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Smart Home
Das intelligente Haus setzt sich immer mehr durch

Von der Kaffeemaschine bis zum Kühlschrank, vom Staubsauger bis zur Waschmaschine: Auch vor dem Haushalt macht die Digitalisierung nicht halt - zumindest in der Theorie. Trotzdem dümpelte das Smart Home lange vor sich hin. Jetzt kommt neuer Schwung in die Idee.

Von Jan Rähm |
Eine Frau bedient an einem Tablet mit Touchscreen ein Smart Home Control System. Auf dem Bildschirm sind Piktogramme zu sehen, die für die einzelnen Bereiche des Hauses stehen, die man kontrollieren kann: Licht, Temperatur, Wasser, Überwachungskameras und Schließmechanismen.
Smart Home erlebt gerade einen Entwicklungsschub (Andrey Popov / Panthermedia / imago-images)
Ein paar Glühlampen wurden vernetzt, der Fernseher ins Internet gebracht, dem Radio wurde das Streaming beigebracht. Doch das gern gebrachte Beispiel des vernetzten Kühlschranks, der selbsttätig im Internet den Einkauf erledigt? Bis heute ein Beispiel von eher theoretischer Natur. Dennoch: Ins Smart Home kommt Bewegung. Das zeigen aktuelle Studien, die sich mein Kollege Jan Rähm angeschaut hat.

Wie entwickelt sich Smart Home gerade?
"Es sind immer mehr Geräte daheim vernetzt. Das ist eine sich gegenseitig antreibende Entwicklung. So statten die Hersteller immer mehr Geräte mit einem Netzwerkzugang aus und die Verbraucher greifen zu und nutzen die Vernetzung. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des IT-Sicherheitsunternehmens F-Secure aus Finnland, in der 4.400 Personen aus elf Ländern weltweit befragt wurden. Demnach wünschen sich die Verbraucher zunehmend vernetzte Funktionalitäten und die Hersteller kommen dem nach und ermöglichen mehr Funktionalität. Eine einzelne Glühlampe ein- und ausschalten - das ist kalter Kaffee. Heiß dagegen ist die gegenseitige Beeinflussung zahlreicher Geräte. So entsteht erst das, was sich Visionäre schon vor bald acht Jahrzehnten unter dem Smart Home vorgestellt haben – auch wenn sie es da noch das "elektrische Haus der Zukunft" nannten."
Was ist bei Smart Homes die treibende Kraft?
Ein Gerät im Heim führte jahrelang die Vernetzung maßgeblich an, meint Paula Al-Soufi vom finnischen IT-Sicherheitsunternehmen F-Secure: der Fernseher.
"Smart TVs – das war die Killer App im Connected Home. In dieser Studie konnten wir sehen, dass gut zwei Drittel aller Haushalte, so 67 Prozent, derzeit einen internetfähigen Fernseher haben. Und der Fernseher führte zu weiteren Smart Home Entertainment Geräten wie Entertainment Centern, Streaming Geräten, Lautsprechersysteme und Spielkonsolen und so weiter."
Was ist die nächste Innovation bei Smart Homes?
Mittlerweile verlagert sich laut der Studie, für die Al-Soufis Unternehmen über 4.000 Menschen befragte, der Trend weg von den Unterhaltungsgeräten. Eine zweite Welle des Smart Homes sei gestartet, so Al-Soufi. Der Wegbereiter dafür seien die smarten Lautsprecher mit Sprachsteuerung. Sie ermöglichten eine komfortable Steuerung der Funktionen. So ziehen in die Haushalte nun Geräte ein, die eher einen praktischen Nutzen aufweisen und mehr Funktionalität.
"Das sind mehr Geräte, die einen Zuhause unterstützen, wie zum Beispiel diese Thermostaten, die helfen, die Temperatur zu regulieren. Die sparen Kosten dadurch, dass sie eine optimale Temperatur einstellen, wenn die Leute nicht zu Hause sind. Und wenn sie wieder da sind, können sie wieder eine höhere Temperatur einstellen. Das meinen wir mit Funktionalität. Oder Sicherheitssysteme oder diese intelligenten Türschlösser. Es geht mehr um die Automatisierung und diese intelligenter zu machen und nicht mehr so viel um Unterhaltung und Entertainment."
Welche Rolle spielt dabei der Umwelt- und Ressourcenschutz?
Ein Treiber der Entwicklung ist auch ein gesteigertes Bewusstsein für Umweltschutz und Ressourcenverbrauch. Das sieht auch der deutsche IT-Branchenverband Bitkom so, der derzeit ebenfalls eine aktuelle Studie zum Smart Home auswertet.
Welche Rolle spielen Roboter?
Der Verband macht einen weiteren Trend aus, so Sebastian Klös vom Bitkom:
"Ein riesen Trend im Smart Home sind derzeit Roboter. In immer mehr Haushalten ziehen jetzt die kleinen, smarten Helfer ihre Bahnen, saugen, putzen die Fenster oder mähen draußen den Rasen. Außerdem ein riesengroßer Trend ist die fortschreitende Vernetzung im Smart Home. Immer weitere Geräte im smarten Zuhause werden miteinander verknüpft. Was vielleicht einmal mit einer vernetzten Lampe angefangen hat, wird dann Thermostate um Fensterkontakte, um Jalousien bis hin zu intelligenten Steckdosenleisten dann erweitert, sodass eigentlich aus dieser Fragmentierung letztendlich ein großes Smart Home entsteht."
Welche Anknüpfungspunkte gibt es zum Beispiel zum "Ambient Assisted Living"?
Die Experten sind sich einig: Das Smart Home an sich und die verschiedenen Systeme wachsen zusammen. Jetzt würden zunehmend Szenarien Realität, die sich lange nicht durchsetzen konnten, meint Klös. Etwa das Ambient Assisted Living, also das digital unterstützte Leben im Alter daheim.
"Zum einen wirklich über die bessere Vernetzbarkeit von Systemen von verschiedenen Herstellern, sodass da natürlich im Ambient Assisted Living einige Hürden abgebaut werden. Und zum anderen, glaube ich, ist es so, dass immer mehr Ältere auch ziemlich vertraut sind mit smarter Technik. Ein Smartphone haben auch viele, sodass die Berührungsängste jetzt plötzlich zu Hause vielleicht auch ein Tablet zu haben, über das das Smart Home gesteuert wird, deutlich sinken. Sodass die Akzeptanz von älteren Nutzern gegenüber dem Smart Home und smarten Systemen sehr stark wachsen wird."
Ist denn das Problem unterschiedlicher Systeme gelöst?
Gerade an der Vernetzbarkeit und dem Zusammenspiel der zahlreichen verschiedenen Systeme haperte es in der Vergangenheit massiv. Es herrschte eine babylonische Sprachverwirrung wegen der unterschiedlichen Defacto-Standards. Auch die technische Basis war alles andere als kompatibel zueinander. Paula Al-Soufi und ihre Kollegen haben diesbezüglich aber Bewegung wahrgenommen:
"Da gibt es natürlich sehr viele Entwicklungen in der zweiten Welle. Das ist die Verbundenheit, dass diese Geräte miteinander reden. Es gibt sehr viele Ökosysteme von Apple, von Google, von anderen. Natürlich sind da noch viele unterschiedliche Ökosysteme, aber der Kunde kann das schon heute etwas leichter für sich machen."
Wie steht es denn mittlerweile konkret um diese sogenannte Interoperabilität, also die Fähigkeit von Geräten unterschiedlicher Hersteller zusammenzuarbeiten?
Noch ist es darum eher schlecht bestellt. Innerhalb eines Systems klappt das auch über Technologiegrenzen hinweg ganz gut und innerhalb einer Technologie klappt es auch immer besser. Aber den großen Durchbruch hat es noch nicht gegeben. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern: Die Größen der Tech-Branche wie Amazon, Apple, Google und die Zigbee Alliance sowie deren Partner wie NXP, Samsung oder auch Ikea – um nur einige zu nennen – haben sich Ende vergangenen Jahres zum Project Connected Home over IP zusammengetan und wollen erreichen, dass alle Geräte die Wi-Fi, Bluetooth Low Energy und oder Thread, eine hierzulande unübliche Bezeichnung für den IEEE-Funkstandard 802.15.4, sprechen, sich verstehen und gemeinsam gesteuert werden können. Nun könnte man einwenden, dass es solche Bemühungen schon gab, zum Beispiel setzt die Branche der Hausvernetzung seit Jahren auf Techniken wie KNX. Die aber konnte bis heute nicht recht in der Welt der Consumer Electronics vordringen. Hier beherrschen die genannten Wi-Fi, Bluetooth und etwas abgeschlagen DECT-ULE das Geschehen.
Die Zusammenarbeit scheiterte ja in der Vergangenheit auch an der Knappheit an IPv4-Adressen, die durch verschiedenste Techniken kaschiert wurde. Ändert sich hier etwas?
Auch dank des Drucks, den die noch junge Allianz der Branchenriesen ausüben wird, wird der Nachfolgestandard IPv6 wohl durch das Smart Home noch mehr Aufwind bekommen. Denn wenn die Geräte wirklich nahtlos zusammenarbeiten sollen, dann müssen sie direkt kommunizieren können, egal, ob sie per Kabel, Wi-Fi oder Mobilfunk ins Netz gehen und das klappt nur mit IPv6 vernünftig. Bitkom sagt, das Thema werde in den kommenden Jahren massiv an Bedeutung zunehmen. Gut, wer da daheim schon entsprechend seinen Router entsprechend konfiguriert hat und einen Netzanbieter hat, der ebenfalls IPv6 korrekt umsetzt.
Ist denn Smart Home in Bezug auf Sicherheit und Privatsphäre besser geworden?
Es gibt noch immer Massen an unsicherer Hardware im Segment Smart Home. Aber so ziemlich alle namhaften Hersteller haben das Risiko erkannt und steuern gegen. Das müssen sie auch, denn die Studie hat ergeben, das gerade IT-Sicherheit, Privatsphäre und die Angst, gehackt zu werden, noch immer die größten Sorgen derer sind, die ihr Zuhause zum Smart Home gemacht haben und planen dies zu tun. Die Studie ergab außerdem, dass die Verbraucher durchaus gewillt sind, für mehr Sicherheit auch zu bezahlen. Einerseits natürlich in Form eines höheren Anschaffungspreises, aber durchaus auch für Lösungen, die zwischengeschaltet im Heimnetz ähnlich wie der Virenscanner auf dem PC oder die Firewall im Router darauf achten, dass privat bleibt, was privat bleiben soll und Zugriffe von außen scheitern. F-Secure sieht hier Chancen für neue Anbieter, aber auch für die Netzanbieter, die die Absicherung des Smart Home als Service für ihre Kunden anbieten könnten.