkauft worden, zusammen mit einigen jungen Frauen, die gestorben seien. Jetzt stünde er vor dem Nichts, sagt er und wird anschließend in eine Klinik gefahren. Was wird aus ihm? Die Internationale Organisation für Migration und die Regierung in Abidjan haben die Heimkehrer mit Essenspaketen ausgestattet. Jeder bekommt außerdem 300 Euro Startkapital und wird dann zurück in sein Dorf geschickt. Ob ihr Schicksal Nachahmer abschreckt? Drissa Soulama, der Koordinator des West African Civil Society Forum, ist das skeptisch:
"Die Leute kennen die Risiken, man muss deshalb sagen, dass die Aufklärung über die Gefahren der Migration nicht effektiv ist. Man muss den Leuten sagen: Die jungen Menschen in der Elfenbeinküste können hier bleiben und sich entwickeln."
Die Bundesregierung geht davon aus, dass möglicherweise Hunderttausende Menschen in Libyen festsitzen, darunter nicht nur Westafrikaner, sondern auch Eritreer, Sudanesen und Migranten aus Bangladesch Mehrere Regierungschefs Afrikas wollten das Thema Sklaverei in Libyen jetzt in Abidjan auf die Tagesordnung des EU-Afrika-Gipfels setzen. Ruanda hat bereits konkrete Maßnahmen ergriffen. Der Kleinstaat in Ostafrika will bis zu 30.000 afrikanische Migranten aus Libyen aufnehmen.