Nach Jürgen Kaube (in "Cicero") besteht der tätige Konservatismus seit Angela Merkel nur noch aus "Taktik" und "Phrasenhaftigkeit". Aber auch die konzeptionellen Anstrengungen des Verfassungsrichters Udo di Fabio, einen modernen Konservatismus zu entwerfen, stehen lediglich für die Formel, "es nicht zu übertreiben". Und das heißt:
"weder den Staat noch den Markt, weder die Scheidung noch die Ehe, weder die Nation noch Europa, weder die Säkularität noch die Religion".
Auch die traditionelle Kritik der Konservativen am moralischen Pluralismus seit `68 läuft nach Jürgen Kaube völlig ins Leere:
"Das Privatfernsehen haben nicht die Sozialliberalen eingeführt, die Rechtschreibreform wurde zuletzt von Bayern aus durchgekämpft, bei der Verkürzung der Gymnasialzeit zur Verbesserung des Standorts zeigte Baden-Württemberg den größten Eifer, die Utopien der Atommüllendlagerung oder der Durchakademisierung von gut der Hälfte eines Jahrganges sind kein Privileg von linken Projektemachern. Im Gegenteil."
Schauen wir uns drei unterschiedliche Modelle eines in den Rechtspopulismus abgestürzten Konservatismus an. In Italien zum Beispiel herrscht unter Silvio Berlusconi das zotige Reich der politischen Unkorrektheit, die Sprache des Stammtischs, gepaart mit dem "aggressiven Katholizismus" der "Lega Nord", "in allen öffentlichen Räumen Kruzifixe anzubringen".
Der Cavaliere fasziniert viele Italiener mit seinem prahlerischen Bekenntnis "Ich bin für Euch das Vorbild eines genießenden Subjekts". Sergio Benvenuto untersucht in "Lettre International" "Berlusconis Erfolgsmaschinerie der simplen politischen Leidenschaften":
"Von denen, die (Berlusconi) hassen, gaben sich viele der trügerischen Hoffnung hin, der Klatsch (über) seinen Kontakt zu minderjährigen Mädchen, die lockeren Feste mit käuflichen Damen in seiner Villa usw. würde ihm den Todesstoß versetzen. Das ist nicht geschehen, weshalb die Soziologen eine harte Nuss zu knacken haben: Warum belohnen Ultrakatholiken und strenge Konservative ( ... ) die Partei eines Mannes, der sich als Hurenbock geriert."
Auch Ungarn befindet sich auf einem düsteren Weg. Dort hat jüngst die Rechte unter Viktor Orban zusammen mit der rechtsextremen und systemfeindlichen Jobbik-Partei eine satte Mehrheit erzielt. In der Zeitschrift "Kommune" befürchtet Gregor Mayer, dass das Land der Magyaren in eine "Biedermeier-Diktatur" abgleiten könnte:
"Orban schwebt offenbar ein Regieren vor, bei dem das Parlament mit einer schwachen Opposition nur Staffage und kritische Medien und Intellektuelle marginalisiert und ohne Einfluss sind. (..) Assoziationen mit Putins sogenannter "souveräner Demokratie" in Russland drängen sich auf (..) Und die Jobbik? Die Rechtsradikalen können nun erst recht die Fundamental-Opposition mimen und (Orban) bei "nationalen" Themen (..) im Nacken sitzen, als die 'authentischere' Fürsprecherin der vermeintlichen ungarischen Interessen."
Beim Blick über den Teich stoßen wir auf die erzkonservative Tea Party Movement. Sie pflegt eine Tradition, die dem US-Populismus seit jeher anhaftet - die des Anti-Intellektualismus.
Torben Lütjen beschreibt in der Zeitschrift "Universitas", wie Sarah Palin, die gescheiterte Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner, auf einer Ressentimentwelle gegen alles Geistige und Akademische beim nächsten Mal ins Weiße Haus zu surfen versucht:
"Es ist dieser Anti-Intellektualismus, der sie in Bezug auf ihre Anhängerschaft fast schon unverwundbar gemacht hat, immun gegen jede Anzweiflung ihrer Kompetenz. Denn je harscher die Kritik an ihrer angeblichen Ahnungslosigkeit ausfällt, desto perfekter funktioniert die 'anti-intellektuelle Erzählung': dann sind es wieder die liberalen Intellektuellen, die in ihrer Arroganz nicht akzeptieren wollen, dass jeder Amerikaner, selbst ein Underdog aus Alaska, es bis an die Spitze schaffen kann."
Allen genannten Spielarten eines konservativen Populismus – von Berlusconis Hedonismus über Viktor Orbans völkische Anwandlungen bis zu Sarah Palins Anti-Intellektualismus - wohnt ein pervertierter Begriff des Authentischen inne.
Karin Priester macht in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" darauf aufmerksam, dass Authentizität heute nicht mehr für Aufrichtigkeit, ein Streben nach höherer Moralität und Kultur, sondern nur noch für skrupellose Selbstinszenierung auf Kosten des Politischen steht.
"Im Namen von Glaubwürdigkeit negiert der Authentiker die Unterwerfung unter Rollenzwänge. Wenn Berlusconi auf politischem Parkett mit Clownerien ins Fettnäpfchen tritt, ( ... ) signalisiert er zugleich: Ich bin kein Rollenspieler, sondern ein authentischer Selbstdarsteller ( ... ) Der Maßstab des Authentischen befördert (damit) eine Entpolitisierung und Aufweichung der Standards zur Beurteilung politischen Handelns."
"weder den Staat noch den Markt, weder die Scheidung noch die Ehe, weder die Nation noch Europa, weder die Säkularität noch die Religion".
Auch die traditionelle Kritik der Konservativen am moralischen Pluralismus seit `68 läuft nach Jürgen Kaube völlig ins Leere:
"Das Privatfernsehen haben nicht die Sozialliberalen eingeführt, die Rechtschreibreform wurde zuletzt von Bayern aus durchgekämpft, bei der Verkürzung der Gymnasialzeit zur Verbesserung des Standorts zeigte Baden-Württemberg den größten Eifer, die Utopien der Atommüllendlagerung oder der Durchakademisierung von gut der Hälfte eines Jahrganges sind kein Privileg von linken Projektemachern. Im Gegenteil."
Schauen wir uns drei unterschiedliche Modelle eines in den Rechtspopulismus abgestürzten Konservatismus an. In Italien zum Beispiel herrscht unter Silvio Berlusconi das zotige Reich der politischen Unkorrektheit, die Sprache des Stammtischs, gepaart mit dem "aggressiven Katholizismus" der "Lega Nord", "in allen öffentlichen Räumen Kruzifixe anzubringen".
Der Cavaliere fasziniert viele Italiener mit seinem prahlerischen Bekenntnis "Ich bin für Euch das Vorbild eines genießenden Subjekts". Sergio Benvenuto untersucht in "Lettre International" "Berlusconis Erfolgsmaschinerie der simplen politischen Leidenschaften":
"Von denen, die (Berlusconi) hassen, gaben sich viele der trügerischen Hoffnung hin, der Klatsch (über) seinen Kontakt zu minderjährigen Mädchen, die lockeren Feste mit käuflichen Damen in seiner Villa usw. würde ihm den Todesstoß versetzen. Das ist nicht geschehen, weshalb die Soziologen eine harte Nuss zu knacken haben: Warum belohnen Ultrakatholiken und strenge Konservative ( ... ) die Partei eines Mannes, der sich als Hurenbock geriert."
Auch Ungarn befindet sich auf einem düsteren Weg. Dort hat jüngst die Rechte unter Viktor Orban zusammen mit der rechtsextremen und systemfeindlichen Jobbik-Partei eine satte Mehrheit erzielt. In der Zeitschrift "Kommune" befürchtet Gregor Mayer, dass das Land der Magyaren in eine "Biedermeier-Diktatur" abgleiten könnte:
"Orban schwebt offenbar ein Regieren vor, bei dem das Parlament mit einer schwachen Opposition nur Staffage und kritische Medien und Intellektuelle marginalisiert und ohne Einfluss sind. (..) Assoziationen mit Putins sogenannter "souveräner Demokratie" in Russland drängen sich auf (..) Und die Jobbik? Die Rechtsradikalen können nun erst recht die Fundamental-Opposition mimen und (Orban) bei "nationalen" Themen (..) im Nacken sitzen, als die 'authentischere' Fürsprecherin der vermeintlichen ungarischen Interessen."
Beim Blick über den Teich stoßen wir auf die erzkonservative Tea Party Movement. Sie pflegt eine Tradition, die dem US-Populismus seit jeher anhaftet - die des Anti-Intellektualismus.
Torben Lütjen beschreibt in der Zeitschrift "Universitas", wie Sarah Palin, die gescheiterte Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner, auf einer Ressentimentwelle gegen alles Geistige und Akademische beim nächsten Mal ins Weiße Haus zu surfen versucht:
"Es ist dieser Anti-Intellektualismus, der sie in Bezug auf ihre Anhängerschaft fast schon unverwundbar gemacht hat, immun gegen jede Anzweiflung ihrer Kompetenz. Denn je harscher die Kritik an ihrer angeblichen Ahnungslosigkeit ausfällt, desto perfekter funktioniert die 'anti-intellektuelle Erzählung': dann sind es wieder die liberalen Intellektuellen, die in ihrer Arroganz nicht akzeptieren wollen, dass jeder Amerikaner, selbst ein Underdog aus Alaska, es bis an die Spitze schaffen kann."
Allen genannten Spielarten eines konservativen Populismus – von Berlusconis Hedonismus über Viktor Orbans völkische Anwandlungen bis zu Sarah Palins Anti-Intellektualismus - wohnt ein pervertierter Begriff des Authentischen inne.
Karin Priester macht in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" darauf aufmerksam, dass Authentizität heute nicht mehr für Aufrichtigkeit, ein Streben nach höherer Moralität und Kultur, sondern nur noch für skrupellose Selbstinszenierung auf Kosten des Politischen steht.
"Im Namen von Glaubwürdigkeit negiert der Authentiker die Unterwerfung unter Rollenzwänge. Wenn Berlusconi auf politischem Parkett mit Clownerien ins Fettnäpfchen tritt, ( ... ) signalisiert er zugleich: Ich bin kein Rollenspieler, sondern ein authentischer Selbstdarsteller ( ... ) Der Maßstab des Authentischen befördert (damit) eine Entpolitisierung und Aufweichung der Standards zur Beurteilung politischen Handelns."