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Slowakisches Vorbild für Integration

Ein privates Gymnasium im slowakischen Städtchen Kremnica bietet jungen Roma in ihrer Heimat eine Zukunftsperspektive, damit sie nicht wie ihre Eltern von Sozialhilfe abhängig werden. Das Internat fördert gezielt Kinder aus den ärmsten Roma-Slums im Osten des Landes.

Von Silja Schultheis |
    Freitagnachmittag im Internat von Kremnica. Um das elektrische Klavier haben sich etwa 20 Schüler versammelt – zum Singen und Tanzen. Sie werden das Wochenende in Kremnica verbringen. Nach Hause zu ihren Familien fahren sie erst in zwei Wochen wieder. Nach Hause, das heißt für die meisten der 51 Internatsschüler in die Ostslowakei, mehrere Busstunden entfernt – in sogenannte "osady": Roma-Slums ohne Strom und fließend Wasser, mit einer Arbeitslosenrate von fast 100 Prozent.

    "Ob wir in die Schule gehen wollten oder nicht, blieb uns überlassen."

    Erzählt Krystina, 15. Ihre Freundinnen Nikola und Simona stimmen zu:

    "Niemand hat uns morgens geweckt und unsere Eltern haben uns immer Entschuldigungen geschrieben."

    Bis eines Tages Jana Tomová und Ján Hero kamen und den Eltern von ihrem Gymnasium erzählten. Kurz darauf zogen die Mädchen nach Kremnica ins Internat. Am Gymnasium lernen sie in kleinen Klassen mit maximal 20 Schülern – Roma und Nicht-Roma gemischt.

    Die Kultur der Roma und ihre Sprache, Romanes, sind ein wichtiger Teil des Lehrplans. Ján Hero, der Schuldirektor, ein eleganter Herr mit weißem Haar, stammt selbst aus einer Roma-Siedlung. Regelmäßig fährt er in die Slums, um für seine Schule zu werben:

    "Es ist eine Pionierreise. Wir versuchen eine enorme Barriere zu durchbrechen. Denn für viele Roma ist Bildung einfach kein Wert. Aber wenn die Eltern einmal Vertrauen zu uns gefasst haben, sind sie durchaus bereit, ihre Kinder in die Schule zu schicken."

    Vertrauen aufbauen – die große Stärke von Ján Hero und Jana Tomová, der Gründerin und Seele der Schule. Am Gymnasium herrscht eine familiäre Atmosphäre. Es wird viel gelacht. Jana Tomová kennt die persönliche Geschichte jedes einzelnen Schülers; sie weiß, wer welches Instrument spielt und wann zuletzt beim Zahnarzt war.

    Im Unterschied zu anderen Privatschulen zahlen die Eltern hier kein Schulgeld. Nur 20 Euro pro Monat für Essen, den Rest übernimmt der Schulträger, die NGO "Über die Kinder zur Familie" von Jana Tomová. Zwar bekommt die Schule Förderung aus dem Europäischen Sozialfonds. Allerdings nicht für die laufenden Kosten, die den Löwenanteil ausmachen.

    Unentwegt ist Jana Tomová daher auf der Suche nach Projektmitteln und Spenden. Neben dem Gymnasium mit Internat fördert ihre NGO noch eine Grundschule und – das ist ihr besonders wichtig – einen Kindergarten:

    "Viele Roma-Kinder schaffen die erste Grundschulklasse nicht – weil sie erst mühsam Dinge lernen müssen, die für andere Kinder selbstverständlich sind. Sie wissen zum Beispiel nicht, wie man ein Waschbecken benutzt, weil sie zu Hause kein fließendes Wasser haben. Wir machen die Kinder schon im Kindergarten mit diesen Dingen vertraut, damit sie nicht auf eine Sonderschule geschickt werden, wie es in der Slowakei üblich ist."

    Jedes fünfte Roma-Kind in der Slowakei besucht laut einer neuen UN-Studie eine Sonderschule für geistig Behinderte. Den Vorwurf systematischer Diskriminierung hat die slowakische Regierung wiederholt von sich gewiesen. Dennoch ist jetzt eine Debatte darüber entbrannt, wie sich die Bildungsmisere stoppen lässt. Kremnica könnte hier wegweisend sein, sagt Darina Takeliova stolz. Sie betreut die Kinder im Internat:

    "Ich sehe unser Internat als ein Modell für die slowakische Gesellschaft. Die Schüler werden hier zu gegenseitigem Respekt und Toleranz erzogen. Und sie lernen, nicht nur über die schlechte Lage der Roma zu jammern, sondern ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen."

    Wie zum Beispiel die 15-jährige Kristyna. Sie möchte nach dem Abitur studieren:

    "In Bratislava, an der Comenius-Universität."

    Nikola träumt von der Prager Karlsuniversität. Simona wiegt den Kopf:

    "Studieren, egal wo – Hauptsache nicht nach Hause in den Slum zurück."