Gefährlicher Trend?
Snus, Pouches, Nicopods - Warum Gesundheitsexperten vor Nikotinbeuteln gerade bei Jugendlichen warnen

Immer mehr Kinder und Jugendliche konsumieren aktiv Nikotin, obwohl sie niemals an einer Zigarette ziehen. Sie schieben sich - unsichtbar für Außenstehende - kleine Beutel mit Nikotin in den Mund: Snus, Pouches, Nicopods. Die Warnungen davor mehren sich. Hier einige Hintergründe.

    Eine Frau legt sich einen Nikotinbeutel an ihr Zahnfleisch.
    Die Nikotinbeutel, sogenanntes Snus, sind in Schweden weit verbreitet. (Imago / NTB / Imago / Annika Byrde)

    Was ist das überhaupt?

    Weiße Beutelchen werden zwischen Oberlippe und Zahnfleisch gesteckt. Sie enthalten ein Pulver aus Nikotinsalzen und Trägerstoffen. Über die Mundschleimhaut werden sie vom Körper aufgenommen. Sie erinnern an Tee-Beutel. Man spricht etwa von Pouches und Nicopods oder von deren Markennamen Zyn oder Velo. Ist den Beuteln zusätzlich Tabak beigefügt, spricht man schwedisch von "Snus". Die Produkte gelten als Alternative zu Zigaretten. Die Tabakindustrie hat sie vor dem Hintergrund zunehmender Unpopularität des Rauchens entwickelt - ähnlich wie E-Zigaretten. Da sie im Mund von außen kaum zu erkennen sind, werden Nikotinbeutel oft auch im Schulunterricht, im Kinderzimmer oder im Sportverein unbemerkt von Lehrern, Eltern und Trainern konsumiert. Bekannt gemacht haben sie unter anderem Profisportler in Sozialen Medien wie Tiktok, weil sie so Nikotin konsumieren können, ohne ihre Lungen zu schädigen.

    Was ist das Problem?

    Pouches können laut Suchtmedizinern stark abhängig machen. Ein Beutel enthält mitunter den Nikotingehalt von drei bis sechs Zigaretten. Nikotin ist eigentlich ein Nervengift, das Tabakpflanzen vor Fressfeinden schützt. Im menschlichen Gehirn kann Nikotin je nach Dosis eine angenehme und beruhigende oder auch eine aufputschende Wirkung entfalten. Bei zu viel Nikotin bestehen Vergiftungsgefahren. Sie können sich etwa durch Übelkeit oder Schwindel und letztlich durch Ohnmacht äußern. Viele konsumieren weitere Nikotinprodukte parallel zu Pouches wie herkömmliche oder elektrische Zigaretten.
    Die Warnungen von Experten zielen wie immer beim Rauchen primär auf die bekannten Risikogruppen Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende, Herzkranke und Nichtraucher. Bei Rauchern schränkt das Bundesamt für Risikobewertung seine Warnungen etwas ein. Ein Umstieg auf Nikotinbeutel könnte bei ihnen zur Schadensminimierung beitragen. Allerdings gibt es demnach noch zu wenig Daten zu Langzeiteffekten. Zudem wird auf Meldungen über Vergiftungsfälle hingewiesen, etwa wenn die Beutelchen versehentlich verschluckt wurden.

    Wie ist die rechtliche Lage?

    In der EU sind tabakhaltige Nikotinbeutel weitgehend verboten. Doch es gibt Ausnahmen und Graubereiche. Im Schweden ist der Verkauf von Snus aus traditionellen Gründen legal. Die tabakfreien Varianten fallen in Deutschland unter das Lebensmittelrecht. Damit gelten für sie strenge Vorschriften. Hohe Nikotinkonzentrationen sind nicht gestattet. Faktisch sind Pouches als Zigarettenersatz daher ebenfalls verboten. Eine spezielle gesetzliche Regelung gibt es hierzulande jedoch nicht. Über das Internet sind Nikotinbeutel vor allem aus dem Ausland leicht zu beschaffen. Aus Unkenntnis und wegen fehlender Kontrollen gibt es sie teilweise sogar in Tabakgeschäften, an Kiosken oder Tankstellen zu kaufen. Laut der Hansestadt Hamburg stellt die Kreativität der Hersteller bei der Schöpfung neuer Produkte die amtliche Überwachung immer wieder vor neue Herausforderungen.
    Der "Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse" setzt sich für eine Legalisierung der Nikotinbeutel im Rahmen des Tabakrechts an Erwachsene ein. Die Firmen befürworten die Freigabe unter anderem als Kampf gegen den Schwarzmarkt und als am wenigsten schädliche Option für Nikotinkonsum, da kein Rauch mehr inhaliert wird. Mit einer angemessenen und konsequent durchgesetzten Regulierung von Pouches in Deutschland könnte zudem der Jugend- und Verbraucherschutz verbessert werden, führte BVTE-Sprecher Mücke gegenüber dem Deutschlandfunk aus.

    Was sollte getan werden?

    Suchtmediziner fordern eine verbesserte Aufklärung über die neuen Produkte der Tabakindustrie und eine Ausweitung von Werbeverboten etwa auf die Sozialen Medien. Zudem appellieren sie an Erziehungsberechtigte, stärker auf solche Produkte bei ihren Kindern zu achten.
    Die Bundesregierung strebt auch für tabakfreie Nikotinbeutel eine Regelung auf EU-Ebene an. Ein Sprecher des Ernährungsministeriums sagte dem Deutschlandfunk, die tabakfreien Nikotinbeutel würden weltweit und ebenso auf dem EU-Markt gehandelt. Vor diesem Hintergrund sei eine EU-einheitliche Vorgehensweise und Regelung nötig.
    Diese Nachricht wurde am 02.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.