Man sollte die Schuhe ausziehen und in diese flauschigen Badelatschen schlüpfen, die das Museum bereitstellt. Inwieweit man sich entkleidet, bleibt jedem selbst überlassen; jedenfalls ist der weiße Bademantel Pflicht, den offenbar nicht nur Udo Jürgens bevorzugte. Hier dient er der Verwandlung von Ausstellungsbesuchern in Saunagänger – obgleich man die Sauna selbst in Sol Caleros Environment vergeblich suchen wird.
Es gibt eine Dusche, aus der kein Wasser kommt, Topfpflanzen und Getränke, einen Ruheraum, in dem die Ruhe durch einen ziemlich rabiaten Film gestört wird, und jede Menge Umkleide- und Entspannungskabinen, in denen Kunst auf uns wartet – Calero gibt ihren Künstlerfreunden Gelegenheit, diverse Werke zu präsentieren, Soundskulpturen, Videos von Performances, Gedichtrezitationen auf Kopfhörer. Das ist natürlich auch eine Marketingstrategie.
Räume neu gestalten
Für ihr jugendliches Alter, sie ist 34, hat die aus Venezuela stammende, aber in Berlin lebende Sol Calero schon einiges gemacht: Sie hat völlig unschuldige, neutrale Räume in Wechselstuben, Tanzstudios und Internetcafés verwandelt, in Filmsets, Kantinen, Bürgerberatungs-Büros, Friseur- und Schönheitssalons.
Das Publikum kann sich auf diese sozialen Orte einlassen oder auch nicht; auf alle Fälle hat es Gelegenheit zum Perspektiv- und Identitätswechsel. In Bregenz hat Sol Calero ihre "Sauna Caliente" in ein behäbiges altes Postgebäude gebaut, das direkt neben Peter Zumthors kubischem Kunsthaus aus Glas und Beton steht. Hier finden die experimentellen Side-Shows statt, und die Sauna, sagt Kuratorin Eva Birkenstock, hat durchaus einen lokalen Bezug.
"Es gibt hier viele schöne Spa-Anlagen im Bregenzer Wald, aber auch direkt hier in Bregenz. Und das ist natürlich auch ein Thema, das heute total aktuell ist, im fortgeschrittenen Kapitalismus – Körperkultur und Fitness."
Fitness, Freizeit, Sport – was in Vorarlberg angeblich der Erholung dient, ist aber auch Pflichtprogramm und setzt die Menschen unter Druck. Wer in die Sauna geht, der präsentiert auch seinen Körper – spätestens da sei es mit der Ruhe für sie vorbei, sagt Sol Calero.
Mit Kunst entspannen
Mit Kunst, meint Calero, erreiche man mehr Entspannung als mit allen "Body Treatments". Naja: Die in Bregenz gereichten Kunst-Partikel können auch ganz schön verstörend sein. Eine Performance-Künstlerin aus Caracas taucht eine mit den Worten "Tengo/Nada" (also: "Ich habe nichts") bedruckte Postkarte in ein Ölfass, dann rezitiert sie politische Texte und schaut sehr böse in die Video-Kamera – ein Pamphlet gegen die Abhängigkeit Venezuelas vom Öl und die staatliche Misswirtschaft.
Eine Lyrikerin liest Gedichte, die eigentlich Saftrezepte sind; andere Künstler liefern Soundcollagen oder parodistische Salsa-Tänze. Den Höhepunkt bildet eine ziemlich lautstarke Telenovela über die Liebe, die Sol Calero mit dem Berliner Kollektiv "Conglomerate" aufgenommen hat.
Äußerst unterschiedliche Qualität
Die künstlerische Qualität dieser Beiträge ist äußerst unterschiedlich; aber sie beziehen sich fast alle auf die Klischees des Bunten und Exotischen, die für Venezuela oder Südamerika stehen. Sol Calero ist mit diesen angeblich lebensfrohen Topoi aufgewachsen, die von außen einem sehr armen Land übergestülpt werden.
Den Spieß umdrehen
Als Künstlerin dreht sie den Spieß nun um: Sie verändert triste europäische Räume, indem sie sie mit äußerst farbenfrohen Tapeten oder Vorhängen ausstattet – im Fall der Bregenzer Sauna-Installation sind es fast malerisch wirkende Stoffbahnen, die an der Decke hängend gute Stimmung machen ...
Sol Calero schafft also in der Hauptsache einen "Container", in dem andere Künstler sich präsentieren können – und das Publikum neue Verhaltensweisen probieren kann. Die Bregenzer Sauna ist Konzeptkunst der spielerischen und alltagsnahen Art - und ein Gegenentwurf zu kommerziellen Ferien-Kunstwelten wie den "Tropical Islands", die gerade Ostdeutschland erobern.