Die Mesosphäre ist ein Bereich in den oberen Schichten der irdischen Atmosphäre, rund 50 bis 80 Kilometer über der Erde. Für die Forschung ist sie nur schwer zugänglich, etwa wenn es darum geht, Messdaten zu erheben, erklärt Igor Bargatin.
"Die Mesosphäre wird auch Ignorosphäre genannt, weil wir da nicht einfach hin können. Die einzige aktuelle Möglichkeit, die Mesosphäre zu erreichen, sind Raketen. Aber damit kann man bestenfalls nur für wenige Minuten in der Mesosphäre bleiben. Das war’s. Es gibt kein Fluggerät, das sich längere Zeit dort aufhalten kann."
Sonnenlicht erzeugt den nötigen Auftrieb
Der Materialforscher Bargatin und sein Team von der University of Pennsylvania wollen das ändern. Sie arbeiten an einer Lösung, oder zumindest den Grundlagen dafür. Die Forschenden fanden eine Möglichkeit, wie man kleinen Fluggeräten auch in der extrem dünnen Luft der Mesosphäre den nötigen Auftrieb verschaffen könnte. Und dafür bräuchte es nichts anderes als Sonnenlicht, sagt Igor Bargatin: "Der Effekt, den wir nutzen, heißt Photophorese. Das ist ein durch Lichtenergie ausgelöster Gasstrom. Das funktioniert am besten unter einem sehr geringen Luftdruck wie in der Mesosphäre."
Die Photophorese beruht auf dem Prinzip, dass Licht eine angestrahlte Oberfläche erwärmt. Luftteilchen, die mit der Oberfläche kollidieren, übernehmen einen Teil der Wärmeenergie und bewegen sich dann schneller. Igor Bargatin will das als Antrieb für mögliche Mesosphären-Fluggeräte nutzen. Bisher fliegen die nur in speziellen Vakuum-Kammern im Labor. Und es ist eigentlich noch übertrieben, sie überhaupt als Fluggeräte zu bezeichnen. Denn es handelt sich nur um kleine, gerade mal sechs Millimeter große, kreisrunde Scheiben einer ultradünnen, durchscheinenden Mylar-Kunststofffolie. Auf der Unterseite ist eine dünne Schicht aus Kohlenstoff-Nanoröhren aufgetragen.
Thermische Effekte lassen die Mylar-Scheiben schweben
Bestrahlt man die Scheiben mit Licht, egal aus welcher Richtung, schluckt die Unterseite dank der Kohlenstoff-Nanoröhren etwas mehr der Lichtenergie und wird damit rund 0,1 Grad wärmer als die blanke Oberseite, erklärt Igor Bargatin.
"Wenn nun Luftmoleküle auf die erwärmte Mylarscheibe treffen, absorbieren sie einen Teil der Wärme und verlassen dann die Scheibe mit einer geringfügig höheren Geschwindigkeit. Weil die wärmere Unterseite mit den Nanoröhren die Gasmoleküle ein bisschen besser erhitzt als die Oberseite, ergibt sich daraus netto eine Rückstoßkraft, die nach oben wirkt."
Anders gesagt: Die Photophorese liefert den Auftrieb. In Videoaufnahmen der Experimente sieht man, wie die Mylarscheiben in Vakuum-Kammern wie von Geisterhand zu schweben beginnen, wenn sie mit LED-Licht bestrahlt werden. Die Lichtenergie, die dafür nötig ist, entspricht in etwa der Stärke der Sonneneinstrahlung in der Mesosphäre, haben die Forscher errechnet. Und mehr noch: Der so erzeugte Auftrieb sollte ausreichen, damit die Mini-Flieger aus Mylar sogar noch Nutzlasten tragen können – bis zu zehn Milligramm.
Auch Nutzlasten ließen sich transportieren
Igor Bargatin denkt da an Nano-Umweltsensoren auf Siliziumbasis, kaum größer als ein Staubkorn. Dieser sogenannte Smart Dust würde dann an ultradünnen Kohlenstofffasern unter den Mylarscheiben hängen – wie Ballast unter einem Fallschirm. Der tiefe Schwerpunkt dieses Pendels würde die Lage der Fluggeräte stabilisieren.
"Man könnte sie frei schweben lassen wie einen Wetterballon, um daraus etwas über die Windverhältnisse in der Mesosphäre zu erfahren. Man könnte sie unter Umständen sogar steuern. Eine Möglichkeit wäre, dafür die Nutzlast an der Aufhängung entlang zu verschieben, sodass sich die Struktur etwas neigt."
Bei einer leicht schräg gestellten Mylar-Scheibe würde der Rückstoß nicht nur nach unten, sondern auch etwas zur Seite wirken und somit Vortrieb liefern. All das sind derzeit freilich noch weitgehend theoretische Überlegungen. Bisher konnten Igor Bargatin und Kollegen nur zeigen, dass das Flugprinzip der Levitation durch Photophorese unter den Bedingungen der Mesosphäre funktioniert. Auf Basis dieser Erkenntnisse hoffen sie aber, eines Tages fliegende Mini-Lastenträger für Umweltsensoren hoch, hoch oben in der Atmosphäre konstruieren zu können.