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Social Benches

Eine Bank ist nicht eine Bank - in vielen Städten sind die Sitzbänke im öffentlichen Stadtpark seit Kurzem gespendet. Anderswo sind sie aus Angst vor Vandalismus längst entfernt worden, und der Flaneur sucht vergeblich nach einer Sitzgelegenheit. Doch es geht anders: Auf dem Vorplatz des Bonner Kunstvereins stehen vier vom Künstler Jeppe Hein entwickelte Parkbänke, die ein Jahr lang die Besucher anregen sollen, sich im öffentlichen Raum anders als gewohnt zu verhalten.

Von Beatrix Novy | 17.05.2008
    Kunst in der Stadt war früher das frei stehende Denkmal auf einem Platz. Kunst in der Stadt heute steht Seit an Seit mit den unzähligen Gegenständen ihrer Umgebung, und ob sie sich abhebt von der Vielfalt und oft auch den Schrecknissen des öffentlichen Designs, das hängt von ihrem Eigensinn ab. Sie kann protestieren gegen die Herrschaft des Verkehrs oder andere Vereinnahmungen des öffentlichen Raums, sie kann sich freundlich einschleusen - oder sie gibt sich harmlos selbst als Stadtmöbel.

    Jeppe Hein, das ist ein junger dänischer Künstler, der in Berlin lebt, macht Bänke, die erst sagen: "Ich bin eine Bank", und dann ihr Zeichenhaftes preisgeben. Weiß gestrichen, eckig, konventionell gefertigt, aber etwas ist anders. Die Sitzfläche da zum Beispiel ist zweifach gezackt aufgeworfen.

    Man könnte annehmen, so eine Bank sei bloß ein Kunstwerk, zumal sie vor dem Bonner Kunstverein steht. Tatsächlich können zwei Personen Rücken an Rücken sehr bequem auf dieser Bank lagern, in rückenfreundlicher Sitzhaltung. Schenkel schräg hoch. Ihre Köpfe kommen sich dabei sehr nahe.

    Vier Bänke hat Jeppe Hein dahin gestellt, wo der Bonner Kunstverein endlich den Einklang mit dem schön renovierten Innenleben des Hauses herstellen will: ein kleiner Vorplatz an einer viel befahrenen Straße, bisher unschön als Parkfläche benutzt, jetzt freigeräumt, um ein Verbindungsraum zum gemischt-lebendigen Stadtteil zu werden. Dabei hilft ein Cafébetrieb - und Jeppe Heins Bänke. Sie laden nur unter anderem zum Sitzen ein. Eine bildet ein S mit scharfen Ecken - das ist doch die gute alte Causeuse, das Sofa mit Blickkontakt aus der Salonkultur des 18. Jahrhunderts, ein ausgesprochen kommunikatives Möbel.

    "Als Kunsthistoriker", sagt Christina Végh, Leiterin des Bonner Kunstvereins, "können Sie mit Positionen wie Dan Graham (…) eine ganze Tradition von Künstlern aufschlüsseln (…) zwischen Kunst und Architektur (…) vielschichtige Arbeit leisten, aber umgekehrt müssen Sie gar nichts über Kunst wissen, und Sie sehen diese Bank und können was damit anfangen."

    Während die Bank mit einem aus der Sitzfläche elegant aufgerollten Brett auf Anhieb zumindest keine reale Benutzungsmöglichkeit offenbart, bietet die mit dem weggeschnittenen Mittelteil jedem denkbaren Verhaltensmuster Raum. Auf zwei übrig gebliebenen Sitze an jedem Ende kann man sich demonstrativ wegdrehen; oder sich dem anderen oder einander zuwenden und dabei die Beine übereinanderschlagen oder ganz normal geradeaus sitzen. Eine Multioptionsbank, die auch die Entwerfer des Public Design begeistern müsste: Dies ist eine Bank, die sich ein Obdachloser und ein behauster Bürger teilen könnten.

    "Die Bänke, das kann man hochpolitisch sehen, es gibt ja diese Bänke, die vom Stadtmarketing aufgestellt werden mit fiesen Noppen, dafür, dass die homeless auf keinen Fall auf der Bank übernachten."

    Eine Sitzbank, so harmlos altbacken sie wirkt, ist in Wahrheit ein hochbrisantes Möbel, eins, das schon in seiner Doppelfigur von Distanz und Kommunikation zeigt, wo’s hingeht in unserem öffentlichen Miteinander. An ihm arbeiten sich seit Jahren die Designer der Stadtraummöblierung ab; ihnen ist die Erfindung der explizit pennerfeindlichen Einzelsitzschale zu danken, die das in der Massengesellschaft virulente Problem unerwünschter Nähe gleich mit erledigt. Dass Bänke in purer Vorwegnahme vandalisierender Zweckentfremdung aus dem Lebensraum Stadt entfernt werden, fällt immer dann auf, wenn man mal wieder mit einem an der Theke gekauften Hörnchen Eis außerhalb der kommerziellen Areale vergeblich einen gemütlichen Sitzplatz sucht.

    Die Bänke vor dem Kunstverein laden zum Sitzen ein - unter anderem. Als Kunst sind sie per definitionem autonom, ortlos. Ob diese Kunst einen Sozialraum definieren kann, muss sich erst zeigen. Ein Jahr hat sie Zeit dazu.