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Skopje - eine geteilte Stadt

Dass es keine Einigung zwischen Serben und Kosovo-Albanern gibt gefährdet die Stabilität in der gesamten Balkan-Region. Davon ist auch das Nachbarland Mazedonien betroffen - denn hier sind ein Drittel der Bevölkerung Albaner, die sich die Unabhängigkeit des Kosovo wünschen. Auch um ihre Rechte in Mazedonien zu stärken. In Skopje fühlen sich viele Albaner diskriminiert und die Teilung der Stadt schreitet voran. Ruth Reichstein:

    Das Restaurant Sofra in der Altstadt von Skopje. Die knarrende Holztreppe führt in die erste Etage. Eine Gruppe Gäste sitzt im hinteren Teil des nur mit wenigen Lampen beleuchteten Raums. Ali Haruni, der Koch, hat sich mit einem Bier an die Theke gesetzt und zündet sich eine Zigarette an. Er ist in Mazedonien geboren, betont aber, Albaner zu sein.

    "Schon allein wegen unserer Nationalität und der Religion könnte ich keine Mazedonierin heiraten. Das geht einfach nicht. Mein Vater würde mich rausschmeißen aus unserer Wohnung. Aber ich würde das auch nicht machen. Hier im Restaurant merkt man das auch: Es sind auch schon mazedonische Gäste gekommen, aber als sie gemerkt haben, dass wir albanisch sprechen, dann sind sie wieder aufgestanden und gegangen. "

    Seit dem Rahmenabkommen zwischen Albanern und Mazedoniern 2001, das die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den zwei Volksgruppen beendet hat, gibt es zwar keine offenen Konflikte mehr in Mazedonien, aber unter der Oberfläche ist der Zusammenhalt im Land nach wie vor instabil. In der Hauptstadt Skopje wird das besonders deutlich, sagt Izet Mexhiti, Bürgermeister des mehrheitlich von Albanern bewohnten Stadtteils Chair:

    "In meinen Augen ist diese Stadt eine geteilte Stadt. Ich habe keine genauen Zahlen. Aber eines ist sicher: Die Tendenz ist, dass immer mehr Mazedonier aus den albanischen Vierteln abwandern. Man muss nur in die Zeitung schauen: 90 Prozent derjenigen, die gerade ihre Häuser hier bei uns verkaufen, sind Mazedonier. Das gleiche passiert bei den Albanern, die in den mazedonischen Vierteln leben. Sie verkaufen auch ihre Häuser und ziehen auf diese, die albanische Seite des Flusses."

    Ein Drittel der Bewohner Mazedoniens sind Albaner. In Chair sind es sogar 57 Prozent. Tendenz steigend. Auch die historische Altstadt von Skopje wird vorwiegend von Albanern bewohnt. Dahinter liegt der Fluss Varda. Zur mazedonischen Seite führt eine Brücke aus Stein.

    Zeki Abdi, 27 Jahre alt, Albaner, bleibt in der Mitte stehen. Hier, sagt der junge Mann, der lange in Deutschland gelebt hat, verlaufe die unsichtbare Grenze zwischen Mazedonien und Albanien. Die Teilung der Stadt sei allerdings alles andere als gerecht verlaufen:

    "Bei uns ist nur die Mülldeponie geblieben und dieses Frauen-Krankenhaus. Die haben Universität weggenommen. Alles, was mit Geld zu tun hat. Der Strich muss normalerweise so gehen und die sind Zickzack gegangen. Alles, was sie nicht brauchen, haben sie weggelassen."

    Sie, das sind die Mazedonier und auf die ist Zeki Abdi nicht gut zu sprechen.

    Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den beiden Stadtteilen groß. Auf der mazedonischen Seite ragen Hochhäuser in den Himmel. Eine staatliche Institution reiht sich an die andere. Große Werbeplakate zieren die Straßenzüge. Der albanische Teil erinnert eher an eine mittelgroße Stadt im ehemaligen Ostblock. Die Straßen sind mit Schlaglöchern gespickt. Die meisten Häuser stehen im Rohbau und sind nicht mehr als drei Stockwerke hoch. Genau dieser Unterschied sei heute der wichtigste Grund für die Migration innerhalb der Stadt, sagt der Politikwissenschaftler Dane Taleski vom Institut für Demokratie in Skopje:

    "In den 90er Jahren waren es vor allem ethnische Gründe, die die Leute zum Umziehen gebracht haben. Heute sind es vor allem wirtschaftliche. Die albanische Seite ist viel weniger entwickelt. Es gibt viele Probleme mit den Straßen, Heizung, Wasser, Kriminalität. Hier auf dieser Seite geht es uns besser. Deshalb kommen auch immer mehr Mazedonier hierher."

    150 Euro verdient Zeki Abdi als Hilfskoch. Aber er will weiter aufsteigen. Mit dem angesparten Geld aus seiner Zeit in Deutschland hat er gemeinsam mit seinem Vater einen Laden gekauft, den er jetzt verpachtet. Das bringt zusätzliches Geld. Seiner Meinung nach sind es eher die aufsteigenden Albaner, die die Mazedonier in andere Stadtteile vertreiben als die schlechte Infrastruktur:
    Die fühlen sich nicht frei. Die fühlen sich eingeengt. Die Albaner werden immer mehr und die werden immer weniger. Die waren immer oben. Die waren alle Direktoren, Anwälte und vieles und wir waren immer Bauarbeiter. Jetzt kommt es anders.

    Von offizieller Regierungsseite heißt es nur, es gäbe keinen Konflikt zwischen den Volksgruppen. Und die meisten Mazedonier in Skopje wollen lieber nichts zu diesem delikaten Thema sagen. Sie wollen vor allem ihre Ruhe, sagt Milica Schakleva, Bedienung in einem Restaurant auf der mazedonischen Seite von Skopje:

    "Ich will, dass wir keinen Krieg haben. Alles andere interessiert mich nicht. Ich will, dass es hier ruhig bleibt."