Nichts hat William Forsythe in den grauen Theatersaal des Festspielhauses Hellerau hineinbauen lassen, nichts als eine Lichtinstallation teils pastellzart eingetönter Neonröhren unter der Decke, von Spencer Finch so konstruiert, dass sie sich wunderschön dem kargen Raum einfügt und zugleich durch dramatische An-Aus-Effekte für gewitterartige Veränderungen sorgen kann.
Hinten warten, von Säulen halb verborgen, verschlossene Türen, links und rechts der leeren hellen Spielfläche gähnen hohe Toröffnungen wie schwarze Löcher, groß genug, um einen LKW einfahren zu lassen. Forsythe aber schickt nicht mehr als ein paar - Überraschung ! - Shakespeare-Figuren heraus: Narren, Totengräber, Brudermörder mit rosa Mützchen und schottischem Rautenmuster auf den Beinlingen, in farbige Sturmhauben und Kapuzenpullover gekleidete Höflinge und Intriganten. Eine Ophelia in Turnschuhen, ach, alle in Turnschuhen, wahrscheinlich auch, weil deren Sohlen so gute Musik machen auf dem Tanzteppich.
Nichts außer diesem Quietschen ist für lange Zeit zu hören an diesem Tanztheaterabend, der nicht "Hamlet" heißt und doch Abwandlungen von Shakespeares "Sein oder Nichtsein" in Leuchtschrift an die kahle Wand wirft. Zur Verstärkung der hoffnungslosen Stimmung setzt Komponist Thom Willems noch etwas wummernde Bässe ein.
Das war's dann schon an Musik an diesem Abend. Ansonsten untermalen Sohlenquietschen und das Knallen von umfallenden, Sarkophag-großen Pappkartonplatten jenes Gemurmel und lustige Gekrächze in Fantasiesprache, das die Tänzer als dreimal durch die Avantgarde-Mangel gedrehte Shakespeare-Antidarsteller von sich geben.
Alle in Turnschuhen, alle mit Papp-Grabplatten bewehrt, alle am Ende in ein gebetsartiges Geplapper verwickelt, alles ohne dass man begriffe, warum Hamlet von Forsythe, was begründet den Zugriff des Choreografen auf das Stück. Es gibt keinen verständlich gesprochenen Text, es gibt nur das berühmte virtuose Anti-Körpertheater von Forsythe - in dem die Gliedmaßen verdreht, verknotet, geschlenkert werden, in dem die Tänzer hinken, stolpern, verschleifen, fallen, ihre Torsi verschrauben, im dem Bewegungsimpulse von falsch getakteten Synapsen auszugehen scheinen, oder von grünen Männern vom Mars befohlen sind.
Fein. Nun schubsen sich in "Sider", wie das neue Stück heißt, alle 13 fabelhaften Tänzer eben noch mit Pappe umher, als wäre der andere jeweils ein Jeton auf einem Roulettetisch. Das sind so Regeln, die hinter der Bühne vereinbart wurden und den Fluss des Geschehens dirigieren. Forsythe ist seinen Tänzern live während der Aufführung über kleine Hörgeräte zugeschaltet.
So kann er ihnen nicht nur den Soundtrack einer klassischen englischen Hamlet-Aufzeichnung zuspielen, sondern ihnen über dieser Tonspur noch Anweisungen zurufen, welche Regel spontan anzuwenden sei oder welche Sequenzen jetzt folgen sollen. Am Ende robbt und kriecht Fabrice Mazliah als Hamlet wieder über den Boden, kalt dirigiert von Mutter Gertrud und ihren Papp-Platten.
Das Interessante wird sein zu sehen, ob diese Art von verborgenem Hamlet in Forsythes Arbeit ein neues Interesse an Semantik ankündigt. Mit "Sider" haben die Tänzer und ihr Choreograf ein Stück geschaffen, dessen Herstellungsprozess einschließlich der eigentlichen Aufführung für sie wesentlich faszinierender sein muss als das Zusehen für das Publikum. Der Tanz ist darin zu einem Nebeninteresse herabgesunken, aber andere hermeneutisch erschließbare Sinnträger - schauspielen, verständlichen Text sprechen - sind nicht erkennbar genug an die Stelle des Tanzes getreten.
Es kann natürlich auch der Sinn einer Aufführung sein, Inszenierungsversuche als von vornherein zum Scheitern verurteilte, total veraltete Konzepte darzustellen. Das aber haben wir schon unterhaltsamer und schlüssiger bewiesen bekommen. "In disarray" steht auf einer der umhergetragenen Pappen gedruckt, in Unordnung. Es gibt gewiss viel Unordnung in der Welt, aber es ist das Vermögen der Kunst, sie so geordnet vorzuführen, das wir etwas über das Wesen dieser Unordnung begreifen. Sonst würde es reichen, eine Weile vor die Tür zu treten.
Hinten warten, von Säulen halb verborgen, verschlossene Türen, links und rechts der leeren hellen Spielfläche gähnen hohe Toröffnungen wie schwarze Löcher, groß genug, um einen LKW einfahren zu lassen. Forsythe aber schickt nicht mehr als ein paar - Überraschung ! - Shakespeare-Figuren heraus: Narren, Totengräber, Brudermörder mit rosa Mützchen und schottischem Rautenmuster auf den Beinlingen, in farbige Sturmhauben und Kapuzenpullover gekleidete Höflinge und Intriganten. Eine Ophelia in Turnschuhen, ach, alle in Turnschuhen, wahrscheinlich auch, weil deren Sohlen so gute Musik machen auf dem Tanzteppich.
Nichts außer diesem Quietschen ist für lange Zeit zu hören an diesem Tanztheaterabend, der nicht "Hamlet" heißt und doch Abwandlungen von Shakespeares "Sein oder Nichtsein" in Leuchtschrift an die kahle Wand wirft. Zur Verstärkung der hoffnungslosen Stimmung setzt Komponist Thom Willems noch etwas wummernde Bässe ein.
Das war's dann schon an Musik an diesem Abend. Ansonsten untermalen Sohlenquietschen und das Knallen von umfallenden, Sarkophag-großen Pappkartonplatten jenes Gemurmel und lustige Gekrächze in Fantasiesprache, das die Tänzer als dreimal durch die Avantgarde-Mangel gedrehte Shakespeare-Antidarsteller von sich geben.
Alle in Turnschuhen, alle mit Papp-Grabplatten bewehrt, alle am Ende in ein gebetsartiges Geplapper verwickelt, alles ohne dass man begriffe, warum Hamlet von Forsythe, was begründet den Zugriff des Choreografen auf das Stück. Es gibt keinen verständlich gesprochenen Text, es gibt nur das berühmte virtuose Anti-Körpertheater von Forsythe - in dem die Gliedmaßen verdreht, verknotet, geschlenkert werden, in dem die Tänzer hinken, stolpern, verschleifen, fallen, ihre Torsi verschrauben, im dem Bewegungsimpulse von falsch getakteten Synapsen auszugehen scheinen, oder von grünen Männern vom Mars befohlen sind.
Fein. Nun schubsen sich in "Sider", wie das neue Stück heißt, alle 13 fabelhaften Tänzer eben noch mit Pappe umher, als wäre der andere jeweils ein Jeton auf einem Roulettetisch. Das sind so Regeln, die hinter der Bühne vereinbart wurden und den Fluss des Geschehens dirigieren. Forsythe ist seinen Tänzern live während der Aufführung über kleine Hörgeräte zugeschaltet.
So kann er ihnen nicht nur den Soundtrack einer klassischen englischen Hamlet-Aufzeichnung zuspielen, sondern ihnen über dieser Tonspur noch Anweisungen zurufen, welche Regel spontan anzuwenden sei oder welche Sequenzen jetzt folgen sollen. Am Ende robbt und kriecht Fabrice Mazliah als Hamlet wieder über den Boden, kalt dirigiert von Mutter Gertrud und ihren Papp-Platten.
Das Interessante wird sein zu sehen, ob diese Art von verborgenem Hamlet in Forsythes Arbeit ein neues Interesse an Semantik ankündigt. Mit "Sider" haben die Tänzer und ihr Choreograf ein Stück geschaffen, dessen Herstellungsprozess einschließlich der eigentlichen Aufführung für sie wesentlich faszinierender sein muss als das Zusehen für das Publikum. Der Tanz ist darin zu einem Nebeninteresse herabgesunken, aber andere hermeneutisch erschließbare Sinnträger - schauspielen, verständlichen Text sprechen - sind nicht erkennbar genug an die Stelle des Tanzes getreten.
Es kann natürlich auch der Sinn einer Aufführung sein, Inszenierungsversuche als von vornherein zum Scheitern verurteilte, total veraltete Konzepte darzustellen. Das aber haben wir schon unterhaltsamer und schlüssiger bewiesen bekommen. "In disarray" steht auf einer der umhergetragenen Pappen gedruckt, in Unordnung. Es gibt gewiss viel Unordnung in der Welt, aber es ist das Vermögen der Kunst, sie so geordnet vorzuführen, das wir etwas über das Wesen dieser Unordnung begreifen. Sonst würde es reichen, eine Weile vor die Tür zu treten.