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"Smoke on the water" von Deep Purple

Am 4. Dezember 1971 stand das Casino in Montreux in Flammen und die Band Deep Purple residierte in einem Nebengebäude. Sie nahmen gerade in einem mobilen Tonstudio ein neues Album auf. Der Qualm über dem Genfer See hat sie zu ihrem vielleicht größten Song inspiriert: "Smoke On The Water".

Von Uli Kniep | 10.12.2011
    Jaja, tausendmal gehört, ergo: überhört, sattgehört, und inzwischen hören wir gerne mal weg. Wie ungerecht. Allein die renaissance-hafte Klarheit dieses Riffs:

    "Smoke on the water" ist nicht nur ein Himmelgeschenk von einer Tonfolge, nein, auch das glänzende Zeugnis einer Mannschaftsleistung. Der unübertroffenen MK II-Besetzung von Deep Purple. Ian Gillan singt nicht vom Brand des Casions in Montreux, er erzählt davon, wie ein Kurzgeschichtenschreiber, ein Augenzeuge eben. Der Beat von Ian Paice ist mächtig, mitreißend, dabei eigentlich gemütliches Mitteltempo. Der ganze Song ist ein Muster an straffer Zurückhaltung, mit minutiös geplanten Freiräumen für Solo-Explosionen, auch von Jon Lord und Roger Clovers wummernden Bass. An vorderster Stelle natürlich das Solo von Richie Blackmore, vielleicht sein schönstes überhaupt.

    Den Gipfel der Unwiderstehlichkeit erklimmt "Smoke on the water" schließlich auf dem Live-Album "Made in Japan". Vielleicht gerade weil Richie Blackmore am Anfang danebengreift. Und die Relevanz seines Riffs durch spontane Repetition des Fehlers noch unterstreicht.

    Seine Einzeldarbietung gerät hier noch schärfer, energiegeladener, doch es bleibt das "Smoke on the water"-Solo.

    Seitdem ist dieser Song zum Abschuss freigegeben. Die vermeintliche Einfachheit verlockt zum Nachspielen, Top-40-Tanzkappellen auf der ganzen Welt tun es und bekommen es meist nicht hin. Bringt man "Smoke on the water" zu schnell, verliert es seine Grandezza. Denn die Sechszehntel auf der Hihat, dieser perkussive Langläuferpuls, sind dann nicht mehr zu schaffen oder klingen hektisch, den übrigen Instrumentalnuancen muss man hinschludern oder ganz weglassen. Unzählige Coverversionen von Profis unterspülen zusätzlich das Fundament dieser heimlichen Genfer See-Hymne. Die wohl schrecklichste stammt von Carlos Santana, einem der aufdringlichsten Dauersolierer auf dieser Erdrinde.

    Er spielt jede Lücke zu, und die Produktion ist viel zu fett. Dieser Song verträgt aber kein Zuviel. Am erfreulichsten sind noch die Coverversionen, die keine Kopie, sondern Neuinterpretationen sind, etwa von Senor Coconut oder der Jazzkantine:

    Es waren indes seine Schöpfer selber, die dem Song die Pforten der Verdammnis überhaupt erst aufgestoßen haben. Zunächst einmal, indem sie sich 1973 nicht entblöden, die Nummer auf Radioformat runterzudampfen. Auf Kosten – na klar – des Gitarrensolos, von dem nur noch zehn Sekunden übrig bleiben. Led Zeppelin hätten das nie getan. Die haben auf Singles gleich ganz verzichtet.

    Danach wird es immer schlimmer. Ian Gillan fliegt mehrfach bei Deep Purple raus, und seine Nachfolger werden Smoke on the water nie richtig verstehen. Und selbst Gillan treibt als Solist böse Scherze damit. Etwa mit dieser Pubrock-Variante unbestimmten Datums.

    Und Richie Blackmore, der Riff-Erfinder? Der mag "Smoke on the water" schon sehr bald nicht mehr leiden und bestraft das Publikum regelmäßig, indem er das Einzeltöne legiert oder das Solo lieblos improvisiert. Letzteres teilweise meilenweit von der Grundtonart entfernt.

    Auch der Rest der Band scheint den Respekt vor diesem Songmonster verloren zu haben. Wir erwähnten es schon: zu schnell, zu laut, zu wenig Nuancen.

    Wundergitarrist Steve Morse, der Richie Blackmore nach diversen Weggängen und Wiedereinstiegen 1995 endgültig ersetzt, macht bei "Smoke on the water" auch wenig richtig, so sehr er Deep Purple sonst gutgetan haben mag. Seine Music Man-Gitarre klingt im Vergleich zu Blackmores Stratocaster einfach zu vollmundig, und wenn er soliert, fallen im viel zu viele Dinge ein.

    So ist "Smoke on the water", wenn die Band es heute live spielt, vielleicht der letzte Beweis dafür, dass Deep Purple seit etwa 15 Jahren nur noch ihre eigene Coverband sind. Aber: einmal im Jahr kann man es sich anhören. Am besten auf "Made in Japan" in der Vinylversion, obwohl die so knistert, als sei "Somke on the water" direkt am Feuer aufgenommen worden.