Archiv

Smithsonian Museum of Natural History
Schatzkammer und globales Forschungsarchiv

An keinem anderen Museum arbeiten mehr Wissenschaftler. Das Smithsonian Museum of National History bietet den Raum für 500 Millionen Präparate - und Spitzenforschung. Spaß am Arbeitsplatz inklusive.

Von Michael Stang |
Das Smithsonian National Museum of Natural History in Washington
Das National Museum of Natural History in Washington ist das beliebteste Naturkundemuseum der Welt. Über sieben Millionen Menschen besuchen es pro Jahr (imago/xim.gs)
Nick Pyenson geht schnellen Schrittes durch die unzähligen Gänge im Keller des Smithsonian Museum of Natural History in Washington, D.C.
Sicher haben sie hier mehr als 10.000 Exemplare, so der Paläontologe, wohlgemerkt – nur von überwiegend versteinerten Meeressäugetieren. Allein manche Halswirbel sind groß wie ein Fußball. Viele der Knochen stammen aus Ausgrabungen der 1960er- und 70er-Jahre.
Der Paläontologe deutet auf den Schädel eines Schwertfisches und zeigt auf die Stelle, wo sich das Auge einst befand. Auf wenigen Metern hier lässt sich nicht nur die Evolution der Meeressäuger abschreiten, sondern auch die Wissenschaftsgeschichte der US-amerikanischen Paläontologie.
"Die Box hier, die ich gerade geöffnet habe, enthält Knochen von Seehunden, die 1935 in Alaska gesammelt wurden. Das sind verschiedene Tiere, ausgewachsene und junge."
Neue Methoden, neue Erkenntnisse
Diese Seehunde wurden von amerikanischen Ureinwohnern gejagt. Somit geben diese Daten nicht nur Hinweise auf das damalige Vorkommen der Tiere, sondern ermöglichen auch Einblicke in das Zusammenleben von Mensch und Tier.
"Das Tolle ist, dass wir jetzt diese Stücke mithilfe neuer Methoden weiter analysieren können. Wenn wir hier die DNA untersuchen, erhalten wir Schnappschüsse der damaligen Population. Die Knochen sind von 1935, das ist noch reichlich Erbgut vorhanden."
Gerade dieser Forschungsbereich werde immer wichtiger. Daher werden diese Knochen nicht nur genetisch untersucht, sondern sie machen hier auch stabile Isotopen-Analysen. Nick Pyenson zeigt auf die nächsten Knochen ein paar Meter weiter. Knochen von Bartenwalen, die noch Zähne aufweisen. Der Forscher klopft sich den Staub von den Händen.
Sammlungskurator Nick Pyenson steht im Archiv des National Museum of Natural History in Washington vor einer aufgezogenen Schublade mit Kotsteinen. In der Hand hält er ein Foto eines Hölenbärenskelettes, möglicherweise dem Verursacher der Kotsteine.
Nick Pyenson im Archiv des National Museum of Natural History in Washington (Deutschlandradio / Michael Stang)
Einen Gang weiter die nächsten Knochen, die der Paläontologe seinem Besuch unbedingt zeigen will. "Das hier ist ein früher Seelöwe, mehr als 20 Millionen Jahre alt, ein sehr besonderer Fund. Und hier ein versteinertes Walross aus South Carolina."
Die Sammlung wächst jedes Jahr. Zum einen, weil die Wissenschaftler selbst regelmäßig auf Ausgrabungen gehen, zudem gibt es Ankäufe, Tauschaktionen mit anderen Museen und Schenkungen. Mit jedem gut erfassten und dokumentierten Neueingang wird die Sammlung wichtiger für die Wissenschaft – als globales Forschungsarchiv.
"Ich lerne hier jeden Tag etwas Neues"
"Das hier ist ein weiteres Beispiel für einen ausgestorbenen Meeressäuger, der sich rein pflanzlich ernährt hat. Diese Tiere sahen aus wie Nilpferde, haben aber im Meer gelebt und hatten diese grotesken Zähne."
In den vergangenen Jahren haben die Forscher hier einige bedeutende Projekte abgeschlossen. So konnten Nick Pyenson und sein Team etwa den weltweit ersten fossilen Beleg für wiederholte Massenstrandungen an einer einzigen Stelle nachweisen. Vor sechs bis neun Millionen Jahren gab es im Süden des amerikanischen Kontinents in einem flachen Küstenabschnitt mindestens viermal ein Massensterben.
Aber auch wenn er nicht im Feld ist, entdeckt er in dieser Schatzkammer ständig Neues, denn auch schon seine Vorgänger haben in vielen Jahrzehnten die Sammlung fleißig erweitert. "Ich lerne hier jeden Tag etwas Neues, eigentlich bräuchte man dafür ein ganzes Leben."
Und dann möchte Nick Pyenson mir zum Schluss des Rundgangs noch etwas Besonderes zeigen. Er öffnet eine Schublade, grinst und hält eine Kugel in der Hand. Koprolithen – so genannte Kotsteine, deren Kern aus massiv eingedicktem Kot bestehen. Diese prächtigen Exemplare stammen von einem Höhlenbären.
Es mache immer Spaß, auch solche Sammlungsexemplare etwa kleinen Kindern zu zeigen und er könne auch ein Bild von mir machen, während ich den Bärendreck in der Hand halte.
DLF-Reporter Michael Stang hält in der Sammlung des National Museum of Natural History in Washington einen Koprolithen in der Hand und grinst.
Forscher Nick Pyenson bietet Dlf-Reporter Michael Stang ein Foto mit einem Koprolithen an - natürlich gerne (Deutschlandradio / Nick Pyenson)