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Smartphone-Doktor ist kein Ersatz

Rund 15.000 Applikationen fürs Handy speziell zu gesundheitlichen Themen gibt es, zum Beispiel den Pollenflugkalender, die Arztsuche oder die Medikamentenerinnerung. Aber gerade Apps, die Diagnosen versprechen und Daten auswerten, bergen Risiken.

Von Michael Engel |
    Ob in der Straßenbahn, zuhause oder im Büro: Apps sind aus dem Leben vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Rund 15.000 "medical apps" - sogenannte "Gesundheitsapps" - hat Dr. Urs-Vito Albrecht vom PLRI, dem Institut für medizinische Informatik der Medizinischen Hochschule Hannover, gezählt.

    "Es gibt dann noch Applikationen, die auch eine Messfunktion beinhalten. Entweder wird diese Messfunktion über interne Sensoren von dem Smartphone abgenommen. Oder es sind externe Sensoren, die eben angebracht werden."

    Zum Beispiel Blutdruckmessgeräte, die mit dem Handy verbunden werden. Andere Apparaturen, kaum größer als ein USB-Stick, bestimmen den Blutzucker. Mit einem angeschlossenen Kopfhörer ist ein Hörtest möglich. Oder man fotografiert mit der Smartphone-Kamera die Muttermale auf der Haut. Die sogenannte "Hautkrebs-App" informiert dann darüber, ob eine harmlose Hautveränderung vorliegt oder ein gefährliches Karzinom.

    "Problematisch wird das eben nur, wenn eben nicht klar ist, ob tatsächlich diese Diagnostik, die da betrieben wird, auch richtig ist. Und da besteht eine große Diskrepanz zwischen Versprechen und tatsächlich dann dem Einhalten von diesen Versprechen."

    Eine aktuell veröffentlichte Studie fand heraus, dass alle untersuchten Hautkrebs-Apps häufig daneben liegen und beispielsweise "falsch negative" Ergebnisse liefern. In diesem Fall wird ein gefährliches, malignes Melanom für harmlos erklärt. Für die Betroffenen kann das böse enden, warnt Dr. Oliver Pramann, Rechtsanwalt für Medizinrecht und IT aus Hannover.

    "Wenn die Applikation vom Hersteller dazu bestimmt wurde, Hautscreening durchzuführen, und da werden falsche Ergebnisse generiert, kann es dazu führen, dass der Patient sich in falscher Sicherheit wiegt. Da es bei solchen Erkrankungen möglicherweise um wenige Tage, Wochen, geht, kann es durchaus hier dazu kommen, dass der Krebs ausbricht und insofern sich für den Patienten als hoch risikobehaftet herausstellt."

    Hersteller wollen für eine falsche Diagnose natürlich nicht haften. Deswegen heißt es im Kleingedruckten, dass eine App den Arztbesuch nicht ersetzen kann. Nicht nur die Hautkrebs-App ist problematisch. Viele Messwerte, die das Smartphone beim Hörtest, beim Blutdruck oder im Sehtest erhebt sind Fehler behaftet. Und häufig werden die Daten auch noch automatisch auf die Datenbank des App-Herstellers übermittelt, beklagt Dr. Martina Wenker, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer:

    "Hier würde mich als Verbraucher, als Patient, interessieren, wo landen die Daten? Was macht der andere am anderen Ende mit meinen Daten? Also, ich weiß ja gar nicht, der Hersteller auf der anderen Seite, was der mit meinen Daten macht und warum der mir eine bestimmte Behandlung dann empfiehlt."

    Problematisch ist auch der Transfer der Daten. Bereits bei einer kleinen, zufällig gewählten Stichprobe fiel jede zweite App durch. Noch einmal Urs-Vito Albrecht von der Medizinischen Hochschule Hannover:

    "Wir konnten auch beobachten, dass es zu einem unverschlüsselten Transfer dieser Daten dann zum Betreiber kam, was nirgends erläutert wurde, wenn überhaupt die Datenschutzerklärung vorgelegen hat. Diese Daten könnten abgehört werden tatsächlich."

    Dabei geht es um hochsensible, gesundheitliche Daten, die oftmals auch noch mit dem Namen des Nutzers verknüpft und gesendet werden, erläutert der Medizininformatiker. Besondere Vorsicht ist bei Apps geboten, die Daten erheben oder messen und diese Daten dann auch noch diagnostisch auswerten.

    Fazit und Warnung zugleich: Der virtuelle Smartphone-Doktor kann die real existierende Praxis auf keinen Fall ersetzen.