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Software-Firma Palantir
Superstar der US-Überwachungsindustrie

Der Konzern Palantir bereitet riesige Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen auf, damit Konzerne, Polizeibehörden und Geheimdienste sie auswerten können. Die Software-Firma gibt sich als Verteidiger der freien Welt, doch Bürgerrechtsorganisationen warnen vor den Softwareprodukten.

Von Heike Wipperfürth |
Hauptquartier der Firma Palantir in Palo Alto
Hauptquartier der Firma Palantir in Palo Alto (dpa/ Andrej Sokolow)
Auftritt im US Fernsehsender CNBC von Alex Karp. Der Leiter der umstrittenen Softwarefirma Palantir Technologies gibt sich als Verteidiger der freien Welt. Die Kernaufgabe seines Unternehmens sei immer schon gewesen, die westliche Welt und vor allem die USA zur stärksten Macht der Welt zu machen, um Frieden und Wohlstand zu sichern, sagte er.
Unterstützung des CIA
Gemeinsam mit dem deutschstämmigen PayPal-Milliardär Peter Thiel gründete der Amerikaner das nach sehenden Steinen in der Fantasy-Geschichte "Herr der Ringe" benannte Unternehmen 2004 im kalifornischen Silicon Valley – mit finanzieller Unterstützung des US-Auslandsgeheimdienstes CIA.
2.500 Mitarbeiter sichern riesige Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen und bereiten sie auf, damit Konzerne, Polizeibehörden und Geheimdienste sie auswerten können. So hat sich das Unternehmen innerhalb der letzten 16 Jahre zu einem Superstar der Überwachungsindustrie entwickelt.
Firma will vom Kampf gegen das Coronavirus profitieren
Regierungen würden bei der weltweiten Suche und Entfernung von Terroristen auf die Produkte seiner Firma zurückgreifen, so Karp in einem Interview mit der US Nachrichtenwebsite Axios. Karp hat in Frankfurt in Sozialtheorie promoviert und sitzt im Aufsichtsrat von BASF und im Aktionärsausschuss von Axel Springer. Jetzt will der 52-Jährige vom Kampf gegen das Coronavirus profitieren.
Seine Firma bot Deutschland, Frankreich, Östereich und der Schweiz laut Zeitungsberichten bereits ein Softwareprogramm an, das unter anderem Kapazitätsengpässe in Krankenhäusern entdecken soll, damit sie den Überblick über die Krise behalten. In Großbritannien und den USA arbeitet Palantir bereits mit den Gesundheitsbehörden zusammen, um die Ausbreitung der Pandemie zu verfolgen. Bürgerrechtler wie der New Yorker Jurist Albert Fox Cahn halten das für einen großen Fehler.
"Die gleiche Technologie im öffentlichen Gesundheitswesen wie bei politischen Morden der CIA im Ausland anzuwenden, ist sehr gefährlich, denn wir haben nicht so gute Schutzmaßnahmen gegen Unternehmen wie Palantir. Viele Gemeinschaften, die als besonders gefährdet gelten, werden sich aus Angst vor Überwachung nicht testen oder behandeln lassen. Das heißt, dass sich das Virus weiter ausbreitet."
Bürgerrechtsorganisation ACLU warnt vor Softwareprodukten
Palantir sagt, es nehme den Schutz der Daten sehr ernst. Doch auch die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU warnt vor seinen Softwareprodukten. Sie seien wie ein "totalitärer Alptraum, weil sie die Aktivitäten unschuldiger Amerikaner im grossen Stil überwachen könnten". So haben Polizeibehörden in New Orleans und Los Angeles die Software zur Kriminalitätsbekämpfung erworben, aber nach Rassismus- und Intransparenzvorwürfen wieder abgeschafft.
Und: "Es ist schon ironisch, dass wir keine guten Daten haben, um die Wirksamkeit der datenbezogenen Polizeiarbeit zu beurteilen. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob es durch die Software zu mehr Festnahmen kam", sagt Sarah Brayne, eine Soziologieprofessorin an der Universität von Texas in Austin, die den Umgang der Polizei in Los Angeles mit der Software zweieinhalb Jahre lang erforscht hat.
Hinzu kommt: Laut der Aktivistengruppe Mijente hat Palantir entgegen früherer Behauptungen von Alex Karp eine Software entwickelt, mit deren Hilfe die US Regierung Einwanderer ohne Papiere von ihren Kindern trennen und abschieben kann. Trotz heftiger Proteste einiger Mitarbeiter und tausender Studierender hat Karp den Vertrag mit der zuständigen US Einwanderungsbehörde ICE erneuert.
Kunden auch bei der deutschen Polizei
Karp sagt, er habe diese schwierige Entscheidung getroffen, weil sich sein Unternehmen wie auch die Kritiker an die Gesetze des Landes halten müssten. Die Kontroverse scheint dem Unternehmen mit einer geschätzten Bewertung von 20 Milliarden Dollar bis jetzt nicht besonders geschadet zu haben. Es will noch in diesem Jahr den Sprung an die Börse wagen und ergattert immer mehr Aufträge aus In-und Ausland. So hat die Polizeibehörde von Nordrhein-Westfalen nach Hessen jetzt seine Software zur Kriminalitätsbekämpfung erworben.
Dennoch macht Palantir munter weiter und baut auch auf Kontroversen auf: Die Firma übernahm die Entwicklung künstlicher Intelligenz für ein Drohnenprojekt des Pentagons von Google, nachdem tausende von Mitarbeitern den Internetkonzern aufforderten, seine Finger vom Kriegsgeschäft zu lassen.
Karp sagt, Frontkämpfer, deren Leben von seiner Software abhängt, würden ihr nicht mehr trauen, wenn er ein Projekt auf Eis legt, nur weil es nicht populär ist. Ob der Mann mit dem Wuschelkopf und Dreitagebart Anleger mit Argumenten dieser Art von den Vorzügen der Privatisierung von Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen überzeugen kann, bleibt abzuwarten. Ebenso wenig wie Google wollen sie als "böse" bezeichnet werden – und sei es nur aus Imagepflege. Bleibt also nur der Ruf nach strengen Datenschutz-Gesetzen, doch der verhallt in Washington derzeit noch fast ungehört.