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"So stark schwanken Börsen nun mal"

Wer als Anleger kein allzu hohes Risiko eingehen möchte, sollte neben Aktien zum Beispiel auch Zinspapiere halten, sein Geld in offene Immobilienfonds stecken oder in Edelmetalle anlegen, sagt Niels Nauhauser, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg.

Niels Nauhauser im Gespräch mit Theo Geers |
    Theo Geers: Niels Nauhauser am Telefon, Geldanlageexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Guten Tag, Herr Nauhauser!

    Niels Nauhauser: Ja, guten Tag, Herr Geers!

    Geers: Ja, Herr Nauhauser, die Börsen melden heute schon wieder Kursverluste, sprechen wir zunächst über die, die Aktien besitzen und jetzt Kursverluste haben. Was sollten diese Anleger tun beim Blick in ihr Depot?

    Nauhauser: Also, man sollte sich von den aktuellen Stimmungen an den Börsen überhaupt nicht beeinflussen lassen. Die Börsen schlagen täglich Kurskapriolen, das werden sie immer machen in Zukunft, das haben sie in der Vergangenheit immer getan. Und das, was wir da in den jüngsten Tagen gesehen haben, ist nicht das, was an den Börsen wirklich jetzt Schwarze Freitage zu nennen ist. Da gab es also durchaus dunklere Freitage. Also, Börse, das ist ein Auf und ein Ab, das muss man wissen, wenn man sich auf Aktien einlässt, und von daher ist es wichtig natürlich, wenn man in Aktien investiert, zu wissen: Ich lege langfristig das Geld an, das ist eine Voraussetzung, und ich bin natürlich auch bereit, diese Risiken zu tragen. Und man muss eben einfach bereit sein, die Hälfte seines Kapitals zu verlieren, denn so stark schwanken Börsen nun mal. Selbst wenn man breit streut über verschiedene Länder und über verschiedene Länder, das muss man aushalten können, sonst sind Aktien nicht die richtige Anlageform.

    Geers: Nun sind ja Panikverkäufe immer schlecht. Andererseits heißt ein oft gehörter Ratschlag: Bei Kursverlusten irgendwann, also ich sag jetzt mal als Beispiel, bei minus zehn Prozent bei einer Aktie sollte man die Reißleine ziehen, nach dem Motto, besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Sagen Sie das ähnlich, sehen Sie das ähnlich?

    Nauhauser: Das ist aus meiner Sicht der ganz und gar falsche Ansatz. Also, man kann natürlich die Risiken begrenzen, wenn man nicht so risikobereit ist. Dann sollte man aber nicht aus Aktien aussteigen, nur weil die Börsen mal das Zittern gerade anfangen, sondern dann muss man vornherein seine Aktienquote so dosieren, dass man eben diese Schwankungen besser aushält. Also ein Beispiel: Wenn Sie 10.000 Euro investieren und überlegen, na ja, eigentlich will ich gar nicht mehr als zehn Prozent verlieren, also 1000 Euro darf es runtergehen, mehr aber nicht, dann sollte man einfach nicht 10.000 Euro in Aktien stecken, sondern beispielsweise nur 8000 Euro sicher anlegen und nur 2000 Euro in Aktien investieren. Denn dann können die 2000 Euro sich mal jederzeit halbieren - hat man 1000 Euro verloren -, aber die 8000 Euro sind sicher und bringen Zins und Zinseszins. Das ist eine vernünftige Herangehensweise daran, die Risiken zu begrenzen. Aber jetzt einen Stop-loss oder eine Reißleine ziehen, das wäre falsch, Hin und Her macht Taschen leer.

    Geers: Hin und Her macht Taschen leer, ein guter Spruch. Es gibt noch mehr Börsenweisheiten, Herr Nauhauser: Wenn man zum Beispiel zu dem Schluss kommt, ein Ausstieg, ein Verkauf ist doch besser, vielleicht aber auch nur teilweise, stellt sich ja die Frage, wohin mit dem Geld. Soll man dann wieder nach dem Grundsatz vorgehen, Kopf freihalten von vermeintlich sicheren Tipps, eigene Lage analysieren, eigene Anlageziele festlegen?

    Nauhauser: Ja, wohin mit dem Geld, das ist natürlich eine sehr individuelle Frage. Es gibt vielleicht auch Verbraucher, die haben noch Schulden, die möchten sie dann ganz gerne abzahlen, weil sie da sich viereinhalb Prozent Darlehenszins drauf ersparen, dann ist es für den Fall sicherlich gut, tatsächlich vielleicht noch eine Sondertilgung zu leisten, statt da weiter auf Pump am Aktienmarkt zu investieren. Oder für den nächsten ist es gut auch, das Geld jetzt einfach mal für drei oder vier Jahre fest anzulegen und dafür vier Prozent Zinsen zu kassieren. Da muss man sich einfach überlegen: Will ich es langfristig anlegen, kurzfristig, kann ich Risiken tragen, ja oder nein? Und so entsprechend muss man sich dann die Produkte raussuchen.

    Geers: Ja, Stichwort Produkte raussuchen, Herr Nauhauser: Derzeit ist ja die Suche nach sogenannten sicheren Häfen sehr angesagt. Nehmen wir mal ein konkretes Beispiel: Da hat jemand eine Aktie mit vier Prozent Dividendenrendite, die auch noch bei fallenden Kursen sozusagen etwas abwirft und im Zweifel sogar mehr als eine sichere Bundesanleihe, die derzeit nur zwei Prozent bringt; oder denken wir an Gold, das ist jetzt schon sehr teuer und es bringt überhaupt gar keine Zinsen. Also, soll man dann im Zweifel lieber an solchen Dividendenpapieren, sprich Aktien festhalten?

    Nauhauser: Also, den ganz sicheren Hafen, den gibt es nicht. Den suchen viele Anleger vergeblich und den mögen viele Anleger tatsächlich im Gold sehen oder in solchen Dividendenpapieren, aber es gibt ihn wirklich nicht. Aktienmärkte schlagen Kapriolen, der Goldpreis kann genau so schnell fallen, wie er steigt. Das Einzige, was man wirklich als sicheren Hafen, einen vergleichsweise sicheren Hafen bezeichnen kann, ist eine breit gestreute Anlage, also nicht alles auf eine Karte setzen, neben dem Aktienmarkt vielleicht auch noch Zinspapiere halten, wo man stabile Erträge jedes Jahr hat, oder einen Teil noch in offene Immobilienfonds stecken, viele verschiedene offene Immobilienfonds oder die selbst genutzte eigene Immobilie, und einen Teil dann vielleicht auch in Edelmetalle. Und so kann man einfach Verluste aus einer Anlageklasse, wenn heute die Börsen in den Keller rauschen, was in den letzten paar Tagen passiert ist, dann ist gleichzeitig der Goldpreis gestiegen, so können sich diese Verluste dann gegenseitig ein bisschen ausgleichen, also dass man unterm Strich ein bisschen entspannter durch so eine Krise wie aktuelle eine Schuldenkrise fahren kann.

    Geers: Kühlen Kopf bewahren und vor allem nicht alles Geld in ein einziges Nest legen, wie manche Börsianer sagen, sondern diversifizieren und Anlagen streuen, das rät Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an Börsentagen wie diesen. Vielen Dank nach Stuttgart!

    Nauhauser: Sehr gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.