Es könnte für Besucher ein äußerst unangenehmes Erlebnis werden. Inmitten von Vitrinen mit Überbleibseln des Ersten Weltkriegs zu stehen, inmitten eines bestialischen Gestanks, der einen bleibenden Eindruck hinterlassen soll. Sissel Tolas ist Duftforscherin. Wissenschaftlerin, Chemikerin und Historikerin. Eine leicht exzentrische Frau im besten Alter mit weißen, glatten Haaren, hohen Absatzschuhen und sehr modisch gekleidet. Sie kommt ursprünglich von Island, lebt aber bereits seit Jahrzehnten in Deutschland. Jetzt steht sie in ihrer Berliner Altbauwohnung in ihrem Labor vor Stahlregalen, sämtliche Etagen voll mit kleinen Glasflaschen, 2500.
"Das sind Moleküle in Flaschen, also das ist flüssig, und das sind die Bausteine, aus denen der Geruch gemacht wird."
Keine Frage, Geruch wird unterschätzt. Gestank auch. Für Sissel Tolas ist Geruch keine Frage von gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, sondern eine Möglichkeit, Realitäten, die uns umgeben, zu reproduzieren. Geruch, sagt sie, sei eine wichtige Information, die völlig vernachlässigt wird; die sich im Unterbewusstsein abspielt. Jeder Mensch hat, so Tolas, eine riesige Bank von Geruchsinformationen zur Verfügung, von der aber nur maximal 20 Prozent genutzt werden.
"Der Erste Weltkrieg, die Schlachtfelder, war extrem, ich kann mir nur vorstellen, wie das da gerochen hat, ich war noch nie da, und ich habe keine Möglichkeit, Samples oder Analysen zu machen, ich muss alles auf Basis von Geschichte vorstellen, aber dadurch, dass ich sehr viel mit extremen Gerüchen arbeite, habe ich etwas Erfahrung und werde etwas hinkriegen, was die Leute schockiert. Darum geht’s, Ich mache da keinen Rosenduft."
Im Gegenteil, ekeln sollen sich die Besucher, so stark wie möglich. Sie sollen sich fühlen als würden sie im Schützengraben stehen. Der Schrecken des Kriegs bekommt dadurch eine neue Dimension. Besuch auf der Baustelle des Militärhistorischen Museums in Dresden: Avgi Stilidis ist die Leiterin der Museumspädagogik und steht jetzt vor der künftigen Vitrine mit der Duftstation, während um sie herum überall gearbeitet wird.
"Der Schützengraben riecht nach infernalischer Mischung aus verschiedenen Gerüchen, das ist einmal der Latrinengestank, Kot und Urin, dann Verwundung, Blut, Eiter, das stinkt. Dann Schweiß, Tabak, dann die Geschütze, der Granatdampf, die feuchte Erde, es ist eine Mischung, und was am aller schlimmsten war, ist der Leichengeruch der Verwesung. Und das ist ein ganz charakteristischer, einem schier den Atem raubender Geruch."
Und für so etwas gibt es weltweit nach eigenen Angaben nur eine einzige Kapazität. Sissel Tolas in ihrem Berliner Labor. Wie geht sie vor, um so etwas Furchtbares zu schaffen?
"Das ist ein längerer Prozess, es kommt drauf an, soll es eine Imitation sein oder eine 100-prozentige Kopie, und da haben wir verschiedene Geräte, um die Moleküle zu identifizieren. Zuerst kriegen wir einen Scan, wir kriegen eine Kurve, welche Moleküle dominant sind, der zweite Schritt ist die Identifikation, was ist das für ein Molekül, und der dritte Schritt ist dann, das Original mit den Molekülen zu vergleichen, die wir in der Chemie haben."
Wobei, sagt Sissel Tolas, die künstlerische Arbeit nicht in der Analyse besteht, sondern im Neukomponieren der verschiedenen Duftnuancen. Im Fall der Schützengräben werden es nicht alle Gerüche sein können, sondern nur eine Auswahl. Als Beispiel nennt sie den Gestank eines Schlachthauses, von am Fließband getöteten Tieren. Diesen Geruch hat sie einer Dresdner Museumsdelegation vorgeführt, und die war entsetzt. Ihre Duftstation ist bisher einmalig in Deutschland, das Militärhistorische Museum in Dresden betriftt damit Neuland. Nur in London gibt es etwas Ähnliches. Um die Station aber im Dresdner Museum ab Mitte Oktober überhaupt zu finden, wird man sich in die Tiefe der Geschichte begeben müssen. Bei oberflächlicher Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg wird der Besucher sie mit Sicherheit gar nicht entdecken, erklärt der Chef des Hauses, Oberst Matthias Rogg:
"Für den eiligen Besucher haben wir ein Angebot, das man im Bereich der Chronologie außen herumläuft, und wenn ich mich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen will, dann gehe ich hinein in das Innere einer Ebene, und kann dann differenzierte Informationen abgreifen. Und was wir hier haben, ist ein gutes Navigationssystem."
Und genau dort, im Zentrum des großen Raumes, in dem der Erste Weltkrieg dargestellt werden wird, soll man dann riechen können. Jeweils nur ein Besucher kann per Knopfdruck an wenigen Moleküle schnuppern. Denn nicht in der ganzen Ausstellung soll es stinken. Sissel Tolas hat sogar eine Methode, die Wirksamkeit ihrer Gerüche zu testen. Ganz unwissenschaftlich: an ihrer Katze. Wenn die wegläuft, sind sie gut.
"Das sind Moleküle in Flaschen, also das ist flüssig, und das sind die Bausteine, aus denen der Geruch gemacht wird."
Keine Frage, Geruch wird unterschätzt. Gestank auch. Für Sissel Tolas ist Geruch keine Frage von gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, sondern eine Möglichkeit, Realitäten, die uns umgeben, zu reproduzieren. Geruch, sagt sie, sei eine wichtige Information, die völlig vernachlässigt wird; die sich im Unterbewusstsein abspielt. Jeder Mensch hat, so Tolas, eine riesige Bank von Geruchsinformationen zur Verfügung, von der aber nur maximal 20 Prozent genutzt werden.
"Der Erste Weltkrieg, die Schlachtfelder, war extrem, ich kann mir nur vorstellen, wie das da gerochen hat, ich war noch nie da, und ich habe keine Möglichkeit, Samples oder Analysen zu machen, ich muss alles auf Basis von Geschichte vorstellen, aber dadurch, dass ich sehr viel mit extremen Gerüchen arbeite, habe ich etwas Erfahrung und werde etwas hinkriegen, was die Leute schockiert. Darum geht’s, Ich mache da keinen Rosenduft."
Im Gegenteil, ekeln sollen sich die Besucher, so stark wie möglich. Sie sollen sich fühlen als würden sie im Schützengraben stehen. Der Schrecken des Kriegs bekommt dadurch eine neue Dimension. Besuch auf der Baustelle des Militärhistorischen Museums in Dresden: Avgi Stilidis ist die Leiterin der Museumspädagogik und steht jetzt vor der künftigen Vitrine mit der Duftstation, während um sie herum überall gearbeitet wird.
"Der Schützengraben riecht nach infernalischer Mischung aus verschiedenen Gerüchen, das ist einmal der Latrinengestank, Kot und Urin, dann Verwundung, Blut, Eiter, das stinkt. Dann Schweiß, Tabak, dann die Geschütze, der Granatdampf, die feuchte Erde, es ist eine Mischung, und was am aller schlimmsten war, ist der Leichengeruch der Verwesung. Und das ist ein ganz charakteristischer, einem schier den Atem raubender Geruch."
Und für so etwas gibt es weltweit nach eigenen Angaben nur eine einzige Kapazität. Sissel Tolas in ihrem Berliner Labor. Wie geht sie vor, um so etwas Furchtbares zu schaffen?
"Das ist ein längerer Prozess, es kommt drauf an, soll es eine Imitation sein oder eine 100-prozentige Kopie, und da haben wir verschiedene Geräte, um die Moleküle zu identifizieren. Zuerst kriegen wir einen Scan, wir kriegen eine Kurve, welche Moleküle dominant sind, der zweite Schritt ist die Identifikation, was ist das für ein Molekül, und der dritte Schritt ist dann, das Original mit den Molekülen zu vergleichen, die wir in der Chemie haben."
Wobei, sagt Sissel Tolas, die künstlerische Arbeit nicht in der Analyse besteht, sondern im Neukomponieren der verschiedenen Duftnuancen. Im Fall der Schützengräben werden es nicht alle Gerüche sein können, sondern nur eine Auswahl. Als Beispiel nennt sie den Gestank eines Schlachthauses, von am Fließband getöteten Tieren. Diesen Geruch hat sie einer Dresdner Museumsdelegation vorgeführt, und die war entsetzt. Ihre Duftstation ist bisher einmalig in Deutschland, das Militärhistorische Museum in Dresden betriftt damit Neuland. Nur in London gibt es etwas Ähnliches. Um die Station aber im Dresdner Museum ab Mitte Oktober überhaupt zu finden, wird man sich in die Tiefe der Geschichte begeben müssen. Bei oberflächlicher Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg wird der Besucher sie mit Sicherheit gar nicht entdecken, erklärt der Chef des Hauses, Oberst Matthias Rogg:
"Für den eiligen Besucher haben wir ein Angebot, das man im Bereich der Chronologie außen herumläuft, und wenn ich mich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen will, dann gehe ich hinein in das Innere einer Ebene, und kann dann differenzierte Informationen abgreifen. Und was wir hier haben, ist ein gutes Navigationssystem."
Und genau dort, im Zentrum des großen Raumes, in dem der Erste Weltkrieg dargestellt werden wird, soll man dann riechen können. Jeweils nur ein Besucher kann per Knopfdruck an wenigen Moleküle schnuppern. Denn nicht in der ganzen Ausstellung soll es stinken. Sissel Tolas hat sogar eine Methode, die Wirksamkeit ihrer Gerüche zu testen. Ganz unwissenschaftlich: an ihrer Katze. Wenn die wegläuft, sind sie gut.