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So viel kosten Ihre Jeans wirklich

Ob für zehn Euro oder 150 Euro Ladenpreis: Jeans werden überwiegend unter katastrophalen Arbeitsbedingungen hergestellt. Zwei Filmemacher des NDR haben Fabriken in China besucht und smog- und chemikalienvergiftete Arbeitsumgebungen vorgefunden. Doch nicht nur die Arbeiter leiden für unsere Jeansmode.

Benjamin Hammer im Gespräch mit Michael Höft |
    Benjamin Hammer: Um das Jahr 1850 herum suchte ein deutscher Auswanderer nach einer guten Arbeitskleidung für Goldgräber in Kalifornien. Heraus kam die Jeans, und seitdem hat sie sich zu einem der beliebtesten Kleidungsstücke der Welt entwickelt. Rund 150 Jahre später ist der Markt förmlich überschwemmt mit der meist blauen Hose. Kein Problem ist es, eine Jeans für rund zehn Euro zu kaufen. Zehn Euro? Zwei Journalisten haben sich die Frage gestellt, wie ein so niedriger Preis wohl zustande kommt. Herausgekommen ist eine Dokumentation, die heute Abend im NDR-Fernsehen läuft. "Der Preis der Blue Jeans" haben sie ihren Film genannt, und am Telefon bin ich nun verbunden mit einem der Autoren, Michael Höft. Hallo, Herr Höft.

    Michael Höft: Schönen guten Tag, ich grüße Sie.

    Hammer: Eine Jeans für einen Preis von zehn Euro beim Discounter. Kann das gut gehen? Wie sieht es denn mit den sozialen Standards aus?

    Höft: Ja, die sozialen Standards sind nicht wirklich schön in China. Aber man muss sagen, es hat gar nicht wirklich was zu tun mit Billig-Jeans und mit teurer Jeans. Die Produktionsbedingungen sind allgemein in China wirklich schlecht. Man muss sich vorstellen, dass 600 Millionen Jeans ungefähr im Jahr dort produziert werden, und die Bedingungen sind wirklich gleich. Ob ich die klassische 9,99-Jeans kaufe, oder ob ich die 150-Euro-Jeans kaufe, die Bedingungen, in denen sie produziert werden, sind fast identisch.

    Hammer: Sie sind nach China geflogen. Was haben Sie in den Fabriken dort gesehen?

    Höft: Was wir dort gesehen haben? Wir sind rübergefahren von Hongkong nach China, dort ist ein Dunsthimmel, also es ist wirklich Smog komplett, und die Leute haben uns gesagt, so ist es hier seit zehn, seit 15 Jahren. Das einzige Mal, dass wir die Sonne gesehen haben, war in der Zeit der Olympischen Spiele, als wir die Fabriken abschalten mussten. Wenn man dann in die Fabriken reingeht, wird es eigentlich noch umso schlimmer. Die Arbeitsbedingungen in den Nähereien sind natürlich sehr hart, aber wo es natürlich noch schlimmer ist, sind die sogenannten Wäschereien, weil dort wird dieser Used-Look produziert, wissen Sie, die abgeschubberten Knie und Falten oben, dass es so aussieht, als würde man die Jeans schon seit fünf Jahren tragen. Das will der Verbraucher und diese Produktion ist problematisch, weil man relativ viel Chemikalien einsetzen muss, um diesen Look zu erzeugen. Kaliumpermanganat zum Beispiel, Hypochlorid wird dort verwandt und die Leute spritzen das auf die Jeans, oft auch ohne Mundschutz, ohne irgendwelchen Schutz. Also das ist schon sehr hart für die Menschen, die dort arbeiten, aber für die Umwelt natürlich auch.

    Hammer: Sie sagen, es ist auch sehr hart für die Umwelt. Was haben Sie da beobachtet?

    Höft: Die Klärmöglichkeiten in den chinesischen Fabriken sind wirklich sehr kläglich. Sehr viel geht einfach direkt in die Flüsse, und das heißt, das Perlfluss-Delta – das ist ja der große Strom, der dort fließt, also im ehemaligen Canton -, da sind die Leute von abhängig, von diesem Fluss. Die bekommen ihr Trinkwasser aus diesem Fluss, die waschen teilweise noch in diesem Fluss, also alles hängt an diesem Fluss, aber die ganzen Abwässer gehen da mehr oder weniger ungeklärt rein. Das ist wirklich eine ökologische Katastrophe.

    Hammer: Herr Höft, nicht viele Hersteller beziehungsweise Mode-Labels in Deutschland haben mit Ihnen gesprochen. Gesprochen hat zum Beispiel aber die Discount-Kette Kik, und die haben formuliert sehr viele soziale Standards, ökologische Standards, aber bei der Umsetzung, da hapert es dann immer. Warum ist das so? Wenn wir mit H&M sprechen, wenn wir mit Kik sprechen, dann gibt es da immer eine Menge Versprechen, aber wenn man sich die Fabriken vor Ort anschaut, dann ist das ein ganz anderes Bild. Warum klappt das nicht?

    Höft: Grundsätzlich wollen die Firmen natürlich günstige Jeans kaufen, und deshalb nimmt man das auch durchaus in Kauf, dass die Bedingungen dort sehr schwierig sind. Man sagt uns natürlich immer, man ist interessiert, dass es sich verbessert, es soll besser werden, die Menschen sollen würdiger arbeiten, der Natur soll es besser gehen. Aber am Ende verweisen diese Firmen immer auf die Regierung, sagen ja, wir können ja viel machen, aber die chinesische Regierung, die muss da wirklich eingreifen. Wir wollen das zwar, aber ziehen uns am Ende dann eher zurück. Also es geht eigentlich immer um große Ausreden.

    Hammer: Und Sie können uns nicht beruhigen, wenn ich mir eine Jeans für 60, 70, 80 Euro kaufe, dann kann die genauso schmutzig sein, sozial und ökologisch?

    Höft: Das tut mir sehr leid, ich kann Sie da wirklich nicht beruhigen. Die teueren Jeans, die aus China kommen, sind wirklich unter den meist gleichen Produktionsbedingungen hergestellt. Das Einzige, was man vielleicht machen kann – und selbst da gibt es keine hundertprozentige Garantie – ist, wenn man sogenannte Fair Trade Produkte kauft, also fair gehandelte. Da sind die Chancen, dass man was Vernünftiges kriegt, deutlich höher, wenn sicherlich auch nicht hundertprozentig.

    Hammer: "Der Preis der Blue Jeans" – die Dokumentation heute Abend im NDR. Vielen Dank, Michael Höft in Hamburg.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Doku: Der Preis der Blue-Jeans (NDR)