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Smartphone-Nutzung
Schlecht für die emotionale Nähe

Dank des Smartphones kommunizieren wir ständig miteinander. Dennoch ist es genau das, was die emotionale Nähe zwischen Eltern, Kindern und Freunden verringern könnte. Das hat Professor Andrew Lepp, Experte für Tourismus und Erholung, in einer Studie herausgefunden. Im DLF riet er dazu, die eigene Smartphone-Nutzung öfter zu überprüfen.

Andrew Lepp im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Ein junger Mann steht am 24.01.2015, mit dem Blick auf sein Smartphone gerichtet, an einer Straße in Berlin.
    Den Blick aufs Smartphone statt auf die Mitmenschen: Ein junger Mann steht mit dem Blick auf sein Smartphone gerichtet an einer Straße (picture alliance / dpa / Thalia Engel)
    Manfred Kloiber: Mit dem Smartphone lässt sich ganz leicht kommunizieren: Da geht es nicht nur ums Telefonieren, sondern auch ums simsen, ums chatten oder tweeten - doch stimmt diese Versprechung über die Segnungen der mobilen Kommunikation eigentlich? Oder handelt es sich nicht schlicht um ein Vorurteil? Sorgt eigentlich das Smartphone wirklich für mehr Verbundenheit zu Freunden und Familie?
    Andrew Lepp: Also, die wichtigsten Erkenntnisse sind verblüffend. Wir denken ja eigentlich, dass uns das Handy hilft, sich mit anderen zu verbinden und dass es Teil der sozialen Vernetzung vieler Menschen ist.
    Was wir aber herausgefunden haben, widerspricht dem etwas. Bei Männern haben wir gesehen, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Nutzungsgewohnheiten, also ob man telefoniert oder chattet und wie viel man es insgesamt nutzt, und der Art des Kommunikationspartners, ob es Freunde oder Eltern sind, gibt.
    Bei Frauen dagegen haben wir herausgefunden, dass das Telefonieren positiv mit dem Gefühl der Verbundenheit zu den Eltern korreliert, aber nicht mit Freunden. Wenn Frauen dagegen chatten, also SMS oder andere Textnachrichten versenden, dann geht das positiv mit der emotionalen Bindung zu Freunden einher.
    Ebenfalls besonders interessant war die Tatsache, dass wir etwas feststellen konnten, was Wissenschaftler neuerdings problematische Handy-Nutzung nennen. Leute mit solch einer problematischen Nutzung sind jene, die das Handy in Situationen benutzen, in denen man das eigentlich nicht tun sollte. Sie verspüren einen Zwang, das Handy zu nutzen, das ist fast schon Suchtverhalten. Etwa beim Autofahren, oder kurz vorm Schlafengehen, wenn man Lernen sollte, oder beim Essen.
    Und diese Art der Nutzung hat einen negativen Zusammenhang mit dem Gefühl der emotionalen Nähe. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Also, Leute in unserer Untersuchung, die einen Hang hatten, das Handy problematisch zu nutzen, die fühlten sich auch nicht vertraut mit Eltern oder Freunden.
    "Männer sehen das Handy eher als Unterhaltungs- und weniger als Kommunikationsgerät"
    Kloiber: Woher kommt denn der deutliche Unterschied zwischen Frauen und Männern?
    Lepp: Wir können da nur Hypothesen aufstellen. Unsere Beziehungen mit anderen Leuten, mit Eltern und Freunden, die werden durch die direkte Kommunikation eigentlich am besten entwickelt und gepflegt. Und das Handy kann diese Beziehungen nur anreichern oder ergänzen, die wir durch die wesentlich bedeutendere Kommunikation von Angesicht zu Angesicht entwickelt haben.
    Es könnte aber sein, dass Männer das Handy dafür aber nicht benutzen wollen. Die sehen das Handy also eher als Unterhaltungs- und weniger als Kommunikationsgerät. Das müssen wir noch untersuchen. Frauen aber scheinen das Handy eben mehr dafür zu nutzen, Kommunikationsbeziehungen zu unterstützen oder zu ergänzen, die sie aber in anderen sozialen Zusammenhängen aufgebaut haben.
    Kloiber: Bei Frauen kommt zusätzlich es noch darauf an, mit wem sie kommunizieren?
    Lepp: Ja, und das war genau so interessant. Frauen, und besonders die Studentinnen, die wir befragt haben, benutzen das Handy, um ihre Eltern anzurufen. Und das scheint das Gefühl der Verbundenheit mit den Eltern zu bestärken. Eltern gehören ja zu einer Generation, die schon immer das Telefonieren auch zur Festigung sozialer Verbindungen verwendet hat.
    Aber die Generation der Freunde ist die Text-Nachrichten-Generation. Die sind es gewohnt, relevante Informationen über Textnachrichten auszutauschen. Es gibt also einen Generationenunterschied, der bei Frauen deutlich wird. Aber noch einmal: Bei den Männern ist weder chatten noch telefonieren relevant für soziale Beziehungen.
    "Guck den wichtigen Menschen in deinem Leben in die Augen, sprich mit ihnen ohne Bildschirm zwischen euch"
    Kloiber: Was sind die Lektionen, die wir aus Ihren Untersuchungsergebnissen lernen sollten?
    Lepp: Ich halte den geschlechtsspezifischen Unterschied zwischen Männer und Frauen für interessant. Und es scheint die Vorurteile, die viele Menschen über Männer und Frauen haben, zu stützen. Sie wissen schon: Männer mögen nicht so viel am Telefon quatschen, sie sind nicht so gute Kommunikatoren am Telefon wie Frauen.
    Aber für mich lautet die Botschaft aus unserer Untersuchung: Guckt auf die problematische Handy-Nutzung. Das sollte man im Hinterkopf behalten, obwohl die Geräte so wunderbar sind und soviel für uns tun, dass man kritisch reflektiert, wie man sie benutzt und ob zur rechten Zeit. Und dass man auch den Kindern diese Art der Selbstkontrolle mit diesen Geräten beibringen muss. Das tut mir manchmal schon weh, wenn ich mit der Familie und Freunden in einem schönen Restaurant sitze und andere Leute sehe, die keine schöne Unterhaltung miteinander haben, sondern alle auf ihrem eigenen Bildschirm unterwegs sind.
    Vielleicht ist unsere Untersuchung nur eine von vielen Untersuchungen, die eine rote Fahne aufzieht, eine Warnung ausspricht: Lass jeden Tag dein Handy für eine Weile in der Tasche und guck den wichtigen Menschen in deinem Leben in die Augen, sprich mit ihnen ohne Bildschirm zwischen euch. Das ist für mich die Botschaft.