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Smartphones und Tablets
Touchscreens für Sehbehinderte

Rund 44 Millionen Deutsche nutzen heutzutage ein Smartphone. So praktisch diese Geräte auch sind, Sehbehinderte haben mit diesen oftmals tastaturlosen Maschinen ein Problem. Auf der glatten Oberfläche der Bildschirme können sie sich nur mühsam zurechtfinden. Nun versuchen Entwickler und Wissenschaftler, Touchscreens speziell für Sehbehinderte zu entwickeln.

Von Haluka Maier-Borst |
    Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet.
    Für viele Blinde ist das Lesen auf Smartphones und Tablets kein wirkliches Problem. Vorlesefunktionen sind ziemlich weit entwickelt. Weitaus schwieriger ist für sie das Tippen auf den glatten Oberflächen. (imago / Jochen Tack)
    "Das ist verrückt. Es gibt so viele Dinge, die wir als Sehende online machen und zu denen Blinde schlichtweg keinen Zugang haben."
    Das sagt Alex Russomanno von der University of Michigan. Eine seiner Kolleginnen ist selbst blind und klagte darüber, wie schwer es für sie sei, mit Tablets umzugehen. Für sie und andere Sehbehinderte hat Alex Russomano nun ein spezielles Touchpad entwickelt. Eines, das Grafiken und Schriften fühlbar machen soll und das auch so etwas wie eine spürbare Tastatur hat.
    "Wir nutzen dafür Mikrofluid-Technologie. Die Tabletoberfläche besteht aus vielen feinen Kanälen, durch die eine Flüssigkeit strömt und jeder dieser Kanäle führt zu einem Punkt auf dem Tablet. Indem wir nun dort Flüssigkeit hineinpumpen, bildet sich an diesem Punkt ein Bläschen, das sich hebt und spürbar ist."
    Angesteuert werden sollen diese Kanäle mithilfe kleiner Pumpen, die die Flüssigkeit rein- und rauspumpen.
    "Theoretisch reichen uns zwei elektronische Pumpen, um das gesamte Tablet zu bespielen. Das heißt aber, dass wir die einzelnen Kanäle hintereinander ansteuern. Und entsprechend dauert es, bis die Pumpen das komplette Raster abgefahren sind."
    Gel Touchscreen in Berlin entwickelt
    Einen vorweisbaren Prototyp gibt es noch nicht. Die Forscher experimentieren lediglich mit einzelnen Bildschirmteilen. Wie hoch die Auflösung also sein wird, wie schnell sich das Schriftbild ändern lässt, und wie genau das Tablet aussieht, ist noch nicht klar. Man sei noch am Ausprobieren, sagt der Amerikaner.
    Deutlich weiter ist man dagegen in Berlin. Hier tüftelt man ebenfalls an einem Touchscreen für Sehbehinderte und kann einen Prototyp vorweisen. Auf ein handelsübliches Tablet hat Viktor Miruchna eine spezielle Schicht aufgelegt. Diese Schicht kann innerhalb von zwei Sekunden neue Schrift auf dem Bildschirm erscheinen lassen. Allerdings funktioniert sie anders als das amerikanische Beispiel:
    "Also Geltouch ist eine Folie, die aus zwei Komponenten besteht. Die erste ist ein Hydrogel, ein Polymer, das seine Eigenschaften ändert, wenn es auf über 32 Grad aufgeheizt wird. Und das machen wir mit unserer zweiten Komponente, der Aktivierungsschicht. Also, wenn wir mit unserer Aktivierungsschicht lokal über 32 Grad kommen, können wir das Hydrogel aktivieren. Dann wird es hart, der Umkreis bleibt weiter weich und das ist genau das, was der Nutzer fühlt."
    Blind tippen ist schwieriger als lesen
    Erklärt der Forscher von der Technischen Universität Berlin. In ersten Umfragen konnte Viktor Miruchna herausfinden, in welchen Bereichen Geltouch weiterhelfen könnte. Sein vorläufiges Fazit ist eine Überraschung. Für viele Blinde ist das Lesen auf Smartphones und Tablets kein wirkliches Problem. Vorlesefunktionen sind ziemlich weit entwickelt. Darum brauchen Sehbehinderte auch nur selten die Braille-Schrift. Weitaus schwieriger sei das Tippen auf den glatten Oberflächen.
    "Der erste Nutzer, mit dem ich gesprochen hatte, der hatte dreimal so viele Apps auf dem Smartphone wie ich. Aber als wir ihn ganz klar gefragt haben, schreibst du damit gerne, sagte er: 'Nein'. Und das liegt einfach daran, dass er sein Telefon vor allem als Informationsquelle sieht, nicht als Kommunikationsmittel, was für uns Nicht-Sehbehinderte total alltäglich ist. Jemandem kurz bei Whats App zu schreiben oder eine E-Mail zu schreiben. Das sind Anwendungsfälle, die Blinden und Sehbehinderte sehr viel Kraft kosten."
    In anderthalb Jahren wollen Viktor Miruchna und seine Kollegen ihre Spezialfolie nun so weit voranbringen, dass sie marktreif ist. Das Endgerät soll weniger als 200 Euro kosten. Und am Ende könnten auch Sehende vom Produkt profitieren.
    "Wenn man jetzt mal frei herumspinnt, wenn es um Virtual Reality geht, dass man dann irgendwann etwas in der Hand hat, ein haptisches Feedback bekommt."